„Wer verstanden werden will, muss das Vereinfachen lernen“, kann man in Gregor Gysis „Ausstieg links? Eine Bilanz“ lesen. Mehr denn je lässt sich diese Aussage auf die politische Situation der linken Kräfte in der Bundesrepublik beziehen. Die sogenannte „Alternative für Deutschland“ gewinnt bundesweit an Zustimmung, jede neue Terrormeldung lässt sie weiter erstarken. Die politische Linke hingegen schwächelt und schafft es kaum, die mediale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Den Grund für diese Schwäche gegenüber den Rechtspopulisten im Inhalt der politischen Weltanschauung zu suchen, bleibt ein erfolgloser Versuch der Erklärung. Was die Rechten attraktiv für so viele Personen macht, ist die Tatsache, dass die Fronten im Weltbild à la AfD geklärt sind. Politik und Wirtschaft sind komplizierter als noch zu Zeiten des Kalten Krieges. Wer sich einen Durchblick in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts verschaffen will, muss Zeit und Nerven investieren. Man stelle sich folgende Situation vor: Eine berufstätige Mutter kommt von einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause, erkundigt sich nach dem Wohlergehen ihrer Kinder und schaltet den Fernseher ein, um den wohl verdienten Feierabend einzuläuten. Was sie in den Nachrichten hört, sind natürlich keine ausführlichen Erklärungsversuche und Grundsatzdebatten und es wäre eine Dreistigkeit, von ihr zu verlangen, sich intensiv mit politischen Abläufen, Ideologien und komplexen Ansichten auseinanderzusetzen.
Das Problem der politischen Linken ist, dass immer alles genau und ausführlich sein muss. Ein Anspruch, der zwar löblich ist und für politisch versierte Personen ein gutes Prinzip darstellen mag, aber nicht alltagstauglich ist. Politik findet eben nicht nur in Parlamenten und Gremien statt. Politik beginnt vor dem heimischen Fernseher, bei Gesprächen am Esstisch und in der Raucherpause.
Vereinfachung darf hierbei nicht mit Populismus gleichgesetzt werden, denn es sind nicht die Lösungen, die einfach sein müssen, sondern die Art und Weise, die Menschen auf sich aufmerksam zu machen. Jede gute Werbung besteht aus Elementen, die Aufmerksamkeit erzeugen und auffällig sind. Warum sollte es in der Politik anders sein? Wenn die eigene Politik der Bevölkerung dienen soll, muss sie ihr auch verständlich gemacht werden. Es ist nicht schwierig, die Ansätze der Rechtspopulisten als fehlerhaft zu entlarven, doch reicht dies nicht aus, um die Gunst der Menschen und damit auch die Gunst der Wähler zu gewinnen.
Wichtig ist auch, den Sprachgebrauch anzupassen. Komplexe Formulierungen und Sprachgebilde sind für das Vermitteln politischer Einstellungen nicht nur nicht notwendig, sondern behindern das Verständnis und sind mitunter für die Wahrnehmung der Politik als „elitäres Themenfeld“ verantwortlich. Man muss sich auf einer Kommunikationsebene bewegen, die weder abgehoben, noch unnötig ausgeschmückt erscheint.
Ein Händler, der seine Produkte, seien sie noch so qualitativ hochwertig, nicht zu verkaufen weiß, scheitert. Dieses Bewusstsein scheint den linken Kräften in diesem Land zu fehlen. Wenn linke Ansichten nicht verständlich erklärt werden, wird sich die Bevölkerung mehr und mehr nach anderen Ansichten sehnen. Der größte Verlierer wird dabei stets die Demokratie sein.
Kommentare 13
gut, daß sie ihr schweigen gebrochen haben.
ab jetzt herrscht klarheit.
am marketing linker bewußtseins-inhalte hapert es.
für gängige auf/ab-nahme auf dem markt für meinungen
ist bei der herstellung auf verständlichkeit zu achten.
am design einer meinung sollte gefeilt werden.
wer meinungs-laden-hüter mit geringer abnahme
vermeiden will,
beherzige christophs unternehmens-beratung.
freue mich schon auf die zweite folge:..aber echt.
es ist auf verständlichkeit zu achten
Man muss sich auf einer Kommunikationsebene bewegen, die weder abgehoben, noch unnötig ausgeschmückt erscheint.
Wenn linke Ansichten nicht verständlich erklärt werden, wird sich die Bevölkerung mehr und mehr nach anderen Ansichten sehnen. Der größte Verlierer wird dabei stets die Demokratie sein.
Soweit die Binsen, mir fehlen in dem ausgezeichnet geschriebenen Beitrag allerdings konkrete Lösungsansätze anhand aktueller nationaler wie internationaler Beispiele.
Stichworte: Populismus, Elite-Denken, Prekariat, Relativierungen, Empathie, Verantwortung, Ehrlichkeit, Ideologie, Lagerdenken und Mut zum Unpopulären.
Ironie allein bringt aber auch niemanden weiter....
und ob! ironie und satire sind für mich:
vitale notwehr gegen geistlose zumutungen.
habe ich doch nicht bestritten, deshalb nochmal mit Betonung:
Ironie allein bringt aber auch niemanden weiter....
Ich finde, so schlecht machen weder Gysi noch Wagenknecht ihre Sache. Richtig finde ich allerdings, nicht auf die handliche Idee zu verfallen, es den Populisten handwerklich gleichzutun.
Rechte werden in erster Linie aus Angst, Misstrauen, Skepsis oder Wut gewählt - nicht so sehr wegen ihrer konkreten Angebote.
Linke erreichen damit m. E. wahltechnisch nichts. So paradox es sich anhören mag: von ihnen erwartet man positive Utopie (die ggfs. in vielen kleinen Schritten nicht nur verfolgt, sondern auch vermittelt werden muss).
Viele Ostdeutsche glauben, den Sozialismus zu gut zu kennen. Und in Westdeutschland wurde er den Bürgern mit Propaganda und Berufsverboten ausgetrieben.
It's a slow beginning, aber kein Grund zum Verzweifeln.
Ich frage mich ja auch immer, warum Linke oder - noch klandestiner - linke Denker, sich in eine Sprache hüllen, hinter der man die Bedeutung manchmal gar nicht mehr findet. Manchen linken Welterklärern kann oder muss man - ob man will oder nicht - beim Denken und Formulieren zusehen oder fast "beiwohnen", um den Sinn zu verstehen. Eine klare Sprache zu führen scheinen manche als Zumutung zu empfinden.
Wenn man entsprechende Foren aufsucht - manchmal gehts auch hier in der FC so zu - denkt man, man ist in einem Wettbewerb der verschlungensten Denkprozesse. Und am Ende hat man wenig in der Hand.
Also - gut beobachtet und richtig geschlussfolgert: Gysi hat Recht. Man muss vereinfachen können, man muss fähig sein, in einer klaren Sprache zu reden. So sei es. :-)
Es ist doch nicht nur die Formulierung, die an den (meisten) Menschen vorbei geht bis Erbrechen hervor ruft (Beispiel: die ausgelutschte Worthülse "Solidarität"), sondern konkrete (=greifbare) Angebote fehlen.
Wenn von "Reichensteuer" gefaselt wird, ist nicht zu verstehen, was der Empfänger persönlich davon haben soll, außer dass evtl. sein Neidfaktor geteast wird (aber dafür ist die Phrase auch schon längst zu ausgelatscht).
"Wir koalieren nur mit jemandem, wenn die (verhassten) Fernsehgebühren abgeschafft werden", wäre z.B. eine solche Ansage.
Da kann jeder rechnen, "210 Tacken per anno bleiben in meiner Tasche und werden dazu nicht sinnlos verbrannt für Dinge, über die ich mich ständig aufrege".
Politik die verständlich ankommt, muss nicht mehr als ein Kassenzettel sein.
Und der elitäre Rest darf sich ja trotzdem weiter an gefeilten ideologischen Spitzen erfreuen und reiben.
Mir scheint die Linken leiden einfach an ihrer unüberbietbaren intelektürellen Gefallsucht.
Es ist wichtiger in (meist völlig belanglosen) Diskussionen das letzte Wort zu haben als Wirkungen zu erzielen.
Eigentlich sollte man meinen, dass es einfach sein sollte sich auf "linke Grundeigenschaften" zu einigen (Vorschlag : Vielfalt, Demokratie, Leistungsgerechtigkeit, Toleranz, Mut zur Unsicherheit...) .
Aber in der Realität kann man sich noch nicht mal auf ein BGE einigen....
Solange die Linke glaubt sie hätte die richtigen Antworten geerbt, solange sie glaubt, dass es überhaupt richtige Antworten für irgendein Problem gibt (die gibt es deshalb nicht, weil die Fragen nicht wirklich bekannt sind, deshalb ist 42 als Antwort wertlos) ist sie Teil des Problems.
Teil der Lösung kann sie nur werden, wenn sie erkennt, dass Lösungen nur durch Versuch und Irrtum zu finden sind (das ist seit Anbeginn des Lebens so und wird sich nicht ändern solange es Leben gibt).
Ein heller Kopf hat mal gesagt "Habe ich die Begründungen erschöpft, ... dann bin ich geneigt zu sagen -So handle ich eben".
Allerdings muss man sagen, dass letztlich nicht die Linke das Problem ist, sondern eine Gesellschaft, der allein das Wort Veränderung den Angstschweiss ins Gesicht treibt, eine Gesellschaft, die eine Partei, die sich zu dem Slogan Keine Experimente versteigt, nicht zum Teufel jagt, .....
Die Aufgabe der Linken besteht also zu allererst darin den Mut zu Veränderungen zu wecken, Alternativen zu suchen (und soweit möglich innerparteilich auch umzusetzen - Stichwort innerparteiliche Demokratie - auch wenn das schmerzhaft werden wird), Vielfalt gegen Einfalt in Stellung zu bringen, Fehler zu machen zu einer Tugend zu erklären....
Dazu reicht in der Tat zumindest für den Beginn eine einfache Sprache.
Es mag schockieren, aber mehr "Links" als jetzt gerade wird es wohl nicht geben in diesem, unserem Lande.
- In einer einmaligen, unbegreiflichen Aktion wurden gut 1 Mio Hungerleider aufgenommen. Einfach so. Unter einer CDU-geführten Bundesregierung. Ist irgendwie passiert. Alle Welt kratzt sich heute noch am Kopf, was da eigentlich passiert ist. Das ist sowas von links, dass sich das ein Bundeskanzler Ramelow nie getraut hätte. Jede Wette.
- Stichwort Ramelow: Die Linkspartei stellt einen Ministerpräsidenten. Premiere! Läuft!
- Neoliberale Parolen haben massiv an Zugkraft eingebüßt. Entsprechende "Reformen" werden - zumindest teilweise - rückabgewickelt. So ist der Ruf nach einer Stabilisierung des Rentenniveaus inzwischen in allen Parteien (außer vielleicht der APO-FDP) zu vernehmen.
Ja, ist nicht viel. Aber verglichen zur politischen Großwetterlage von vor 10 Jahren als Gestalten wie Hans-Olaf Henkel als Welterklärer angesehen wurden, hat sich einiges getan. Heute würde der Typ bei Christiansen ausgebuht werden, so es die Sendung noch gäbe.
»Es muss nun wichtiger denn je sein, linke Lösungen verständlich zu vermitteln«
Im Prinzip ja,
aber der Weg führt nicht über den Verstand,
sondern über die Herzen.
Schauen wir uns die Inhalte der Programme von Populisten an, stellen wir fest (zumindest ich) daß die alle konservativ, herrschaftlich und wirtschaftsliberal sind (das, was nicht genannt werden darf, lasse ich hier mal weg). Diese Inhalte sind ganz gewiß nicht im Interesse der Leute, die diesen Populisten nachlaufen; trotzdem laufen die denen aber nach.
Diese Mitläufer von Populisten entscheiden darum nicht nach den Inhalten, sondern aus Sympathie. Einfache Antworten auf komplexe Zusammenhänge werden verstanden, komplexe Antworten auf einfache Fragen nicht.
Demnächst ist wieder Wahl
Ja, wen wählen wir denn?
Da fällt die Wahl schwer, wenn die Wähler.Innen nicht einmal wissen, welche Positionen die Parteien mit ihren Worthülsen verschleiern wollen.
Hier ein Hilfsmittel, die Positionen selbst heraus zu finden:
Politischer Kompass
Was soll dieser Artikel?
Es beginnt schon damit, nahezu alle Vorschläge zur Lösung von Problemen unter dem Gesichtspunkt des Lagerdenkens zu qualifizieren. Darin unterscheidet sich auch dieser Autor nicht.
Ich denke, DIE LINKE sollte ihre politischen Aussagen an operanten Abläufen orientieren und nicht an Ideologien. Es gilt, ganz praktische Lösungen für ganz praktische Alltagsprobleme zu entwickeln und nicht Politik an den Bürgern vorbei zu machen.
„Eine berufstätige Mutter kommt von einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause, erkundigt sich nach dem Wohlergehen ihrer Kinder und schaltet den Fernseher ein, um den wohl verdienten Feierabend einzuläuten.“
Ich vermute, diese Mutter hätte viel davon, wenn sie die Erfahrung machen würde, dass sich DIE LINKE um sie kümmert, indem sie beispielsweise dafür sorgt, dass ihre Einkommensverhältnisse „ausreichend“ sind, dass sie eine quartiernahe qualifizierte Kindertagesbetreuung zur Verfügung hat, eine effiziente Schullandschaft für ihre Kinder.
Ihre Grunderfahrung mit Politikern während der letzten 15 Jahre dürfte aber die sein, dass diese ihr das soziale Sicherungssystem zerschlagen haben und sie im Alter vermutlich von Armut bedroht sein wird.
Für diese Frau ist es essenziell, eine für sie „positive Politikererfahrung“ zu machen, und das heißt für mich,
praktische, am Alltag orientierte Lösungen müssen her – keine linken oder rechten.
Und ein Zweites muss gesagt werden, da der Autor Gregor Gysi ins Spiel gebracht hat.
Das Grundproblem von uns Bürgern besteht doch darin, dass wir „den Politikern“ nicht trauen können. Sie erzählen uns nur zu oft „einen vom Pferd“. Es ist die mangelnde Glaubwürdigkeit ganz vieler Politiker, die der Republik zum Verhängnis wird. Ich behaupte einen signifikanten Zusammenhang zwischen dieser Politikereigenschaft und dem Erfolg der AfD und seinen europaweiten Äquivalenzen.
Gregor Gysi ist hierfür ein schlimmes Beispiel:
Ich habe ihn während des NRW-Kommunalwahlkampfes 2009 und während des NRW-Landtagswahlkampf 2010 hier im Ruhrgebiet mehrfach erlebt und war von seiner kompetenten Sachanalyse, aber auch vom Gysi-Duktus regelrecht fasziniert und trat – angesteckt von ihm – als Mitglied in seine Partei ein. – Doch als er einlösen musste, was er zuvor analysiert hatte, entpuppte er sich neben anderen exponierten Mitgliedern seiner Partei als schlimmer politischer Wendehals, der die Griechenlandkaperung durch Alexis Tsipras, Angela Merkel und Wolfgang Schäuble rechtfertigte.
Ich habe das und anderes zum Anlass genommen und bin aus dieser Partei wieder ausgetreten.
Und wenn ich mir die innere Dauerzerstrittenheit der Partei DIE LINKE ansehe, die in Teilen dabei ist, auch ihre Positionierung zu NATO-Mitgliedschaft, Auslandseinsätzen der deutschen Kriegsarmee und deutschen Waffenexporten über den Haufen zu werfen, dann frage ich mich allerdings, wozu dieser, sicher gut gemeinte Artikel gut sein soll. – So, wie sich die Apparatschiks der Partei DIE LINKE präsentieren, kann man für Wähler nicht attraktiv werden!
Früher funktionierte das besser: Da gab es Leute für die intellektuelle Analyse (Epler), Leute für den Kampf mit dem politischen Gegner (Wehner), Leute für die Seele (Brandt) und Leute für das Praktische (Schmidt). Selbst wenn sich die in den Haaren lagen, gab es doch immer noch das Wichtigste: öffentliche Aufmerksamkeit.
Heute fehlt es an Mut anzuecken und verbal draufzuhauen. Auch wenn es danebengeht - Aufmerksamkeit ist erreicht, im Anschluß kann ja eine kluge Generalsekretärin dies wieder zurechtrücken und dabei ein paar andere Ideen vemitteln - so macht es jedenfalls die AfD ;-(
Apropos AfD: Die fordern die Strafmündigkeit mit zwölf, wo ist die Schlagzeile/#AfDwatch# "Will die AfD Gefängnisse für Kinder?"