Christlicher Nationalismus im Weißen Haus

USA Die Durchbrechung der Trennung von Religion und Staat zeichnet sich immer deutlicher als Politikziel der Administration ab

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Vizepräsident Mike Pence (li.) bezeichnet sich als "Christ, Konservativen, Republikaner, in dieser Reihenfolge"
Vizepräsident Mike Pence (li.) bezeichnet sich als "Christ, Konservativen, Republikaner, in dieser Reihenfolge"

Foto: Chip Somodevilla/AFP/Getty Images

Nur wenige Tage nach der Exekutivorder vom 27.1., mit der der derzeit amtierende US-Präsident unter anderem eine -> Bevorzugung christlicher Flüchtlinge fixieren wollte, hat er die konfessionelle Linie weiter ausgebaut. Im seit 1953 jährlich stattfindenden "National Prayer Breakfast" beklagte Donald Trump in seiner Tischrede nicht nur den angeblichen "Genozid an Christen". Sondern er stellte die Religionsfreiheit als "ein geheiligtes Recht" in den Mittelpunkt, das "überall um uns herum bedroht" werde. Dazu gehöre das Recht, "Religion im Einklang mit unserem Glauben auszuüben. Deswegen werde ich das Johnson Amendment loswerden und es vollständig zerstören und unseren Glaubensvertretern erlauben, frei und ohne Angst vor Vergeltung zu sprechen".

Am selben 2. Februar fand der Entwurf einer Exekutivorder den Weg in die Presse, mit der das präsidiale "I will do that -- remember" aus der Rede schwarz auf weiß präsentiert wurde. Abgebildet in der online-Ausgabe der Wochenzeitung The Nation zielt sie über die vollständige Aufhebung des Gesetzes von 1954 hinaus. Denn die Regelung untersagt bislang steuerlich als gemeinnützig anerkannten Organisationen nur, sich parteipolitisch zu engagieren. Sollte die Order unterschrieben werden, würde sie allgemein der Diskriminierung aus religiösen Gründen eine Rechtfertigung liefern.

Wie Roberto Festa, Blogger bei und Journalist der römischen Tageszeitung Il Fatto Quotidiano treffend zusammengefasst hat: "Jeder -religiöse Organisationen, Unternehmen wie Privatpersonen- würde Gelegenheit erhalten, aufgrund seines Glaubens, seiner Prinzipien und seiner religiösen Werte zu diskriminieren. Zum Beispiel: Ein Unternehmen, das angibt, sich an einem christlichen Lebensbild zu orientieren, könnte den Angestellten Empfängnisverhütung untersagen; ein Restaurant wird sich weigern können, das Fest einer Gay-Hochzeit auszurichten; eine Schule wird SchülerInnen zwingen können, die Toiletten nicht anhand ihrer erfahrenen Transgender-Identität zu benutzen, sondern aufgrund des angeborenen Geschlechts [...] Das darin zum Ausdruck kommende Konzept von 'religiöser Freiheit' ist so weitläufig, dass es alles kippen kann: Staatliche Normen, individuellen Schutz, den außerreligiösen Standpunkt."

In der Argumentationsweise haben sich die Verfasser des Entwurfs einer bekannten Strategie bedient. Die Vertreter des sogenannten Intelligent Design innerhalb der kreationistischen Bewegung haben lange versucht, als "Wissenschaft" parallel zur Evolutionslehre Eingang in den Unterricht an staatlichen Schulen zu finden. Der scheinlogische Trick: Wer die wissenschaftliche Qualität dieser Theorie nicht anerkenne, handele selbst nicht wissenschaftlich. Im Fall des Johnson Amendments geht es ebenfalls um die Trennung zwischen Religion und Staat. Hier berufen sich die Gegner nicht auf die Wissenschafts-, sondern auf die Meinungsfreiheit, die ihrer Auffassung nach beschränkt werde. Das meint Trump, wenn er von "frei" oder der "Angst vor Vergeltung" spricht.

So gelesen erhalten auch das Kabinett und sonst von Trump nominierte Personen andere Konturen. Sie wären nicht mehr nur very-old-fashioned "Klimaleugner, Ölbohrer, Umweltverächter", sondern von und zu Höherem berufen.

Welche Entscheidungen sind religiös inspiriert?

Scott Pruitt, zum Leiter der Umweltschutzbehörde EPA ernannt, ist überzeugter Christ, wie er immer wieder betont, und er ist ebenso überzeugter Klimaskeptiker. Zwei Positionen, die von der Cornwall Alliance mit ihrer “Evangelical Declaration on Global Warming” von 2009 auf einen Nenner gebracht worden sind: "We believe Earth and its ecosystems—created by God’s intelligent design and infinite power and sustained by His faithful providence —are robust, resilient, self-regulating, and self-correcting, admirably suited for human flourishing, and displaying His glory. Earth’s climate system is no exception." Die Frage, die The Daily Beast dazu aufgeworfen hat: "Glauben evangelikale Anti-Umwelt-Bewegte tatsächlich dieses Zeug oder ist das nur das nur ein Alibi für Gier (der Ölleute) oder Machtstreben (über alle, die darauf reinfallen)?"

Was wäre dann von einem Mann wie Neil Gorsuch zu halten, der für den Posten eines obersten Bundesrichters nominiert worden ist? Von ihm ist bekannt, dass er ein entschiedener Gegner von Abtreibung, Verhütung und Sterbehilfe ist. Das sind Themen, bei denen Gegner vor allem konfessionell organisiert sind. Die New York Times über den eifrig praktizierenden Episkopalen: Es sei eine Kaffeesatzleserei ausgebrochen, wie es um Gorsuchs eigenen Glauben tatsächlich bestellt ist.

Aber was ist erst recht von einem Vizepräsidenten Mike Pence zu halten, der sich selbst als "Christ, Konservativen, Republikaner, in dieser Reihenfolge" bezeichnet? The Intercept im November 2016: "Pences Aufstieg zur zweitmächtigsten Position innerhalb der US-Regierung ist ein gewaltiger Erfolg für die radikale religiöse Rechte. Pence und seine militanten Kameraden für eine christliche Vorherrschaft hätten das Weiße Haus nie alleine einnehmen können. Für sie war Donald Trump ein Gottesgeschenk." Pence ist von der Position Trumps nur den buchstäblichen Herzschlag entfernt. Die Bestätigung der New York Times kam jetzt. Während eines Gottesdienstes der Inaugurationsfeiern habe James Dobson, Gründer der evangelikalen "Focus on the Family", den anwesenden Trump aufgefordert, in der Kirche aufzustehen und ihn mit den Worten gepriesen: "Sie sind tatsächlich die Antwort auf unsere Gebete."

Zunehmend mit Argwohn wird mittlerweile von den US-Medien beobachtet, dass und in welchem Maß religiöse Konservative Zugang zum und Einfluss im Weißen Haus erlangen. Was im August vergangenen Jahres noch als übliche Verneigung dem Bible Belt gegenüber galt ("Trump Promises Evangelical Pastors, 'We're Going to Get Your Voice Back'"), weicht allmählich der Frage nach dem ideologischen Projekt.

Der Entwurf zur Abschaffung des sogenannten Johnson Amendment war dazu erkennbar ein Versuchsballon der Administration. Von Sprecher Sean Spicer als authentisch bestätigt, wurde zwar der Versuch unternommen, dessen Bedeutung herunterzuspielen: Es sei ein Entwurf wie viele Hundert andere auch, mit denen die Regierung derzeit beschäftigt sei. Aber alleine der Umstand, dass -> abermals die positive religiöse Diskriminierung ausdrücklich Gegenstand eines Gesetzesentwurfes ist, zeigt: Sie steht auf einer Agenda.

In einem der seltenen Momente, als Trumps Chefberater Stephen K. Bannon direkte Einblicke in seine Gedankenwelt gegeben hat, sagte er: "One thing I want to make sure of, if you look at the leaders of capitalism at that time, when capitalism was I believe at its highest flower and spreading its benefits to most of mankind, almost all of those capitalists were strong believers in the Judeo-Christian West. They were either active participants in the Jewish faith, they were active participants in the Christians’ faith, and they took their beliefs, and the underpinnings of their beliefs was manifested in the work they did. And I think that’s incredibly important and something that would really become unmoored."

Das war 2014, anlässlich einer Konferenz zur Armut. Jetzt sind sie losgelassen.

crossposting zu die Ausrufer

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Geschrieben von

ed2murrow

e2m aka Marian Schraube "zurück zu den wurzeln", sagte das trüffelschwein, bevor es den schuss hörte

ed2murrow

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