Neues aus Absurdistan

Russland - Coming Out soll strafbar werden

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Zurück ins Mittelalter?

Sind sie jetzt endgültig verrückt geworden? Die beiden kommunistischen Abgeordneten der russischen Duma, Nikitschuk und Ajefyjew haben einen Gesetzentwurf erarbeitet, der neben dem bereits geltenden idiotischen Verbot der sog. „homosexuellen Propaganda“ (siehe Glossar) nun auch noch das *Coming Out homosexueller Männer (homosexuelle/lesbische Frauen werden offenbar von den beiden Männern nicht für voll genommen, sie tauchen im Gesetzentwurf deshalb auch gar nicht erst auf) unter Strafe von bis zu 15 Tagen Gefängnis stellen will.

(*Coming Out = sich nicht als Heterosexueller verstellen)

Wie ein Relikt aus dunklen Vorzeiten liest sich die Begründung der beiden Genossen:

„Wir wollen gegen diese soziale Krankheit [sic] in unserer Gesellschaft vorgehen, da Homosexualität eine schwerwiegende Gefahr für jede normale Person [sic] und für die Gesellschaft als Ganzes ist. Wenn Homosexualität akzeptiert wird, werden sich die Menschen nicht mehr fortpflanzen [sic]“

Junge, Junge, liebe Genossen Hinterwäldler, da ist aber bei Euch jede Menge irrationale Angst, Vorurteil und Unwissenheit zu einem Quark verrührt worden, der zu lächerlichen Panik-Reaktionen (Homophobie) führt, über die man herzhaft lachen könnte, wenn darunter nicht die etwa 10 - 15 % homosexuellen Menschen in Russland immer stärker zu leiden hätten!

Inzwischen wird Homophobie in Russland als Asylgrund in vielen europäischen Ländern (etwa Niederlande, Belgien, Luxemburg, Deutschland, Schweiz, Schweden, Spanien, Portugal, Dänemark etc.) anerkannt und mir sind etliche Fälle bekannt, in denen homosexuelle russische Staatsbürger in diesen Ländern inzwischen um Asyl gebeten haben. Was für eine Schande für Russland!

Kapiert Ihr es nicht oder wollt Ihr es nicht kapieren, weil Feindbilder gebraucht werden, um von Eurem eigenen politischen Unvermögen abzulenken?

  • Homosexualität ist keine Entscheidung für oder gegen etwas, sondern genau wie Heterosexualität ein wesentlicher Bestandteil der jeweiligen Persönlichkeit. Meist wird ihm oder ihr bereits während der Pubertät deutlich, zu wem er oder sie sich sexuell hingezogen fühlt. Auch wenn dieser Teil der eigenen Persönlichkeit - weil er oft durch die jeweilige Gesellschaft negativ dargestellt und sanktioniert wird - unterdrückt und verleugnet werden sollte (= internalisierte Homophobie, siehe Glossar), so bleibt er doch ein Leben lang Bestandteil dieses Menschen und ist nicht veränderbar. Eine Konditionierung (früher mit Elektroschocks oder Ekelbildern versucht) kann zwar zu Schuldgefühlen und erhöhter Suizidgefahr führen, macht aber aus einem Homosexuellen keinen Heterosexuellen und aus einem Heterosexuellen natürlich auch keinen Homosexuellen.
  • Die Behauptung jemand der sieht, liest oder hört, dass es homosexuelle Menschen gibt, dass sie in oft lebenslang haltenden glücklichen Zweierbeziehungen leben, dass Dutzende Länder die Eheschließung homosexueller Paare gesetzlich geregelt und geschützt haben, würde dadurch homosexuell (Nachahmungseffekt) ist blanker Unsinn. Wer behauptet ein homosexueller Lehrer oder ein homosexuelles Elternpaar würde Schüler bzw. Kinder zu homosexuellen Menschen machen, verbreitet dümmliche Angstpropaganda von unaufgeklärten Hinterwäldlern und Ewig Gestrigen. Wäre es so müssten Schüler von heterosexuellen Lehrern und Kinder von heterosexuellen Ehepaaren ausschließlich heterosexuell werden. Die Realität sieht bekanntlich anders aus, ein seit Anbeginn der Menschheit konstant gebliebener Anteil von ca. 10 - 15 % einer jeden Bevölkerung ist und bleibt homosexuell.
  • Die wirklich idiotische Behauptung „würde man Homosexualität akzeptieren, gäbe es bei den Heterosexuellen keine Fortpflanzung mehr“ ist so bekloppt, dass man sich wundert, was erwachsene Menschen für einen Schwachsinn verbreiten können, noch dazu politisch interessierte Duma-Abgeordnete. Ganz langsam zum Mitschreiben oder Auswendiglernen, liebe Genossen Hinterwäldler: Wenn heterosexuelle Menschen sehen, hören oder lesen, dass es neben heterosexuellen auch homosexuelle Menschen gibt (und wer nicht in einer Höhle, ohne Medienanbindung oder eben in Russland lebt, weiß das schon seit längerem) dann hat das auf deren Fortpflanzungswunsch oder auch den Wunsch dagegen nicht den geringsten Einfluss, warum auch? Es ist dem heterosexuellen Paar doch vollkommen schnuppe, weil es mit seiner Lebensplanung (Kinder, Karriere, Hobby usw.) überhaupt nichts zu tun hat. Wie stellt Ihr Euch denn diese „Gefahr“ für die Fortpflanzung vor? Kommen homosexuelle Nachbarn zu ihren heterosexuellen Freunden und sagen Ihnen sie sollten sich nicht fortpflanzen? Mal abgesehen davon, dass sich wohl niemand das von anderen vorschreiben ließe, welches Interesse sollten homosexuelle Menschen daran haben? Oder fantasiert Ihr Euch zusammen, dass ein heterosexueller Mensch plötzlich viel lieber in einer homosexuellen Partnerschaft leben wird, obwohl er gar nicht homosexuell ist? Häh? Ihr leidet doch ganz offenkundig an Paranoia, Genossen Nikitschuk und Ajefyjew, wie wäre es jetzt endlich mal mit einer Therapie?
  • Zurück in die Zeiten der repressiven Sowjetunion? Unsere beiden homophoben Freunde bringen noch folgende „Argumente“, Zitat: „Das Homo-Verbot in der Sowjetunion [in der Homosexualität mit langjährigen Haftstrafen und Zwangsarbeit bestraft wurde] hat einen positiven Effekt auf die Gesellschaft gehabt [sic]“ und die Erde ist eine Scheibe ...

Glossar:

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/russlands-gesetz-gegen-sog-homo-propaganda

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/putin-castro

Die anerkannte Definition von Homophobie findet sich hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Homophobie

Internalisierte Homophobie:

Zitat: "(...) Lesbische Frauen und schwule Männer wachsen in einer Gesellschaft auf, in der sie immer wieder mit homophoben [Definition siehe oben] Äußerungen und Handlungen ihres heterosexuellen Umfeldes konfrontiert werden.Diese werden auch von homosexuellen Menschen unbewusst mehr oder weniger stark verinnerlicht. Und so kann es kommen, dass die Opfer homophober Verhaltensweisen schließlich sogar negative Bilder von sich selbst bekommen. Diese, die Psychologie spricht hier von 'internalisierte', Homophobie kann dann wie ein Feind von innen wirken und dazu beitragen, dass homosexuelle Menschen kaum Selbstbewusstsein entwickeln und sich selbst ablehnen.

Generell lässt sich sagen, dass internalisierte Homophobie negative Auswirkungen hat. Es entwickelt sich statt 'Gay Pride' (schwul-lesbisches Selbstbewusstsein), 'Gay Shame' (schwul-lesbische Schuldgefühle), was u.a. zur Selbstverleugnung und zur Verhinderung von Engagement und Einsatz für die eigenen Menschen- und Bürgerrechte führt (manche, darunter überproportional viele offenbar vom Zölibat frustrierte katholische Priester, spielen anderen ein Leben lang den vermeintlich Heterosexuellen vor und führen sich, um von der eigenen Homosexualität abzulenken, sogar demonstrativ homofeindlich auf). Dieser homosexuelle Selbsthass wird dann regelmäßig an anderen homosexuellen Menschen ausgelassen, was eine Art übertragene Selbstgeißelung (die Psychologie spricht von 'Projektion') darstellt ..."

(Quelle: Psych.-Prof. a.D. Dr. Udo Rauchfleisch / Interview vom Mai 2014)

Blütenlese Homophobie - 1 -

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/untergang-die-zeichen-sind-unuebersehbar

Blütenlese Homophobie - 2 -

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/bluetenlese-homophobie-2

Blütenlese Homophobie - 3 -

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/bluetenlese-homophobie-3

Blütenlese Homophobie - 4 -

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/bluetenlese-homophobie-4

Blütenlese Homophobie - 5 -

https://www.freitag.de/autoren/saul-rednow/bluetenlese-homophobie-5

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Saul Rednow

Meine Themen: Rechtsextremismus - Rassismus - Homophobie - Politik - Musik u.a.

Saul Rednow

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