Es ist erst ein paar Wochen her, da hat Mario Voigt in einem Hörsaal der Uni Erfurt über den größten Fehler seines politischen Lebens gesprochen. Er habe, sagte er dort, den Widerstand unterschätzt, den es in seinen eigenen Reihen gegen die verabredeten Neuwahlen in Thüringen im Jahr 2021 gab. Nachdem CDU, FDP und AfD am 5. Februar 2020 den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten gewählt hatten, hatten sich die rot-rot-grüne Minderheitskoalition und die CDU in einer Tolerierungsvereinbarung darauf geeinigt, die Menschen im Land neu über die Zusammensetzung des Landtags abstimmen zu lassen. Das scheiterte dann unter anderem am Widerstand von vier Abgeordneten, die zur CDU-Fraktion im Thüringer Landtag gehöre
dann unter anderem am Widerstand von vier Abgeordneten, die zur CDU-Fraktion im Thüringer Landtag gehören. Voigt führt diese Fraktion als Chef an. Er habe damals „einen kleinen Schneeball zu einer Lawine werden lassen“, sagte er in dem Hörsaal.Zwar dürften dem 47-Jährigen diese ungewohnt selbstkritischen Töne, die er da auf der ersten „Fuck-up-Night“ der Thüringer Landespolitik zu sich selbst gefunden hatte, leicht über die Lippen gekommen sein: Solche „Ich rede über mein Scheitern“-Formate sind in der Wirtschaft inzwischen angesagt – und Voigt legt großen Wert darauf, nicht immer Politiker gewesen zu sein. Vor seiner Parteikarriere war er Leiter der Unternehmenskommunikation beim Messtechnik-Spezialisten Analytik Jena.Inzwischen allerdings muss man fragen: Wenn Voigt in ein paar Wochen erneut an einer solchen „Fuck-up-Night“ teilnehmen sollte, würde er dann bekennen müssen, dass es sein bisher größter politischer Fehler gewesen sein wird, sich auf ein TV-Duell mit dem Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke einzulassen? Allen Warnungen zum Trotz …Immerhin waren diese Mahnungen nicht nur zahlreich, sondern auch eindringlich gewesen. Seit die Pläne Voigts für dieses TV-Duell bekannt sind, hat es zahllose Hinweise gegeben, dieser Schlagabtausch im Fernsehen werde in erster Linie Höcke nutzen. Egal, was Voigt dabei tue oder sage. Beispielsweise hat das Internationale Auschwitz Komitee das TV-Duell – das ausgerechnet am 11. April und damit am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald stattfinden soll – vehement kritisiert. Die Art und Weise, wie Voigt auf derlei und viele andere kritische Stimmen zu diesem Zusammentreffen reagiert, ist bezeichnend dafür, wie er seit Monaten schon jene Politik macht, von der er hofft, dass sie ihm nach der Thüringer Landtagswahl am 1. September ins Amt des Ministerpräsidenten dieses Freistaats tragen wird. Voigt wischt alle Einwände einfach beiseite; so wie er das mit Kritik inzwischen regelmäßig tut.Stattdessen wiederholt er ein ums andere Mal, was er schon gefühlt hundertfach gesagt hat. Egal, wie glaubwürdig oder unglaubwürdig das auch sein mag.Mario Voigt will eine „Deutschland-Koalition“ schmiedenZu den eher unglaubwürdigen Dingen gehört, dass Voigt ständig wiederholt, er wolle an der Spitze einer „Deutschland-Koalition“ Regierungschef werden – also ein Bündnis aus CDU, SPD und FDP schmieden. Dass die Umfragewerte seit Langem zeigen, dass ein solches Bündnis keine realistische Chance auf eine Mehrheit hat, stört ihn eigenen Beteuerungen nach nicht besonders.Zu den glaubwürdigeren Sachen, die er bei kaum einem öffentlichen Auftritt vergisst zu sagen, gehört, dass er Vater von zwei Söhnen ist. Soll heißen: Ich weiß, was Familien wollen! Das Gleiche denkt Voigt übrigens auch von „den Leuten“, über die er ständig in genau dieser Pauschalität spricht und deren Interessen er am besten zu vertreten glaubt. Den Kritikern des TV-Duells nun entgegnen Voigt und seine Gefolgsleute stets und ständig, es sei wichtig, sich mit der AfD und Höcke hart, aber eben unmittelbar und sachlich auseinanderzusetzen, wenn man „die Leute“ für die CDU-Linie gewinnen wolle. „Direkte Auseinandersetzung führt zu Vertrauensgewinn“, so hat Voigt das erst kürzlich bei Markus Lanz im ZDF formuliert.Ganz so, als versuchten Politiker oder auch Journalisten in Deutschland nicht schon seit ungefähr zehn Jahren, den populistischen und extremistischen Positionen der AfD genau damit entgegenzutreten: mit Fakten und Argumenten. Ganz so, als habe es im US-Wahlkampf 2016 nicht jene berüchtigten TV-Duelle zwischen der Demokratin Hillary Clinton und dem Republikaner Donald Trump gegeben, bei dem sie ihm Fakten und Argumente entgegenschleuderte und damit gegen seine Demagogie nicht ankam. Ganz so, als sei diese Strategie der direkten, sachlichen Auseinandersetzung bislang nicht ziemlich gescheitert.Voigt aber wäre nicht Voigt, wenn er nicht glauben würde, es doch besser zu können. Am Abend des 1. September, wenn die Stimmen der Thüringer Landtagswahl ausgezählt sein werden, wird die Republik wissen, was „die Leute“ im Freistaat wirklich gewollt haben.Placeholder authorbio-1