Annalena Baerbock: Gefährliche Schlafwandlerin im Auswärtigen Amt

Meinung Die Außenministerin sieht uns im „Krieg gegen Russland“, und die Presse spricht von einem Versprecher. Schade, dass es für das Eskalationspotential alleine entscheidend ist, wie es in Moskau ankommt
Außenministerin Annalena Baerbock
Außenministerin Annalena Baerbock

Foto: Imago/Metodi Popow

Im russischen Staatsfernsehen läuft allabendlich eine unsäglich niveauarme Polittalkshow namens Wetscher des Moskauer Chefpropagandisten Wladimir Solowjow. Dieser präsentierte in einer aktuellen Ausgabe die deutsche Außenministerin Baerbock mit einem in diesem Fall nicht verfremdeten Originalzitat, in dem sie einen Journalisten öffentlich belehrt, dass wir einen Krieg gegen Russland führen und nicht gegeneinander“.

Solowjows bezeichnete Baerbock daraufhin als Miss Ribbentropp, in Erinnerung an den NS-Außenminister, im Amt als Deutschland zuletzt einen Krieg gegen Russland führte. Baerbocks Ausspruch war die perfekte Bestätigung für Solowjows lange gepredigtes Bild, nicht etwa Russland habe heimtückisch die Ukraine überfallen. Nein, es wehre sich nur gegen einen aggressiv von dort erklärten Krieg des Westens gegen Moskau.

Solowjows überzogener NS-Vergleich ist von der Denkweise politisch wichtigerer Akteure in Moskau nicht weit entfernt. Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion hat sich mit Millionen Toten tief ins russische Gedächtnis gebrannt, von wo man das Feindbild vom „bösen Deutschennur hervorholen muss, um die eigene Bevölkerung beim unpopulären eigenen Angriffskrieg bei der Stange zu halten. Wirklich führende russische Köpfe drücken sich natürlich gewählter aus, wenn sie die Lieferung von deutschen Panzern an den Kriegsgegner in die Nähe von Nazideutschlands Panzerangriff rücken.

Ein Remake

Etwa der leitende Außenpolitiker Konstantin Kosatschew, der davon spricht, die Leoparden machen aus dem Naziüberfall auf die Sowjetunion einen historisch deutschenoder der Sicherheitspolitiker Alexej Puschkow, der die Panzerlieferung als Remake des Zweiten Weltkriegssieht.

Gebetsmühlenartig wiederholen deutsche Politiker, Experten und Journalisten, die jede Waffenlieferung an die Ukraine unterstützen, dass Deutschland auch mit der Lieferung von Kampfpanzern nicht zur Kriegspartei werde. Besonders wichtig ist die Verteidigung dieser Linie zur Vermeidung gefährlicher Eskalation in einem Moment, in der Deutschland durch neue Offensivwaffen wirklich näher an die Position eines Kriegsteilnehmers heranrückt.

Auch im Zweiten Weltkrieg war etwa der Weg der USA von einem ständigen Waffenlieferanten zu einem Weltkriegsteilnehmer kurz auf der moralisch richtigen Seite der Front.

Eskalation befördert

Man kann es nur als geistiges Schlafwandeln bezeichnen, wenn die deutsche Chefdiplomatin just in diesem Moment auf einer öffentlichen Veranstaltung in ein Pressemikro von einem eigenen Krieg gegen Russland redet und damit zentralen Worten ihres Chefs Olaf Scholz widerspricht: Wir müssen immer ganz klarstellen, dass wir das Nötige und das Mögliche machen, um die Ukraine zu unterstützen, dass wir aber gleichzeitig eine Eskalation des Krieges zu einem Krieg zwischen Nato und Russland verhindern, und dieses Prinzip werden wir weiter immer beachten.

Nein, Annalena Baerbock hat es hier nicht beachtet und damit eine Eskalation des Krieges zu einem zwischen der NATO und Russland befördert.

Von einer Entschuldigung für diese gefährliche Äußerung durch die deutsche Außenministerin ist nirgends die Rede, auch die Kritik in großen deutschen Medien blieb ausgesprochen milde. Das ZDF spricht etwa von einem verrutschten Statement“ und das Auswärtige Amt schreibt auf Nachfrage der Bild: „Das Völkerrecht ist eindeutig: Die Ukraine dabei zu unterstützen, ihr in der UN-Charta verbrieftes individuelles Selbstverteidigungsrecht gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auszuüben, macht Deutschland nicht zu einer Konfliktpartei.“

Auch nicht auf der moralisch richtigen Seite

Schade, dass es für das Eskalationspotential alleine entscheidend ist, wie es in Moskau ankommt. Es bleibt zu hoffen, dass die Kriegsäußerung der Außenministerin nicht etwa ein freudscher Versprecher war und Annalena Baerbock im Inneren von unserem Krieg gegen Russlandbereits überzeugt ist.

Denn das würde sich unterschwellig auch in zukünftigen Statements zeigen, die nun einmal von einem Regierungsmitglied sehr wohl eskalieren, so sehr man es auch negieren mag. Schlafwandelnd und sich nicht über die Folgen des eigenen Handelns bewusst, ist Deutschland schon einmal in einen Weltkrieg gestolpert. Das sollte sich nie wiederholen. Auch nicht auf der moralisch richtigen Seite.

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Geschrieben von

Roland Bathon

Journalist und Politblogger über Russland und Osteuropa /// www.journalismus.ru

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