Berliner Kultursenator Joe Chialo: Rotstift im Porsche

Kunsttagebuch Kaum im Amt und schon unbeliebt: Berlins neuer Kultursenator Joe Chialo (CDU) gibt ungelenk Interviews und spricht auch noch von Kürzungen. Droht Berlin, auf einige Leuchtturmprojekte reduziert zu werden?
Ausgabe 24/2023
Die Berliner Kultur-Linken sehen ihn mit einer gewissen Skepsis: Kultursenator Joe Chialo
Die Berliner Kultur-Linken sehen ihn mit einer gewissen Skepsis: Kultursenator Joe Chialo

Foto: picture alliance/dpa/Christoph Soeder

Joe Chialo hat es nicht ganz leicht in den ersten Wochen im neuen Job als Berliner Kultursenator. Da zirkulierte online ein Mitschnitt eines Interviews von 2022, in dem er gefragt wurde: „Wenn die CDU eine Band wäre, welche wäre es?“ Seine Antwort ist sehr schlecht gealtert, denn er fand, die CDU, die sei wie Rammstein – ausgerechnet jene Band, gegen die nun Vorwürfe laut wurden, dass bei Konzerten systematisch und seit Jahren junge Frauen gecastet werden, damit die alten Herren Sex haben.

Online nicht mehr zu finden ist das erste TV-Interview, das Chialo als Kultursenator dem rbb gab. Da spricht er unter anderem über die Uferhallen, einen Atelier- und Werkstattstandort im Nordberliner Stadtteil Wedding, dem immer noch die Verdrängung droht. Der Eigentümer, die Marema GmbH, hat Anfang des Jahres das bereits verhandelte Bebauungsplanverfahren gekündigt, und damit auch Einigungen zur weiteren Vermietung an die Künstlerinnen und Künstler. Chialo will einen neuen runden Tisch, „um den Standort für alle gleichermaßen attraktiv zu halten“, wie seine Pressestelle wissen ließ. Klingt nach: Künstler halten, aber Wirtschaft nicht verärgern. Schließlich steckt über Ecken auch einer der Samwer-Brüder (die von Zalando – inzwischen vor allem im Berliner Immobiliengeschäft erfolgreich) drin.

In dem rbb-Interview sagte Chialo jedenfalls, man wolle Monica Bonvicini und Katharina Grosse in der Stadt halten. Nicht nur hatte er hörbare Schwierigkeiten mit der Aussprache der italienischstämmigen Künstlerin, er stellte sich damit auch auf die Seite der prestigeträchtigen Kunst, denn die beiden Künstlerinnen sind zwei der wenigen in den Uferhallen, die aufgrund ihres internationalen Erfolges wohl auch mit steigenden Mieten umgehen könnten, nicht wie die etwa 100 anderen, die tatsächlich verdrängt würden.

Unter Klaus Lederer war der Kulturetat stets gewachsen

Aber dass es finanziell eng wird, das hatte Chialo schnell angekündigt. Unter seinem Vorgänger Klaus Lederer (Linke) war der Kulturetat Berlins Jahr um Jahr gewachsen. Doch wegen Krisen und Kriegen sei die Haushaltslage angespannt, und so klang es bedrohlich, als er sagte: „Es wird nichts so bleiben, wie es ist.“ Nun telefonierte am Freitag auch noch eine Kunstaktivistin ihre Pressekontakte durch und ließ verschwörerisch verlautbaren, es seien Informationen zum Sofortprogramm geleakt worden, das der Senat auf einer Klausurtagung am Wochenende in einem Hotel im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin entwickeln werde. Es sei davon auszugehen, dass es massive Einsparungen geben werde und nur noch Leuchtturmprojekte eine sichere Finanzierung haben würden.

Nun ist noch nicht so viel von der Tagung nach außen gedrungen, außer dass Chialo zwar mit seinem Porsche anreiste, aber lieber nicht damit fotografiert werden wollte. Und eben das, was der Senat danach veröffentlichte. „Es geht um Berlin als Kulturmetropole, die für gesellschaftlichen Zusammenhalt sorgt und Menschen aus aller Welt anzieht.“ Das klingt ein bisschen nach Touristenattraktionen und Unterhaltungsbrimborium, typisch Berlin, wa?

Was kriegen wir noch raus? Man wolle ein eigenes „Berliner Bibliotheksgesetz“ und man wolle auch das Ehrenamt stärken, weswegen eine „Koordinierungsstelle für das Landesnetzwerk Bürgerengagement“ aufgebaut würde. Außerdem solle mit den Veranstaltungen des „Kultursommers“, der Initiative „Draussenstadt“ und einem Open Air am alten Flughafen Tegel gezeigt werden, dass Berlin eine, ganz genau, „Kulturmetropole“ ist.

Nix Genaues weiß man nicht, außer: Es herrscht nach wie vor eine gewisse Skepsis gegenüber Joe Chialo unter Kultur-Linken.

Laura Ewert ist freie Journalistin und schreibt hier alle vier Wochen über die Kunst und ihre Szene

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