Im Kurort Bad Bayersoien am Rand der Ammergauer Alpen zerstörten faustgroße Hagelkörner 80 Prozent der Häuser, der Katastrophenfall wurde ausgerufen. Auf bayrischen Wiesen und Feldern lagen ungezählte tote Wildtiere: vom Hagel erschlagene Störche, Rehe und Feldhasen. Im August 2023 ist die Klimakrise in aller Heftigkeit auch in der oberbayrischen Idylle angekommen.
In dieser Lage ist ein Blick auf die Ergebnisse der bayrischen Landtagswahl wenige Wochen später verstörend: Ausgerechnet in dem Landkreis, wo die zerstörte Ortschaft liegt, wählten die Menschen mehrheitlich CSU und Freie Wähler. Jene Parteien also, die jede wirksame Klimapolitik blockieren und als schädlich für die Wirtschaft sowie als Zumutung für Menschen di
wenige Wochen später verstörend: Ausgerechnet in dem Landkreis, wo die zerstörte Ortschaft liegt, wählten die Menschen mehrheitlich CSU und Freie Wähler. Jene Parteien also, die jede wirksame Klimapolitik blockieren und als schädlich für die Wirtschaft sowie als Zumutung für Menschen diffamiert haben. Als könnte man die Krise mit dem Trotz eines Dreijährigen wegbrüllen.Nichts anderes macht uns die Politik allenthalben vor: je näher die Einschläge rücken, je radikaler und schneller die Maßnahmen umgesetzt werden müssten, um die schlimmsten Folgen zu verhindern, desto stärker die Abwehrreaktionen.So will der Multimillionär und britische Premierminister Rishi Sunak Gasheizungen weiter erlauben und das Verkaufsverbot für neue Diesel- und Benzinfahrzeuge verschieben. Er kündigte außerdem an, neue Öl- und Gasbohrlizenzen in der Nordsee vergeben zu wollen. Er hofft, mit der Abschwächung der Klimaziele die nächsten Wahlen zu gewinnen (und oft genug gelingt das ja auch.)Auch Deutschland wird die Klimaziele reißenAdnoc, die staatliche Öl-Gesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate, will zwei neue Gasfelder vor der Küste ausbeuten – natürlich „klimaneutral“. Schließlich wird Adnoc-Chef Sultan Ahmed al-Dschaber, der praktischerweise auch Staatschef ist, in ein paar Wochen die UN-Klimakonferenz in Dubai eröffnen. Dort wird die Staatengemeinschaft zum ersten Mal nach dem Klimagipfel in Paris 2015 Bilanz über die Fortschritte des damaligen Abkommens ziehen.Die sogenannte Globale Bestandsaufnahme fällt selbstredend verheerend aus: Die errechnete weltweite Einsparlücke an Treibhausgasen beträgt im Jahr 2030 rund 20 bis 24 Gigatonnen. Das ist mehr als die Hälfte der jährlichen Emissionen aller Länder. Mit anderen Worten: Das 1,5-Grad-Ziel ist somit Geschichte.Auch Deutschland wird die Klimaziele reißen. Der Expertenrat für Klimafragen prognostiziert, dass die Emissionen mit den aktuell beschlossenen Maßnahmen bis 2030 nicht so schnell sinken wie gesetzlich vorgeschrieben. Und was tut die Bundesregierung? Gerade hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angekündigt, dass der neue und höhere Energiestandard EH40 für Neubauten in dieser Legislaturperiode nicht mehr eingeführt wird. Obwohl das so im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Und obwohl der Gebäudesektor ein Drittel der Emissionen in Deutschland verursacht. Neben dem Verkehr ist es sogar jener, der am weitesten davon entfernt ist, die Klimaziele zu erreichen. Und das wird auch so bleiben.Wohnungswirtschaft firstJetzt gibt es nur ein vermurkstes Heizungsgesetz, das den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen unter bestimmten Umständen doch ermöglicht. Umso schlimmer, dass die Bundesregierung nun auch noch die geplanten Vorschriften der EU zu einer klimagerechten Sanierung von Wohngebäuden torpediert. Immobilienbesitzern eine solche Sanierungspflicht aufzuerlegen, dafür hatte sich das Europaparlament im Frühjahr ausgesprochen. Sie würde vor allem alte Häuser mit schlechter Dämmung betreffen – solche, in denen Menschen mit geringem Einkommen leben, die unter den hohen Energiekosten besonders leiden. Von der Sanierungspflicht würden sie am meisten profitieren. Doch die Bundesregierung will sich dafür einsetzen, dass die Vorgaben abgeschwächt werden. Warum?Hatte Habeck diesen Plan nicht ursprünglich mit angeschoben und wollte Verhandlungen auf EU-Ebene vorantreiben? Doch nach Kritik aus der Wohnungswirtschaft ruderte er zurück. Sein Ministerium lässt verlauten, es schließe verpflichtende Sanierungen für einzelne Wohngebäude aus. Gleichzeitig sorgt Habeck mit seinem LNG-Beschleunigungsgesetz und zwölf geplanten Flüssiggas-Terminals dafür, dass eine auf Jahrzehnte ausgelegte fossile Infrastruktur gebaut wird. Ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen, aber mit Großbaustellen in Naturschutzgebieten der Ostsee. Es hilft dem Schweinswal, der deshalb gefährdet ist, gar nichts, dass Habeck, wie er beteuert, „der größte Schweinswalfan der Bundesregierung“ ist.