„Die Linke“, reißt etwa der Nachrichtensender ntv die überraschende Neuigkeit an, „nominiert Klima- und Flüchtlingsaktivistin Carola Rackete als Spitzenkandidatin für die Europawahl 2024. Damit sendet die Partei auch ein deutliches Signal an Fraktionschefin Sahra Wagenknecht.“
Der zweite Satz ist nun gewiss nicht alles, was zu dieser Personalie zu sagen ist. Die Aktivistin, 2019 als Kapitänin eines Seenotrettungsschiffes kurzzeitig verhaftet, ist eine Prominente. Seit die Grünen den restriktiven „Asylkompromiss“ der EU mittragen, wird bei ihrem Thema Terrain frei. So mag die Parteispitze Racketes Kandidatur als Coup empfinden.
Dennoch stimmt es natürlich: Die Personalie wird als Signal verstanden, wohin eine Post-Wagenknecht-Linke zu marschieren gedenkt – nämlich weg von ihrer bis zum bitteren Ende prominentesten Vertreterin. In der Sache ist das zwar nicht ganz richtig. Denn mit dem Mainzer Arzt und Sozialaktivisten Gerhard Trabert will man auf dem vierten Listenplatz noch einen zweiten Parteilosen mit Schaufensterqualitäten aufbieten. Und Trabert, der bei der Bundestagswahl 2021 als Parteiloser das beste Erststimmenergebnis im Westen erzielte, steht nicht nur für Armuts- und Verteilungsfragen. Er ist auch Erstunterzeichner des in der Partei umstrittenen Friedensmanifests von Wagenknecht und Alice Schwarzer.
Kommt aber dieser Mix beim Wahlvolk an? Das wird von der Kampagne abhängen. Dabei darf Traberts Haltung zum Krieg nicht versteckt werden. Gerade in Ostdeutschland ist das wichtig: In Thüringen etwa würde laut Umfragen eine Wagenknecht-Partei gewiss nicht nur, aber auch deswegen die Landtagswahl mit 25 Prozent auf Anhieb gewinnen.
Bei allen jüngeren Verlusten bleibt der Osten die Hochburg dieser Partei. Ohne ihn stirbt sie – und momentan hat dort die AfD einen Lauf. Im Europa-Quartett der Linken findet der Osten aber nur in Gestalt des Parteichefs Martin Schirdewan statt, der sich kaum noch in einen zugkräftigen Volkstribun verwandeln wird.
So ist der vermeintliche Coup auch ziemlich riskant: Mit Wessis um den Osten kämpfen. Nicht nur im Sinne dieser Partei, sondern der Demokratie ist zu hoffen, dass das Liebknecht-Haus das weiß – und für die Europawahl 2024 wie auch darüber hinaus einen Plan dafür hat.
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