Leipziger Buchmesse: Neue Chefin Astrid Böhmisch hat Marketingqualitäten – aber sonst?

Meinung Zu Beginn der Leipziger Buchmesse verspricht ihre neue Direktorin Astrid Böhmisch in wolkigen Sätzen Raum für Debatten und Perspektivwechsel
Astrid Böhmisch, Direktorin der Leipziger Buchmesse
Astrid Böhmisch, Direktorin der Leipziger Buchmesse

Foto: Jan Woitas/picture alliance/dpa

Am Montag dieser Woche war eine Anmeldung als Medienvertreter zur Eröffnung der Leipziger Buchmesse nicht mehr möglich. Grund nicht etwa Überfüllung, sondern wegen der Teilnahme des Bundeskanzlers und des niederländischen Regierungschefs. Für solches Interesse bedarf die „Sicherheit“ größeren Vorlauf, wurde mir mitgeteilt. Auf meine, diesmal rechtzeitige Anmeldung für den Auftritt des Bundespräsidenten in Leipzig am ersten Messetag (21. März) erhielt ich eben vom Bundespräsidialamt, wohin ich meine Daten zu schicken hatte, eine Zusage. Damit kann ich seine Rede zu 35 Jahren Friedliche Revolution und 75 Jahre Grundgesetz erleben und vor allem die anschließende Diskussion der Schriftsteller:innen Anne Raabe, Marcel Beyer und Ingo Schulze.

Besuch aus der ersten Reihe der Politik ehrt und stärkt die Leipziger Buchmesse, was sie nach den coronabedingten Absagen 2021 und 2022 und der Verschiebung auf Ende April im Vorjahr nötig hat. Vielleicht auch nicht nötig hat, denn der Selbsterhaltungswille der Leipziger Buchmesse ist riesig. Hätten andernfalls 50 unabhängige Verlage 2022 nach der plötzlichen Absage im soziokulturellen Zentrum „Werk 2“ eine Alternativmesse auf die Beine stellen können?! Sicher nicht. Wo es Buchmesse von unten gibt, geht es oben auch weiter.

Vieles wird in diesem Jahr sein wie immer: „Leipzig liest“ wartet mit 2.500 Veranstaltungen an 300 Orten auf. Wenn Bodo Kirchhoff, Angela Krauß, Bernhard Schlink, Frank Witzel oder Iris Wolff lesen und von den Jungen beispielsweise Deniz Ohde oder Ronya Othmann dann könnte es auch „Sicherheitsprobleme“ geben und zwar mit dem Sauerstoffgehalt in der Raumluft. Natürlich werden die Fernsehgesichter ihren Kopf und ihre Bücher auch in die Leipziger Buchmesse halten. Zum Beispiel wird Katja Riemann lesen. Und Sandra Hüller wird lesen, sie (noch) nichts Eigenes, sondern Texte von Didier Eribon, dem Autor des französischen und deutschen Literaturereignisses Rückkehr nach Reims

Literatur-Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch wird erwartet

Auch wenn „Leipzig liest“ als Europas größtes Lesefest die Buchmesse überwölbt – Leipzig ist auch eine Messe des miteinander Sprechens über die Krisen in dieser Welt und mit der Teilnahme von Literatur-Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch wird es spannend. Dieses Miteinander von Buch und Gespräch verdankt die Leipziger Buchmesse dem Programm von Oliver Zille, der 30 Jahre ihr Direktor war und im vergangenen Jahr überraschend seinen Rücktritt erklärt hat. Über die Gründe hat er, Profi wie er ist, die Öffentlichkeit nicht informiert, aber bei einem „sofortigen Rücktritt“ gibt es mit Sicherheit welche. Die Buchmesse von Leipzig hätte beim Blick hinter die Kulissen seines Rücktritts Schaden nehmen können, was das Letzte ist, womit Zille sich verabschieden wollte.

Wie weiter mit seiner Nachfolgerin Astrid Böhmisch, die der Börsenverein für Oliver Zille aus dem Ärmel zauberte? Die zuletzt im Marketing für Verlagskunden im deutschsprachigen Raum tätige Böhmisch kam erst am 1. Januar dieses Jahres ins Amt. Man kann nur vermuten, dass es genau ihre Marketingqualitäten sind, die sie in Leipzig ins Amt gebracht haben. Dort machte sie in ihren ersten Wochen genau das Richtige: Sie sagte zur inhaltlichen Ausrichtung der Buchmesse nichts.

Den Namen ihres Vorgängers nannte sie auf ihrer ersten Pressekonferenz schon mal nicht, vielleicht um nicht an ihm gemessen zu werden. Was für die Leipziger Buchmesse 2024 auch richtig wäre, denn die war vermutlich schon „angerichtet“, bevor sie kam. Es blieb bei wolkigen Sätze wie: Ich sehe die Buchmesse als Raum, „der sicher ist, der Debatten, einen Austausch und einen Perspektivwechsel zulässt.“

Sicher scheinen 2024 die Räume zu sein, zumindest die Eröffnungsveranstaltung im Gewandhaus sicher vor mir.

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