Schwimmende Autos, verschlammte Straßen, verwüstete Siedlungen: Jeder erinnert sich an die Bilder von der Flutkatastrophe im Ahrtal. 180 Menschen sind gestorben, noch weit mehr Existenzen wurden ruiniert, dazu Sachschäden in Milliardenhöhe. Immerhin: In puncto Bevölkerungsschutz wurde einiges angestoßen. Beispielsweise funktioniert seit Februar deutschlandweit das Handy-Warnsystem Cell Broadcast, um Menschen im Notfall zu warnen. Aber: Die Infrastruktur vieler Kommunen ist nicht auf den Klimawandel und seine Folgen vorbereitet.
Forscher sind sich einig, dass Extremwetterereignisse häufiger werden. Sprich: mehr Stürme, mehr Starkregen, mehr Hitzewellen. Wenn sintflutartige Regenfälle auf zu kleine Kanalsysteme und marode Brücken treffen, ist
Forscher sind sich einig, dass Extremwetterereignisse häufiger werden. Sprich: mehr Stürme, mehr Starkregen, mehr Hitzewellen. Wenn sintflutartige Regenfälle auf zu kleine Kanalsysteme und marode Brücken treffen, ist Unglück vorprogrammiert. Etliche Kommunen sind bis zum Hals verschuldet, finanziell überfordert und gezwungen, an Personal und Infrastruktur zu sparen. Seit 2003 sind die öffentlichen Nettoinvestitionen in den Kommunen im Minus, heißt: Die öffentliche Infrastruktur verliert seit zwanzig Jahren an Wert! Immer wieder schlagen Bürgermeister deshalb Alarm. Ein anschauliches Beispiel ist die Stadt Osterholz-Scharmbeck in Niedersachsen.Dem parteilosen Bürgermeister Torsten Rohde war schon 2019 klar, weit vor der Ahrtal-Katastrophe, dass es dringend Investitionen in die Bewässerungssysteme braucht. Weil aber Geld fehlt, muss der Kämmerer woanders sparen, etwa an den Aufenthaltsräumen in Schulen. Daniela Rahn, eine Projektleiterin der örtlichen Stadtwerke, erklärt, sie würde gerne die Rohre für den Regenwasserkanal schnellstmöglich erweitern. Kann sie aber nicht.Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): Kommunaler Investitionsstau ist auf 166 Milliarden Euro angewachsenDenn aus den klammen Kassen kann der Kämmerer dafür nur 400.000 Euro pro Jahr abknapsen. Ein Vielfaches davon wäre nötig, entsprechend langsamer geht es voran. Das ist die Realität hinter dem kommunalen Investitionsstau, der bundesweit mittlerweile auf 166 Milliarden Euro gewachsen ist, wie das neueste KfW-Panel festgestellt hat. Davon allein sieben Milliarden im Bereich Wasser und 39 im Bereich Straße. In den letzten Jahren ist der Betrag immer größer geworden.Ohne Geldspritze vom Bund, der den Kommunen Altschulden abnehmen oder einen größeren Teil der gemeinsamen Steuern (zum Beispiel der Umsatzsteuer) überlassen könnte, geht es offensichtlich nicht. Immerhin: Die Ampel hatte sich eine Altschuldenlösung für Kommunen in den Koalitionsvertrag geschrieben. Bisher nur ein Papiertiger.Man braucht keine Glaskugel, um zu wissen: Katastrophen sind so vorprogrammiert. Investitionsstau und Extremwetter sind eine zerstörerische Kombination. Das Gegenteil wäre nötig: eine Investitionsoffensive in unwetterfeste Infrastruktur. Für Starkregen hieße das etwa, heute in die Kanalisation, in Abflusssysteme, Talsperren, Regenrückhaltebecken, Sickeranlagen, intelligente Straßenführung und flutfeste Gebäude zu investieren.Nur Reiche können sich einen armen Staat leistenDie Pläne liegen in vielen Kommunen sogar schon in der Schublade, allein das Geld für die Umsetzung fehlt – und in Zukunft bald die Fachkräfte. Wenn Konservative in dieser Lage den Staatshaushalt um jeden Preis trockenhalten wollen, stehen in Zukunft unsere Häuser unter Wasser.Machen wir uns nichts vor: Es läuft längst ein Wettlauf gegen die Zeit. Teuer wird es so oder so. Die Frage ist nur, investiert man in Prävention oder in Schadensbeseitigung. Das allerdings ist auch eine Klassenfrage. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung hat kaum Ersparnisse, um im Krisenfall zerstörtes Hab und Gut zu ersetzen, Häuser zügig zu sanieren, geschweige denn sich teuer gegen solche Ereignisse zu versichern.Wenn das Wasser die Existenz davonschwemmt, drohen Überschuldung und ein Leben in Ruinen mit nassen Kellern und feuchten Wänden – samt all den Gesundheitsrisiken. Nicht umsonst weiß der Volksmund: Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten.