Der KI den rettenden Schritt voraus: Fälschen Sie sich einfach selbst!

Kolumne Man sieht es dem Plapperdings vielleicht nicht an, aber ChatGPT ist „so gefährlich wie die Atombombe“. Die Menschheit muss handeln – und unsere Kolumnistin weiß auch schon wie
Ausgabe 26/2023
Samuel Altman, CEO von OpenAI vor einem Komitee zur Nutzung Künstlicher Intelligenz
Samuel Altman, CEO von OpenAI vor einem Komitee zur Nutzung Künstlicher Intelligenz

Foto: Win McNamee/Getty Images

Heute habe ich mit der plappernden Atombombe ChatGPT geplaudert. Danach habe ich einem anderen Menschheitsbedroher eine Stimmprobe von mir gestiftet und mich dann mit meinen Voice-Clone besprochen. Was man halt so macht, kurz bevor die Menschheit ausgelöscht wird.
Die Erfinder künstlicher Intelligenz halten das nahe Ende anscheinend für gut möglich. Mehrfach wurde entsprechend bizarr gewarnt. Zuletzt: KI so gefährlich wie Atombombe.

Immerhin plant die EU weitreichende Regulierungen, jetzt vorgelegt im Entwurf des AI Acts. Aber es gibt damit zwei Probleme. Erstens ist der AI Act von ChatGPT und anderer sogenannter generativer KI ein wenig überrascht worden. Der EU-Act reguliert nämlich zweckgebunden und generative KI fabuliert ja erst mal zweckfrei vor sich hin. Zweitens treten die EU-Regelungen frühestens 2026 in Kraft. Was, wenn die Menschheit dann gar nicht mehr existiert? Dann wäre der ganze Aufwand umsonst gewesen. EU-Ressourcen wären wieder mal verschleudert worden.

100.000 Euro bis spätstens 15.34 Uhr!

Was also tun? ChatGPT-Erfinder Sam Altman fürchtet sich etwa vor einer Zunahme von KI-Deepfake-Erpressungsbetrügereien. Um solchen Bedrohungen zu begegnen, hält Altman gesellschaftliche Anpassung und ein geschärftes Bewusstsein für notwendig.

Und jetzt kommt die gute Nachricht: Dafür können wir alle etwas tun. Und zwar sofort! Wie? Ganz einfach. Holen Sie kurz Luft. Dann, liebe Lesende, rufen Sie einen Ihrer Lieblingsmenschen an und sagen mit erstickter Stimme: „Hallo, ich bin‘s!“ Wenn dieser entgegnet „Wer? Du? Bist du‘s?“, hauchen Sie in den Hörer: „Ja, ich bin‘s!“ Und: „Du, ich stecke hier in einer sehr schlimmen Misere.“ Dann schluchzen sie: „Du, ich bin unschuldig verhaftet, wenn ich nicht sofort 40.000 Euro auftreibe, dann machen die mit mir kurzen Prozess. Aaaaaa!“

Wenn daraufhin Ihr Lieblingsmensch panisch eine Reihe willkürlicher Sätze ausstößt wie: „Oh nein! Oh nein! Was ist denn passiert? Wo bist du denn? Wolltest du nicht zu Rewe? Wohin soll ich das Geld überweisen?“, dann müssen Sie noch etwas dicker auftragen. Ergänzen Sie vielleicht: „Ich muss auch meine Atomrakete wieder in die richtige Umlaufbahn bringen und den Müll über dem Meer ausschütten, 100.000 Euro brauche ich dafür! Spätestens bis 15.34 Uhr!“ Wenn der Lieblingsmensch jetzt immer noch nichts schnallt, outen Sie sich für eine Auswertung: „Hast du echt geglaubt, dass ich Müll ins Meer kippe?“ In Ihrem gefakten Deepfake sollten Sie ruhig dick auftragen, denn noch ist unser Bewusstsein ja nicht geschärft dafür.

Vergessen Sie die in den USA verbreitete Methode ein Code-Wort auszumachen. Das kann die KI locker mithören. Noch sind die wirklichen Deepfakes ja nicht sooo gut, sie werden aber in rasender Geschwindigkeit besser. Allerdings, verehrte Lesende, hier haben wir die einmalige Chance der KI-Entwicklung stets einen Schritt voraus zu sein, weil: Wir sind ja die Originale! Sobald Ihre Familienmitglieder immun sind oder diese Sie geblockt haben, erweitern Sie Ihren Einsatzbereich.

Machen Sie gefakte Deepfake-Anrufe bei Ihrer Bank, Ihrem Arzt, der Polizei (ja auch diese muss sich ja vorbereiten können), kontaktieren Sie Interpol, den Bundeskanzler und Ihren Schuster. Die letzte Stufe sind dann die gefakte Deepfake-Begegnungen im Real Life. Also: Treffen Sie jemanden und geben vor, Sie selbst zu sein, tatsächlich spielen Sie aber nur einen täuschend echten Fake Ihrer selbst. Wenn wir es schaffen, derartige Situationen noch vor Erscheinen des EU AI Acts und dem massenhaften Auftreten von Deepfake-Androiden zu entlarven, dann könnte die Menschheit vielleicht doch überleben. Deshalb: Warten Sie nicht! Holen Sie Ihr Telefon! Wählen Sie ...

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden