Lithium, Tesla, gerodete Bäume: Deutschlands Rendezvous mit dem grünen Kapital
Nachhaltigkeitsversprechen Die Baumhäuser gegen Elektroautos in Grünheide dürfen vorerst bleiben, der Wald anstatt Solarkraft in Hohensaaten auch: Versuche, eine klimaschonende Ökonomie zu realisieren, treffen auf immer deutlicheren Widerstand
;tzer. Wissenschaftlich unterfüttert klärten sie auf, dass es sich bei diesem Wald nicht um ein artenarmes, munitionsverseuchtes Gebiet handelt, das für grünen Strom, Arbeitsplätze, Gewerbesteuer und Ersatzpflanzungen leicht dranzugeben ist. Vielmehr sorgt dort ein jahrhundertealtes, stabiles und artenreiches Ökosystem für Kühlung, die von Vorteil in Sachen Klima ist. Die Stadtverordnetenversammlung Bad Freienwalde hat den Plan nun gestoppt und die Solarstromerzeugung verhindert.Der Widerstand gegen Vorhaben, die Nachhaltigkeit und Klimaschutz durch technologische Innovationen und ohne Änderung der Wirtschafts- und Konsumweise versprechen, wird häufiger, heftiger und breiter, weil entsprechende Projekte häufiger, heftiger und lokal real werden. Virulent ist dies besonders in ostdeutschen Ländern, weil dort der Bedarf an Zuzug, Industrie, deren Wertschöpfung und Arbeitsplätzen am größten ist, gerne gefördert wird und mutmaßlich geeignete Flächen noch am ehesten zur Verfügung stehen.Nur 60 Kilometer sind es von Bad Freienwalde nach Grünheide, wo die internationale Klimagerechtigkeitsbewegung gerade den Kampf einer lokalen Bürgerinitiative unterstützt. Ihre Besetzungsbaumhäuser richten sich nicht wie in Lützerath, im Hambacher, Dannenröder oder Losser Forst gegen Kohlebergbau und Autobahnausbau, sondern gegen eine Idee, die klimaschonende Mobilität verspricht: Elektroautos. „Der schöne grüne Lack des grünen Wachstums ist abgekratzt, der neokoloniale Dreck darunter längst sichtbar“, schreiben die Besetzer*innen und meinen nicht nur Elon Musks Tesla-Konzern. Dem bisherigen Plan für die Erweiterung von dessen Fabrikgelände in Brandenburg hat eine deutliche Mehrheit Grünheides bei einer Befragung jüngst eine Absage erteilt. Der Bürgermeister will jetzt mit einem neuen Plan, demnach 50 statt 120 Hektar Wald gerodet würden, die Wünsche Teslas und der Bürger versöhnen. Die Baumhausbesetzer*innen sind damit nicht zu versöhnen, sie wollen sich jeder Räumung widersetzen. Zu der wird es vorerst ohnehin nicht kommen – nachdem ein Eilantrag gegen den Auflagenbescheid des Polizeipräsidiums zum Protestcamp in Grünheide vor dem Verwaltungsgericht Potsdam erfolgreich war. Wie in Bad Freienwalde hat in Grünheides Politik bisher vor allem die AfD versucht, vom Widerstand gegen grüne Projekte zu profitieren. Per Anschlag auf die Stromversorgung mischte zuletzt eine linksradikale „Vulkangruppe Tesla abschalten!“ mit.Krasser Kampf um RohstoffeSolch wilder Protest könnte sich bald auch dort in Deutschland regen, wo Rohstoffe für eine postfossile Ökonomie ohne große Konsumeinschränkung nicht verarbeitet werden, sondern lagern: Lithium im Erzgebirge und im Oberrheingraben, einem der Drehorte der unbedingt empfehlenswerten investigativen Dokumentation #UnsereErde: Kampf um Rohstoffe – Am Abgrund, zu sehen in der ARD-Mediathek.Eingebetteter MedieninhaltDeren Filme zeigen zudem, wie Deutschland in aller Welt nach Materialien jagt, die die Transformation von Energie-, Mobilitäts- und anderen Systemen verlangt. Der Chefeinkäufer der Republik von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe besucht das auch mit Kohle betriebene Herzstück der globalen Lithium-Produktion in China, zwei Vertreterinnen der deutschen Außenhandelskammer Chile buhlen dort verzweifelt um Kupfer und sehen sich die Umwelt gefährdende Abbaustätten an – das Resultat ihrer Erkenntnisprozesse hämmern sie alle in die Köpfe des deutschen Publikums: Diese Wende gebe es nicht ohne Opfer. „Wir als Menschen haben es geschafft, Technologien zu entwickeln, Innovationen hervorzubringen, aber zur gleichen Zeit machen wir unseren eigenen Lebensraum auch kaputt“, sagt eine der Außenhandelsvertreterinnen.Raubbau am Boden, massiver Verbrauch und Gefährdung des Wassers, Rodung von Bäumen: All das gibt es in einer grünen wie in einer fossilen Ökonomie, solange die Reduktion von Verbrauch und Konsum ein rotes Tuch ist. Das ist sie, weil die Reichsten und Mächtigsten weiterhin am meisten verbrauchen und konsumieren wollen.
×
Artikel verschenken
Mit einem Digital-Abo des Freitag können Sie pro Monat fünf Artikel verschenken.
Die Texte sind für die Beschenkten kostenlos.
Mehr Infos erhalten Sie
hier.
Aktuell sind Sie nicht eingeloggt.
Wenn Sie diesen Artikel verschenken wollen, müssen Sie sich entweder einloggen oder ein Digital-Abo abschließen.