Politische Bücher haben ihre eigenen Zeitfenster – etwa Wahlen. Noch zur Jahreswende sah es so aus, als sei die Präsidentschaft von Donald Trump Geschichte: ein irrationales, von Interruptionen geprägtes Intermezzo, das – wie ein auf die Politik übertragenes Film-Happy-End – einen halbwegs glimpflichen Ausgang nahm. Was nach dem 3. November noch anfangen mit einem Buchtitel, der sich im Wesentlichen auf die zweite Hälfte von Trumps Regentschaft kapriziert, und der trotz des Wahl-nahen Erscheinungsdatums nicht mehr ganz brandaktuell sein kann? Dann kam der 6. Januar. Der von Trump befeuerte Sturm seiner Anhänger aufs Kapitol hat nicht nur gezeigt, dass diese Präsidentschaft und ihre Folgen bei weitem noch nicht ausgestanden sind. Zumindest rückblickend hat auch Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe von Klaus Brinkbäumer und Stephan Lamby eine rasante Bedeutungsänderung erfahren. Erschien die Thematik noch Ende 2020 wie Schnee von gestern, als Stoff für US-Unentwegte, liest sie sich nunmehr wie die politische Chronologie jener Ereignisse, welche aktuell die Schlagzeilen bestimmen.
Was tun? Obwohl die Deadline von »Im Wahn« im Sommer war und lediglich das Epilog-Kapitel zum Wahlausgang aufschließt, sollte man das Buch nicht vorschnell als inaktuell abtun. Ex-Spiegel-Chef Brinkbäumer und sein ZEIT-Kollege Lamby liefern zwar nicht die Tiefenanalyse zum aktuellen Stand der US-Gesellschaft. Wobei die Frage im Raum steht, ob eine solche noch subtanziell Neues zu sagen hätte – siehe etwa »Der tiefe Graben« von Ezra Klein oder auch die kleinteilig-soziologischen Analysen von Torben Lütjen (siehe hier und hier). Auch auf die Personalia-Ebene abzielender Gossip der Marke Bolton und Mary L. Trump wird hier nicht bedient. Ab setzt sich Im Wahn schließlich auch von den eher aufs Breitenpublikum zielenden US-Erklärtiteln des ARD-Kollegen Ingo Zamperoni. Während Zamperonis Bücher ein allgemeines Stimmungsbild der USA unter Trump liefern, rücken Brinkbäumer und Lamby strikt den politischen Betrieb ins Zentrum. Im Blickpunkt stehen vor allem die beiden letzten Trump Jahre – von 2019 bis zum Sommer, zum Höhepunkt der „Black Lives Matter“-Demonstrationen. Kurzum: Im Wahn ist nicht mehr und nicht weniger als ein politischer Report – eine ereignisbezogene, wenn auch mit narrativen Mitteln erzählte Chronik des US-amerikanischen Politik- und Medienbetriebs.
Die gewählte Darstellungsart hat Vor- und Nachteile. Am nächsten kommt Im Wahn dem Metier der langen, Spot an Spot aneinander reihenden Hintergrundreportage. Wie die meisten Reportagen hat auch diese einen Dreh- und Angelpunkt – ein Zentrum, von dem ausgehend sich alles weitere erschließt: im konkreten Fall das von den Demokraten angestrengte Impeachmentverfahren 2019/2020. Um die »Breaking News« der Ukraine-Affaire herum gruppieren sich die restlichen Negativ-Highlights der Trump-Präsidentschaft: das kalkulierte, gleichwohl stetige Vorpreschen in Sachen Bau einer Mauer zu Mexiko, die permanente Aufmunitionierung der zwischen Hofberichterstattung und Agitation changierenden rechtskonservativen Alternativmedien (vor allem: Fox News), die an Schärfe zunehmenden „Fake-News“-Kampagnen, das zunehmend erratische, egozentrische Agieren auf fast allen politischen Feldern und schließlich der immer enthemmtere, die Wirklichkeit ignorierende Ton des amtierenden Präsidenten.
Die Schilderung des fortlaufenden Geschehens ist unterlegt mit Kommentaren zahlreicher Akteure. Wie sehen die das, welche Beurteilung geben sie ab? Die Auswahl akzentuiert einerseits stark auf US-amerikanische Medien-Professionals – beispielsweise die CNN-Journalisten Jim Acosta und Chris Cuomo. Ebenfalls zu Wort kommen die Akteure der Gegenseite – etwa Sebastian Gorka, ehemaliger Breitbart-Redakteur und bis Sommer 2017 aktiv im Beraterstab von Donald Trump, oder die Aktivistin und Fox-Radiotalkerin Laura Ingraham. Um Einschätzungen gebeten wurden darüber hinaus Akteure aus dem politwissenschaftlichen, historischen sowie im weiteren Sinn kulturellen Betrieb wie zum Beispiel Anne Applebaum, Jill Lepore oder der Thriller-Autor Don Winslow. Im letzten Buchdrittel schließlich verdichtet sich die Darstellung merklich. Die Themen nehmen an Fahrt auf; ante portas stehen: der bevorstehende Präsidentschaftswahlkampf, die Corona-Pandemie und schließlich, als weitere Eskalation, die „Black-Lives-Matter“-Proteste nach der tödlichen Polizei-Strangulierung des Afroamerikaners George Floyd.
Trotzdem – oder vielleicht: gerade deswegen – spürt man immer wieder, dass die Autoren allen Seiten gerecht zu werden versuchen. Beispiel: die Darstellung der Vorwahlkampagne des demokratischen Bewerbers Beto O'Rourke. Pleiten, Pech & Pannen finden auch bei den Demokraten statt – keine Frage. Am Ende gerät Im Wahn doch noch zu so etwas wie einem Sittenbild der gegenwärtigen US-Gesellschaft. Dominiert – oder besser: kontrastiert – wird die zwischen Wahn & Wirklichkeit changierende Entwicklung durch die immer erratischeren Handlungen des ersten Mannes im Weißen Haus. Motto: heute so, morgen so, und vor allem: Was scheren mich die Fakten? Am deutlichsten vielleicht wird dies durch die Zusammenstellung der Trump-Stellungnahmen zur Corona-Pandemie: ein für sich selbst sprechendes Zeugnis von Inkompetenz, Skrupellosigkeit und Desinteresse – während im Land die Zahlen der Toten und Infizierten nach oben schießen und alleingelassene Kommunal-Verantwortliche verzweifelt versuchen, gegenzutrimmen.
Fazit: Die reportageartige, sich von Schauplatz zu Schauplatz hangelnde Darstellungsform ist das größte Plus dieses Buchs. Wie im Zeitraffer führen Brinkbäumer und Lamby ihre Leser(innen) durch die zweite Halbzeit der Trump-Präsidentschaft. Rückblickend ergibt sich so eine Art Vorgeschichte zu der nochmals gesteigerten Dramaturgie, welche die Zeit seit den Wahlen im November prägte. Die Nachteile seien an der Stelle nicht unerwähnt: Die Fokussierung auf das Amtsenthebungsverfahren im Zug der Ukraine-Affaire mag thematisch nachvollziehbar sein. Andererseits hebt sie eine der vielen Grenzüberschreitungen von Donald Trump über Gebühr hinaus – während andere wie der forcierte Rassismus im Umfeld der lancierten »Mauerbau«-Kampagne oder die systemischen Attacken auf politische Gegner und Kritiker in die zweite Reihe treten. Kritisieren lässt sich schließlich auch die Fokus auf die politischen Institutionen als Hauptschauplatz und infolgedessen eine Vernachlässigung der Gesellschaft in ihrer Breite. Sicher so ein Buch, dass nicht „perfekt“ ist. Im Kern liest sich Im Wahn wie ein aktuelles Spiegel-Sonderheft. In dem Fall hätte es zwischen 150 und 200 Seiten (anstatt 392) und eine im Text fortlaufende Bebilderung (anstatt eines Bildteils).
Fazit: Ein fakten- und einschätzungsdurchtränkter Insider-Report zur derzeitigen US-Lage. Der thematisch gesehen fast gegessen war, durch die aktuelle Entwicklung jedoch eine neue Brisanz gewonnen hat.
Klaus Brinkbäumer, Stephan Lamby: Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe. C. H. Beck, München. November 2020, 392 Seiten. 22,95 Euro. ISBN 978-3-406-75639-9.
Kommentare 36
Nun, da Trump (fast) Geschichte ist, kann man sich wieder den wirklich wesentlichen Dingen und Zusammenhängen widmen. Dass dies mit allen Mitteln verhindert und behindert wird, haben die letzten Tage gezeigt. Insofern scheint mir das Buch nichts Neues oder Lesenswertes zu bringen. Anders macht es Joe Lauria, der 'editor-in-chief of Consortium News'. Er kommentiert die Ereignisse sehr treffend in seinem Artikel "Capitol Incident a Dress Rehearsal".
»Ein dramatisches Ereignis wie dieses, ist der Traum eines Reporters aus alten Zeiten, der einfach die Fakten und Details beschreibt, wie sie auftauchen, und ein Bild in Worten in der Zeitung oder im Radio malt. Mit so vielen Handybildern und -videos sowie Fernsehkameras überall ist diese journalistische Funktion stark eingeschränkt, wenn nicht gar ausgelöscht worden.
Als es vorbei war, war klar, was nicht passiert war: Es war kein "Putsch", es war kein "Aufstand", es hatte nichts mit Putin oder China oder dem Iran zu tun und es war nicht wie Pearl Harbor, wie Senator Chuck Schumer es lächerlich zu nennen versuchte.
Es war nicht die Erstürmung eines "Tempel der Demokratie", die Unterbrechung der "heilige Pflicht" des Kongresses oder die "Entweihung" der "heiligen Hallen" des Kapitols. Solche quasi-religiöse Rhetorik bläht die Selbstherrlichkeit von Beamten auf, die sich über das Volk erheben, dem sie eigentlich dienen sollen.
Was dieses Ereignis tat, ist eine Botschaft zu senden, die über Ansprüche einer gestohlenen Wahl hinaus ging, eine Nachricht, die niemand im Kongress oder in den Medien offen anerkennen wird, wenn die Nachricht bei ihnen überhaupt angekommen ist, nämlich, dass, solange der Kongress und der Rest des Establishments weiterhin die Interessen der gewöhnlichen Amerikaner ignorieren und nur ihren eigenen dienen, wird die Wut und die Verzweiflung im Land explodieren, so dass die Mittwochsereignisse nur eine Generalprobe für das waren, was auch in einen ausgewachsenen Aufstand umschlagen kann. Der Kongress muss dies verstehen, bevor es zu spät ist.«
Man muss ja nicht gleich bei Amazon bestellen; es gibt bessere Quellen.
Thanx for the friendly service.
Obwohl ich selbst schon bei bpb bestellt habe, ist diese Quelle nicht auf meinem Schirm. Herr Bezos & Cie profitieren vom Prinzip der Komplexitätsreduzierung. Erinnerungsstützen sind da - zumindest für mich - sehr willkommen, weil hilfreich.
Zumal sich die Behauptung, Amazon sei ohnehin am Günstigsten, leicht durch gegenteilige ERFAHRUNGEN widerlegen lässt. Ich habe mir diese Woche eine CD-Box einer dem 'Krautrock' zugeordneten Band aus den 1970ern zugelegt und dabei fast 15 Flocken eingespart. Sie werden dem bekannten Kreislauf wieder zugeführt.
Mercie vielmals.
man darf auch die tv-doku sehen!
Gerne, wobei bpb immer wieder aktuelle Bücher anbietet und noch ein paar weitere Rubriken mehr im Shop hat. Lohnt sich also durchaus vor Neukauf (falls nicht digital), vorher reinzuschauen.
Klar doch, Amazon ist für 'uns' tabu. Hatte des Öfteren darüber geschrieben.
Darf manN auch um eine konkretere Info bitten ... die (das Jahr ist jung, die Vorsätze noch recht unverbraucht) auch erfüllt werden???
Was mich angeht, halte ich es mit dem Prinzip der Selektion. Und da kann, Asche über mein schütteres Haupt, die Wahl auch mal auf Amazon fallen, wenn es denn plausible Gründe dafür gibt.
Selbstkasteiung wäre für einen Menschen mit schmalem pekunären Budget eher töricht. :-)
Guter Artikel, auch wenn er nicht sehr viel weiter über das hinaus geht, was die Spatzen ohnehin schon längst von den Dächern pfeifen: Die Eliten regieren am Volk vorbei. Das ist gemeinhin Konsens unter Linken wie auch Rechten. Gut, Letztere haben etwas länger gebraucht für diese Erkenntnis. Aber jetzt haben’s selbst sie begriffen.
Ob mit Biden/Harris alles wieder besser wird? Mit Biden ist m. E. lediglich der alte, gut vernetzte Filz ins Weisse Haus zurück gekehrt. Ich hoffe sehr, dass jetzt nicht einfach wieder so schnell als möglich zur Tagesordnung übergegangen wird. Das würde nämlich bedeuten, dass Green Deal und Diversity lediglich Aushängeschilder sind, mit denen man den Ocasio-Cortez-Flügel bei der Stange zu halten versucht (während man endlich wieder ungehindert Angriffskriege im Namen der freien Welt führen und Regime Changes auf der ganzen Welt anzetteln kann). Sonst ist der Sturm der Stümper auf den Capitol Hill tatsächlich nur das Ende vom Anfang einer ganzen Reihe von weiteren Unruhen.
also mein vorsatz fürs gerade angelaufene jahr ist:
meine beweglichkeit zu fördern...
--->tv-doku: "im wahn" (ard,90min.) bis zum
24.1. dort verfügbar.
Dass eine Hilfe nur mit einem schönen Schleifchen verpackt kommen würde, war mir klar. Diese Seite von Ihnen habe ich schon mitbekommen.
Was die Beweglichkeit angeht: Zustimmung ... im Allgemeinen ... und auch im Speziellen. Zu viele Appetithäppchen machen bequem.
Manchmal, ja wirklich manchmal, erfreut es allerdings den neugierigen Geist, wenn ein freundliches Wesen dabei hilft, der Gfahr der Überforderung entgegenzuwirken.
Soviel aus dem Honiggläschen. Danke. ^.^
In einem Gespräch zwischen Pepe Escobar und Michael Hudson vermittelt letzterer tiefere Einblicke. Er war einer der Wenigen, die die Finanzkrise 2008 vorhergesagt haben und hat kürzlich 3 Jahre in China gelehrt. Dabei spielte "Das Kapital" von Marx, speziell der 2. und 3. Band, eine besondere Rolle. Er warnte die chinesische Führung vor dem Irrweg, den die westlichen Marktwirtschaften gegangen sind. Ohne Abkehr von diesem Weg, wird es keine Besserung für uns geben können, egal, wer in den USA Präsident ist oder hier Kanzler.
"The Consequences of Moving from Industrial to Financial Capitalism" ist ein sehr langes Gespräch, aber die ersten 15 Minuten von Hudson sind schon sehr erhellend. Hier ein kleiner Auszug aus dem Transskript.
»Und ich denke, man muss das ganze Thema so einrahmen, dass China floriert und der Westen das Ende der ganzen 75-jährigen Expansion erreicht hat, die er seit 1945 hatte.
Es gab also die Illusion, dass Amerika wegen der Konkurrenz aus China de-industrialisiert wird. Die Realität ist jedoch, dass es keinen Weg gibt, dass Amerika sich re-industrialisieren und seine Exportmärkte zurückgewinnen kann mit der Art, wie es heute organisiert ist. Finanzialisiert und privatisiert, auch wenn es China nicht gäbe, würde der Rostgürtel immer noch vor sich hin rosten. Sie hätten immer noch eine amerikanische Industrie, die nicht in der Lage ist, im Ausland zu konkurrieren, einfach weil die Kostenstruktur in den Vereinigten Staaten so hoch ist.
Der Wohlstand wird hier nicht mehr durch Industrialisierung geschaffen. Er wird finanziell erwirtschaftet, hauptsächlich durch Kapitalgewinne. Steigende Preise für Immobilien oder für Aktien und für Anleihen. In den letzten neun Monaten, seit das Coronavirus hierher kam, wuchs das oberste 1% der US-Wirtschaft um 1 Billion Dollar. Es war ein Glücksfall für die 1%. Der Aktienmarkt ist weit oben, der Anleihenmarkt ist oben, der Immobilienmarkt ist oben, während der Rest der Wirtschaft nach unten geht. Trotz der Zölle, die Trump auf chinesische Importe erhoben hat, steigt der Handel mit China, weil wir einfach keine Materialien produzieren.
Amerika stellt seine eigenen Schuhe nicht her. Es stellt keine eigenen Muttern und Schrauben oder Befestigungselemente her, es stellt keine industriellen Dinge mehr her, denn wenn man mit einem Industrieunternehmen Geld verdienen will, dann kauft und verkauft man das Unternehmen, und nicht, um Kredite zu vergeben, damit die Produktion des Unternehmens steigt. New York City, wo ich lebe, war früher eine Industriestadt, und die Industriegebäude, die Handelsgebäude wurden alle zu hochpreisigen Immobilien gentrifiziert, und das Ergebnis ist, dass die Amerikaner so viel Geld für Bildung, Miete und medizinische Versorgung zahlen müssen, dass sie, selbst wenn sie alle ihre physischen Bedürfnisse, ihr Essen, ihre Kleidung, alle Waren und Dienstleistungen umsonst bekämen, immer noch nicht mit ausländischen Arbeitskräften konkurrieren könnten, wegen all der Kosten, die sie zahlen müssen, die man im Wesentlichen als Mietpreise bezeichnet.
Die Wohnkosten in den Vereinigten Staaten verschlingen heute etwa 40% des Gehaltsschecks eines durchschnittlichen Arbeiters. Von den Gehaltsschecks werden 15% für Renten, Sozialversicherung und Medicare abgezogen. Weitere Krankenversicherungen belasten den Gehaltsscheck, Einkommenssteuern und Umsatzsteuern fügen weitere 10% hinzu. Dann gibt es noch Studentenkredite und Bankschulden. Im Grunde kann der amerikanische Arbeiter also nur etwa ein Drittel seines Einkommens für den Kauf der von ihm produzierten Waren und Dienstleistungen ausgeben. Der ganze Rest geht in den FIRE-Sektor, die Finanz-, Versicherungs- und Immobilienbranche und andere Monopole (Finance, Insurance and Real Estate - FIRE).
Und im Grunde genommen wurden wir zu dem, was man eine renditesuchende Wirtschaft nennt, nicht zu einer produktiven Wirtschaft. Wenn also die Leute in Washington von amerikanischem Kapitalismus versus chinesischem Sozialismus sprechen, dann verwirrt das die Sache. Über welche Art von Kapitalismus reden wir? Amerika hatte im 19. Jahrhundert einen industriellen Kapitalismus. So ist es ursprünglich reicher geworden, aber jetzt hat es sich vom Industriekapitalismus zum Finanzkapitalismus entwickelt. Und das bedeutet, dass die gemischte Wirtschaft war, die Amerika reich gemacht hat. Die Regierung investierte in Bildung und Infrastruktur und Transport und stellte diese zu niedrigen Kosten zur Verfügung, so dass die Arbeitgeber die Arbeitskräfte nicht mehr bezahlen mussten, um sich die hohen finanzierten und privatisierten Lebenshaltungskosten zu leisten.
All das hat sich in den letzten hundert Jahren gewandelt…«
ja!
das bleibt zu hoffen: verstanden zu werden
und mit nachsicht behandelt zu werden.
der verbleibende rest ist ein klacks!
Ein weiterer guter Artikel stammt von Ted Rall (Biden and the Democrats Could Change Everything. But They Won't Try). Er sagt vorher, dass von Biden keine Besserung zu erwarten ist und begründet das mit einem Rückblick auf die letzten Jahrzehnte. Obama hatte im Kongress 4 Monate lang eine beinahe Supermehrheit. Mit wesentlich weniger Vorsprung haben vor ihm Roosevelt und Johnson in kürzerer Zeit bedeutsame Veränderungen auf den Weg gebracht. Reagan hat in nur 3 Monaten das Gesellschaftssystem der USA so nachhaltig verändert, dass es heute noch zu spüren ist. Biden wird genauso kläglich versagen, wie es Obama tat. Wer erinnert sich heute noch, in welche Präsidentschaft die "Occupy"-Bewegung fiel? Sich diese Dinge ins Gedächtnis zu rufen und Zusammenhänge herzustellen ist für die Zukunft ausschlaggebend, nicht das Berauschen an den Millionen trumpschen Dämlichkeiten.
***** Ich werde mir Ihre Quellen, auch im Vorkommentar, in Ruhe ansehen.
Es lohnt sich bestimmt. Auf der Homepage von Michael Hudson gibt es mehr interessante Texte. Seine Bücher kann ich auch empfehlen. Die wöchentlichen Kolumnen von Ted Rall, der eigentlich Cartoonist ist, sind jedesmal ein geistiges Vergnügen. Auch wenn manchem hier das Portal missfällt, auf dem die Texte von Rall erscheinen, so findet man dort doch auch Michael Hudson, Pepe Escobar oder Jonathan Cook und viele andere progressive Autoren.
Es ist wichtig, von der Personalisierung, die selbstverständlich Trump im Eigeninteresse betrieben hat und die nur zu gerne auch von Kritikern übernommen wurde, weil es Nachdenken ersparte, herunterzukommen. Nicht Trump hat Amerika verändert, sondern ein verändertes Amerika hat Trump an die Spitze gebracht. Schon daran erkennt man, daß die Probleme Amerikas mit der Abwahl nicht gelöst sind. Das wohlfeile Gejammer über die Beschädigung der Demokratie in den USA unterstellt eine bis dato funktionierende Demokratie, wer glaubt denn sowas? Freilich, das faulende Imperium treibt seltsame Blüten. Tatsächlich hat sich die amerikanische Schmierenkomödie nicht einmal einen anderen Schauplatz ausgesucht. Was macht es für einen Unterschied, ob Clinton, Bush, Trump oder eine aufgebrachte Menge vor diesem goldenen Kalb (das Capitol) posiert oder tanzt oder es zu vereinnahmen sucht? Man sollte diesem Symptom nicht mehr Aufmerksamkeit zollen als es verdient. Eine konservative Revolution? Dazu ist, was passiert, viel zu chaotisch. Die Hitze im Kessel USA steigt, die kritische Temperatur, an dem er explodiert, ist aber noch lange nicht erreicht. Und vergessen wir nicht, viel besser steht es um die hiesige Demokratie auch nicht. Vielleicht ist auch eine andere Metapher besser: die USA als Riesentanker oder Titanic, der/die unbeirrt seinen/ihren Kurs ins Verderben hält, während auf Deck gefeiert wird, geliebt, gehaßt, intrigiert und zugedröhnt. Dieser falsche Kurs begann schon, als Reklame und Propaganda in Wirtschaft und Politik zu einem wissenschaftlich ausgefeilten Instrument der Menschenführung wurden (Edward Bernays). Spätestens hier und mit den lobbyistischen Vernetzungen hat die bürgerliche Demokratie ihre Unschuld verloren. Die gelobten USA haben es vorgemacht, alle anderen Länder sind mehr oder weniger gefolgt, auch und gerade die zivilisationsferneren, die noch weniger Skrupel haben, diese universellen Herrschaftstechniken anzuwenden.
„Nicht Trump hat Amerika verändert, sondern ein verändertes Amerika hat Trump an die Spitze gebracht.“
*****! Sehr gute Zusammenfassung. Genau da müssen die Debatten beginnen. Sich alleine auf Donald Trump zu kaprizieren, mag für gewisse Kreise, die ebenfalls Dreck am Stecken haben, vielleicht gerade opportun sein. Aber sich damit reinzuwaschen, nein: Das wird nicht funktionieren!
„You need people like me to point with your fuckin‘ fingers and say: that‘s the bad guy..“ (ab Minute 4:00)
Ja, es ist billig und opportunistisch, sich auf Trump alleine zu konzentrieren. Trump ist lediglich ein Symptom, nicht die Ursache der Probleme, die in den USA schon lange unter der Oberfläche vor sich hin kokeln. Ein Buch über 2 Jahre Trump? WTF: Das soll schon alles gewesen sein?
Es ist sicher wichtig, die verheerende Amtszeit dieses Stümpers aufzuarbeiten. Aber noch wichtiger ist jetzt, endlich auch die gesamte Vorgeschichte, die diesen Stümper erst möglich gemacht hat, aufzuarbeiten. Ich arbeite schon seit ein paar Tagen an einem Blogbeitrag dazu. Ist nicht so einfach, die Zeit seit 1971 bis heute auf 2‘500 Zeichen zusammen zu fassen. Das gelingt bestenfalls metaphorisch. Zudem bin ich hier in Asien langsam einfach zu weit weg vom Schuss, wie man im Schweizerischen so schön sagt. Mal gucken, ob ich den Beitrag auch fertig stellen werde.
Ex-Spiegel-Chef Brinkbäumer und sein ZEIT-Kollege Lamby halte ich für keine geeigneten Zeitzeugen. Sie sind Partei im verkommenen und pervertierten Groß-Konflikt der Widerwertigkeiten.
Und jawohl! „Nicht Trump hat Amerika verändert, sondern ein verändertes Amerika hat Trump an die Spitze gebracht.“
Gerade DER SPIEGEL hat eine Hässlichkeit nach der anderen präsentiert und den Konflikt eskaliert. Die selbstgefällige "vierte Gewalt" mischt kräftig mit und hat soeben mit der Sperrung des Trump-Accounts neue Maßstäbe gesetzt. SPIEGEL und ZEIT sind Sprachrohre etablierter aber von vielen abgelehnter Politik. Alle, die nicht so wollen, wie sie, werden diskriminierend als „Rechtsradikale“ bezeichnet.
Auch SPIEGEL und ZEIT sahen keinen Grund zur Mäßigung. Sie sind Agitatoren etablierter Politik und Polizei der monetären Machthaber.
Einen Kommentar der Extragüte hat Herr Ischinger abgegeben, als er im Tagespiegel interview sagte:
"Was stimmt Sie da so hoffnungsvoll, dass der Westen aus dieser Krise der USA gestärkt hervorgehen könnte?
Diejenigen, die ab 21.1. die amerikanische Außenpolitik gestalten werden, sind zutiefst pro-europäisch, auch die jetzt bekannt gewordenen Nominierungen als Nummer zwei und drei im Außenministerium, Wendy Sherman und Victoria Nuland, stimmen mich sehr positiv."
Hurra, wir bekommen "F**k the EU Nuland" wieder.
Aber auch hier wieder nur ein Kaprizieren auf Trump und Breitbart-Leute als sie so etwas wie eine Naturkatastrophe.
“Hurra, wir bekommen "F**k the EU Nuland" wieder.“
Danke für den ersten Lacher des Tages. Wenn freilich auch ein bitterer.
So ist es!
Dergestalte Reportagen, wie die vorgestellte, sollten auch endlich einmal zu den Menschen gehen.
Mir ist das Lachen im Halse stecken geblieben, als ich das heute Morgen in dem sehr guten Beitrag "Biden’s Latest Cabinet Picks and the Neocons Who Love Them" von Danny Sjursen las, der auch auf Antiwar.com publiziert.
Als hätten wir es inzwischen nicht bereits selbst gewusst: Sie wollen die totale Demütigung des Mannes.
Und SPIEGEL.de liefert das Stichwort: Trump droht die maximale Demütigung. – Wenn sie könnten, würden sie ihn erhängen.
Gerade die Berufung von Frau Nuland macht doch überdeutlich, was von Herrn Biden zu erwarten ist.
..."Dieser falsche Kurs begann schon, als Reklame und Propaganda in Wirtschaft und Politik zu einem wissenschaftlich ausgefeilten Instrument der Menschenführung wurden"...
Sehr richtig !!!
Wie oft habe ich hier in 10 Jahren rumkrakehlt das Postminister Schwarz - Schilling mit Kohl hier gleiches gemacht hat, nur dass die Auswirkungen noch gar nicht so richtig angekommen sind, aber sie werden kommen, insbesondere wenn als Brandbeschleuniger ab Jahrgang 1995 nur noch Handyschrott und keine Bücher mehr gelesen werden.
P.S.
Radio Corporation of America und und CBS waren Vorreiter zur Volksverblödung.
;-)
Ehrlich gesagt Grenzpunkt 0, manchmal frage ich mich ob ich Tomaten auf den Augen habe oder ob andere es nicht Blicken (wollen).
Wenn man seid 40 Jahren die USA aus einem Blickwinkel kennt, und obendrein noch 20 Jahre aus einem anderem Fokuswinkel sind Michael Hudson, Pepe Escobar oder Jonathan Cook und "viele andere progressive Autoren" ermüdend, man kennt das durch Eigenbeobachtung, da ist dann nicht mehr viel zu erzählen, da weiss man wie Trump entstehen konnte und warum 25% der Wähler es eigentlich gut fand das Kapitol zu stürmen. ...
Um so ermüdender ist es dann sich hier mit Mitdiskutanten rumzustreiten, dann sollen Sie halt denken ich bin ein "eingebildetes Arschloch", es geht mir mittlerweile am Arsch vorbei.
Ich kann tagtäglich sehen wie der südliche mittel- und noch südlichere Teil des amerikanischen Kontinentes von den USA gerollmopst wurde und wird, früher militärisch, heute subtiler, Marvel und Disney lassen Grüssen, und die Deppen zwischen der ost und west Küste in den USA ebenso, das ist Entwicklungsland was das staatliche Bildungsniveau angeht, etwas besser als Guyana oder Belize...
Hat auch post Buch Senior Clinton kaputtgespart...
Und die "Intelligencia" in Silikon Valley in goldenen Wiegen geboren und aufgewachsen die sich ja so fortschrittsmodern gibt, die Millionärs, hatten erstens nicht den Mut mal höhere Steuern für sich selbst zu verlangen und dann waren sie auch noch zu Feige und aus Eigeninteressen dem Trumpismus entschieden entgegenzutreten, die Weicheier, jetzt haben sie den gespaltenen Staat, sollen sie ihren Frieden damit haben, das wird hart wenn jeder QAnon seine umgebaute halbautomatische auf vollautomatische M27 Infantry Automatic Rifle im Wohnzimmerschrank hat die auch einen speziellen Hass gegen die haben, die alles haben, viel Spass dabei.
"Ehrlich gesagt Grenzpunkt 0, manchmal frage ich mich ob ich Tomaten auf den Augen habe oder ob andere es nicht Blicken (wollen)."
Ich bin in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der Banken und Versicherungen einschl. Krankenversicherung staatlich und nicht auf Gewinnmaximierung getrimmt waren. Ebensowenig gab es Bodenspekulation und Mietpreiswucher. Die staatliche Daseinsvorsorge bezüglich Bildung war sehr gut organisiert. Nach der Wende ist dies alles weggefallen. Der krasse Gegensatz zu heute fällt mir deshalb besonders ins Auge. Bei Michael Hudson habe ich dann zum ersten Mal gelesen, dass dies auch unter marktwirtschaftlichen Bedingungen möglich war und demzufolge wieder möglich sein könnte. Die meisten Menschen, die sich als Linke bezeichnen, ignorieren das heute (Identitätspolitik usw. sind viel wichtiger) oder wollen viel zu radikal sofort alles ändern und übersehen, dass sie damit wichtige Verbündete verprellen. Deshalb werde ich weiter auf diese Quellen verweisen, auch wenn es im Grunde "nicht mehr viel zu erzählen" gibt, was darüber hinausgeht.
Adorno hat in seiner "Negative(n) Dialektik" gleich am Anfang geschrieben:
»Philosophie, die einmal überholt schien, erhält sich am Leben, weil der Augenblick ihrer Verwirklichung versäumt ward. Das summarische Urteil, sie habe die Welt bloß interpretiert, sei durch Resignation vor der Realität verkrüppelt auch in sich, wird zum Defaitismus der Vernunft, nachdem die Veränderung der Welt mißlang. Sie gewährt keinen Ort, von dem aus Theorie als solche des Anachronistischen, dessen sie nach wie vor verdächtig ist, konkret zu überführen wäre. Vielleicht langte die Interpretation nicht zu, die den praktischen Übergang verhieß. Der Augenblick, an dem die Kritik der Theorie hing, läßt nicht theoretisch sich prolongieren. Praxis, auf unabsehbare Zeit vertagt, ist nicht mehr die Einspruchsinstanz gegen selbstzufriedene Spekulation, sondern meist der Vorwand, unter dem Exekutiven den kritischen Gedanken als eitel abzuwürgen, dessen verändernde Praxis bedürfte. Nachdem Philosophie das Versprechen, sie sei eins mit der Wirklichkeit oder stünde unmittelbar vor deren Herstellung, brach, ist sie genötigt, sich selber rücksichtslos zu kritisieren. Was einst, gegenüber dem Schein der Sinne und jeglicher nach außen gewandten Erfahrung, als das schlechthin Unnaive sich fühlte, ist seinerseits, objektiv, so naiv geworden, wie Goethe schon vor hundertfünfzig Jahren die kümmerlichen Kandidaten empfand, die subjektiv an der Spekulation sich gütlich taten. Der introvertierte Gedankenarchitekt wohnt hinter dem Mond, den die extrovertierten Techniker beschlagnahmen.«
Vielleicht können wir aber heute nur noch warten, bis sich die Produktivkräfte so weit entwickelt haben, dass alle heutigen Formen des Eigentums und damit Reichtums unsinnig werden. In irgendeiner Star Trek Serie gab es das schon. Die Alternative dazu mag ich mir nicht ausmalen.
..."Nach der Wende ist dies alles weggefallen. Der krasse Gegensatz zu heute fällt mir deshalb besonders ins Auge."...
Das gab es auch im Westen, mein alter Taxichef Bj. 1940 hatte seine erste Meisterpruefung als Drucker 1969 beim Skat, Bier und Schnaps versoffen, Gewerkschaft gab ihm 2. Anlauf, und Dritten, bis er es endlich geschafft hatte.
Dann kamen die Chicago - Boys Anfang der 80er in den deutschen Westen.
Stichwort McKinsey, Goldman Sachs, KPMG, Price Waterhouse, heute PwC Coopers & Lybrand, es ist auch interessant ein bisschen von der Geschichte der Unternehmensberatungen zu kennen, dessen Fusionen und was da alles dahintersteckt, wieso weshalb warum, wie bei der Sendung mit der Maus, ja, ich weiss da ein bisserl was...
;-)
Wie passt Deine geschilderte Erkenntnis mit Deinem Biden-Hype zusammen? Für mich gar nicht....
als das demokratiegefährdendste, das in diesem jahr passiert ist, empfinde ich die löschorgie der privaten internetkonzerne infolge der ereignisse am capitol. ohne gerichtsurteil und gesetzliche grundlage zensieren sie im interesse der kommenden regierung, sodass sogar netzDG-merkel ein bißchen schwindelig wurde von der (vom kanzleramt aus) nicht zu kontrollierenden durchschlagskraft der maßnahmen.
aber ich habe schon im bekanntenkreis erfahren müssen, dass derartige bedenken unerwünscht sind aufgrund allzu großer trumpendphasenhysterie.
Ich Hype Biden nicht, ich bin froh das er 51.1 vs. 49.9% gewonnen hat. Ob die Dem's was draus machen, na ja, sehen wir mal. Als jemand, also ich, der das Glas immer nur hab voll sieht bezweifle ich es...
Und 25% "gluehenste Anhaenger fuer Trump" kann man nicht einfach abschalten.
Aufm Handy konnte man ca. 20% des Interviws lesen, im Internet geht es nicht, aber vielleicht bist du Vollzahler und kannst es 100% lesen. Der Biograf Dan Morain hat da am Anfang alles gesagt was ich meinte.
Gruss
>>...51.1 vs. 49.9%...<<
Dann hat Trump ja doch recht: Ein Gesamtergebnis von 101 % kann nur durch dilettantische Wahlfälschung zustande kommen ;-)
Immerhin, wenigstens Gelse hat es gemerkt.
Das sind die Prüfungen des Lebens!
:-D