China-Strategie: Peking hält die moralischen Lektionen aus Deutschland für überflüssig

Meinung Systemische Rivalität, gut und schön, dazu müssten Peking und Berlin allerdings Rivalen auf Augenhöhe sein. Sind sie aber nicht. Im globalen Ranking käme die EU als ernstzunehmender Konkurrent in Betracht, doch fehlt der nötige Zusammenhalt
Ausgabe 29/2023
Moralische Lektionen aus Deutschland stoßen in Peking auf taube Ohren
Moralische Lektionen aus Deutschland stoßen in Peking auf taube Ohren

Foto: Michele Tantussi/Getty Images

Mehr als 83 Wochen hat es gedauert, bis die Regierung Scholz ihre im Koalitionsvertrag angekündigte „Neue China-Strategie“ vorlegen konnte. Was sie nun präsentiert, das sind auf 64 Seiten altbekannte Positionen, wortreich und vage. Alles läuft auf die bereits von der EU strapazierte Formel für den künftigen Umgang mit einer Weltmacht hinaus: De-risking statt Decoupling, sprich: Risiken mindern, aber sich nicht abkoppeln. Das beeindruckt niemanden, am wenigsten die Chinesen. Offiziell hat Peking mit einer verhaltenen Mahnung reagiert: Man hoffe auf eine rationale China-Politik in Berlin.

Das Land ist nach wie vor der mit Abstand wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik, deutlich vor den USA, auch wenn der Schwerpunkt des deutschen Außenhandels nach wie vor in der EU liegt. Sich daraus ergebende Abhängigkeiten sind gegenseitig, rasch abbauen lassen sie sich nicht. Die chinesische und die Spitzen der deutschen Industrie betrachten daher die Kernbotschaft der China-Strategie skeptisch, und das zu Recht. China habe sich eben verändert, so die Begründung der Autoren im Auswärtigen Amt.

Aber Partner und Konkurrent für die EU und Deutschland ist die Volksrepublik seit Langem. Mit der verbalen Beförderung zum „systemischen Rivalen“ verhebt sich die Ampel-Regierung. Chinas eigenwillige Spielart eines staatlich dirigierten Kapitalismus mag für manche Länder des Globalen Südens ein Vorbild sein, als Exportartikel sehen die Chinesen ihr Modell keineswegs, ebenso wenig das politische System. Und als möglicher Rivale gilt ihnen Deutschland erst recht nicht. Als weltpolitisch relevanter Gegenspieler käme allenfalls die EU in Betracht, würde sie ihr Haus in Ordnung bringen.

Wenigstens betont die Ampel-Koalition, an der „Ein-China-Politik“ unverändert festzuhalten. Nichts anderes wollen und erwarten die Chinesen. Dass China daran arbeitet, die regelbasierte internationale Ordnung zu untergraben, stimmt einfach nicht. China nutzt diese Ordnung, will darin jedoch als Weltmacht wahr- und ernst genommen werden, also über die Regeln mitentscheiden. Dass dabei versucht wird, Alternativen zu den G7 aufzubauen, ist normales politisches Geschäft, genießt aber kaum Priorität. Zunächst soll der noch unter Donald Trump vom Zaun gebrochene Handelskrieg mit den USA so rasch wie möglich beendet werden, worauf die Biden-Administration einzugehen scheint.

An harschen Handelskonflikten mit der EU oder auch nur mit Deutschland hat Peking nicht das geringste Interesse – absehbarer eigener Verluste wegen. Tatsächlich vermeidet ja auch die deutsche Regierung eine riskante Konfrontation, sie will es sich schlichtweg mit keiner etablierten und keiner künftigen Weltmacht verderben. Kanzler Scholz wird demnach weiter lavieren, Ministerin Baerbock auf die Pauke hauen. Beides geht schlecht zusammen. Die Chinesen halten moralische Belehrungen aus Deutschland im besten Fall für überflüssig. Ein ideologischer Blick auf China kann den Interessen beider Länder nur schaden.

Insofern stellt das Ampel-China-Papier niemanden zufrieden. Für die Freunde eines deftigen China-Bashings macht es zu wenig Lärm. Für all jene, von denen die komplexen wirtschaftlichen Verflechtungen Deutschlands mit China realistisch bewertet werden, hat es gerade einmal die Banalität zu bieten, dass sich China verändert. Und man sich darauf einzustellen habe. Welch Erkenntnisgewinn. Beim Rest der Welt verhält es sich kaum anders.

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