Niederlande: Wilders und die Tücken der repräsentativen Demokratie

Meinung Potenzielle Koalitionäre der rechtsnationalen Freiheitspartei PVV lavieren und spielen auf Zeit. Die schwelende Legitimitätskrise einer repräsentativen Demokratie kann das unter Umständen gehörig anfachen
Ausgabe 48/2023
Dilan Yeşilgöz ist Parteichefin der liberal-rechten Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD)
Dilan Yeşilgöz ist Parteichefin der liberal-rechten Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD)

Foto: Imago/ANP

Dilan Yeşilgöz, Parteichefin der liberal-rechten Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD), hat ein Problem. Im Wahlkampf schloss sie eine Koalition mit der rechtspopulistischen Freiheitspartei PVV nicht aus. Doch nachdem die mit klarem Vorsprung die jüngste Abstimmung gewonnen hat, zieht die VVD-Spitzenkandidatin zurück: Eine Minderheitsregierung von Geert Wilders will sie tolerieren, aber nicht selbst mit den Rechtspopulisten koalieren.

Seitdem gärt es in der Partei, die 13 Jahre in Den Haag an den Hebeln saß. Prominente Mitglieder fordern, dass Yeşilgöz ihre Weigerung zurücknimmt, andere wie ihr Vorgänger Mark Rutte unterstützen sie. Was sich abspielt, beleuchtet die Konfusion, die den niederländischen Politikbetrieb erfasst hat. Kooperieren mit der PVV – wie auch immer – bedeutet auch anzuerkennen, dass die in der stärkeren Position ist.

Senkrechtstarter Pieter Omtzig

Den Senkrechtstartern des Nieuw Sociaal Contract (NSC) von Pieter Omtzigt, neben der VVD ein naheliegender Partner für ein Wilders-Kabinett, bleibt diese Einsicht ebenso nicht erspart. Dass die PVV-Agenda vorerst nicht verschwindet, das dürfte unstrittig sein. Inzwischen resultiert daraus ein Machtanspruch, der sich nicht einfach ignorieren lässt. Das würde die schwelende Legitimitätskrise einer repräsentativen Demokratie nur anfachen. Das derzeitige Lavieren tut ein Übriges.

Wie mit der Kalamität umgehen, der Freiheitspartei Paroli zu bieten und zugleich mit ihr nach Auswegen zu suchen, um dem Staat Unregierbarkeit zu ersparen? Man kann sich den Einwand schenken, dass Wilders weiter salonfähig gemacht wird. Das ist teilweise längst geschehen. Natürlich können potenzielle Koalitionäre in Verhandlungen eruieren, in welchem Verhältnis Unterschiede wie Gemeinsamkeiten mit der Freiheitspartei stehen und dann erklären, dass die Schnittmenge nicht ausreicht.

Nur sollte der Eindruck vermieden werden, das von vornherein gewusst und nur taktiert zu haben. Die Wähler der Wilders-Partei dürfte das erst in ihrem Verlangen bestärken, nicht weiter von der politischen Willensbildung suspendiert zu bleiben, selbst wenn der Wahlsieg einer Partei keine Regierungsgarantie verheißt. Das gilt auch für Rechtspopulisten, befreit aber nicht vom Gebot, mit ihnen offen statt fintenreich umzugehen.

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