Klage-Mütter auf Instagram: Was für ein Frauenbild!

Mutti Politics Scrollt sie durch Instagram, wird unserer Autorin immer mehr Mutter-Content in den Feed gespült. Das per se ist nicht schlimm, doch das Mutterbild ist erschreckend: Die Mutter als passive Leidtragende, die Haus und Hof in Ordnung hält
Ausgabe 48/2023
Was diese Mutter beim scrollen durch die Sozialen Medien sieht, motiviert nicht gerade
Was diese Mutter beim scrollen durch die Sozialen Medien sieht, motiviert nicht gerade

Foto: Imago / Pond5 Images

Marlen Hobrack ist Schriftstellerin, Journalistin, Mutter und Autorin der monatlichen Freitag-Kolumne „Mutti Politics“. Ihr Buch Klassenbeste. Wie Herkunft unsere Gesellschaft spaltet (2022) ist gerade in einer Ausgabe der Bundeszentrale für politische Bildungerschienen.

Ob Sie’s glauben oder nicht, manchmal verschwende ich Zeit auf Instagram, und klug wie Instagram ist, hat es meinen Code geknackt – und bemerkt, dass ich eine Frau und Mutter bin. Ich bekomme also Frauen- und Mutter-Content: von Schmink- und Abnehmtipps über Spielzeugwerbung bis zu Bodypositivity-Botschaften. Besonders interessant ist eine Form von Content, den ich „Mütterklage“ nenne: Eine Frau („Mami-Bloggerin“) erstellt ein Reel über die Herausforderungen des Mutterseins. Rund um die Uhr kümmert sie sich um die Kinder, die sie nicht einmal auf der Toilette in Ruhe lassen, doch ihr Mann bleibt blind für ihre Mühen. Wenn er Zeit für sich braucht, reicht er ihr das Kind wie einen lästigen Gegenstand an. Sie trägt die Last in aller Stille. Kind und Mutterschaft sind eine von Männern auferlegte Bürde, ihr einziges Gefühls-Outlet ist das Internet, in dem sie ihr Seelenleid kundtut.

Sie bemerken den Zynismus. Tatsächlich finde ich diese Beiträge unerträglich. Wie, was, wieso? Finde ich es unerträglich, dass Ungerechtigkeiten offen adressiert werden? Nein, ich finde es unerträglich, dass die Ungleichverteilung von Pflichten in der Partnerschaft zwischen Erwachsenen auf passiv-aggressive Weise im Internet angeklagt wird, jedoch – wie die Reels ja andeuten – im Privaten still geduldet. Ich finde es unerträglich, dass die Beiträge implizieren, eine Frau riebe sich den ganzen Tag über zwischen Kindern, Haus und Herd auf, habe aber immerhin die Zeit, ihre Unzufriedenheit vor oft Hunderttausenden Followern zu illustrieren.

Meine Ablehnung richtet sich gegen das spezielle Narrativ von der etablierten Ungleichheit: Angeklagt wird nicht das System, in dem der Mann der Alleinverdiener ist (es handelt sich stets um „stay-at-home moms“) und abends fix und fertig nach Hause kommt. Dieses System, also die Geschlechterpolarität zwischen Haushalt und Außenwelt, Frauen- und Männerwelt, wird nicht debattiert. Vielmehr verlangt die Frau, die zu keinem Zeitpunkt ihre Verortung im Heim infrage stellt, dass der Mann sich am Haushalt beteiligt.

Wer Geschlechtergerechtigkeit will, muss Geschlechterpolarisierungen aufheben. Also die Festschreibung auf jeweils eine Welt inner- oder außerhalb des Haushaltes. Wer aber gleiche Beteiligung der Männer im Haushalt und in der Kinderversorgung fordert, kann sich nicht selbst auf eine traditionelle Rolle zurückziehen. Ich kann mich nicht hinstellen und vom Mann die Rolle eines progressiven Familienvaters fordern, während ich gleichzeitig voraussetze, dass er den traditionellen Versorger gibt. Ein Mann ist keine eierlegende Wollmilchsau.

Die Art von angesprochenem Content suggeriert zudem, dass ein offenes Gespräch über die Pflichtenverteilung im Haushalt von vornherein aussichtslos ist, weswegen man dem Netz das Leid klagt, das man in der Partnerschaft hinnimmt. Was für ein Frauenbild ist das? Eines, das Frauen als Opfer, als passiv Leidende darstellt, die allerdings davon profitieren, ihr Leid aktiv nach außen zu kommunizieren, ohne im Inneren der Partnerschaft einen Versuch zu unternehmen, die beklagte Situation zu verändern.

Mit einem Mann zu reden, habe eh keinen Zweck, schrieb mir jüngst eine Facebook-Kommentatorin. Reine Zeitverschwendung. Das wiederum ist ein tragisches Männerbild. Wer es für wahr hält, sollte von einer Beziehung zu einem Mann wohl Abstand nehmen.

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Geschrieben von

Marlen Hobrack

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Marlen Hobrack

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