China zeigt sich als verantwortungsvolle Weltmacht

Zentralasien Mit dem SCO-Gipfel in Samarkand hat Präsident Xi eine außenpolitische Plattform gefunden
Ausgabe 38/2022
Recep Tayyip Erdoğan hat beim SCO für seine Mitgliedschaft geworben
Recep Tayyip Erdoğan hat beim SCO für seine Mitgliedschaft geworben

Foto: IMAGO/Xinhua

Als Bündnis oder gar Militärallianz war die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) nie gedacht. Wenn sich China dort in einer Weise exponiert, wie soeben auf dem Gipfel in Samarkand geschehen, und durch Präsident Xi Jinping vertreten ist, geht es vorrangig um die „Neue Seidenstraße“. Die wichtigsten Landrouten dieses Projekts laufen durch das Gebiet von SCO-Staaten. Von dem Treffen in Usbekistan hatte Xi seinen kasachischen Amtskollegen Kassym-Jomart Tokajew besucht. Und das aus gutem Grund. Seit Beginn des Ukrainekrieges wird eine alternative Route nach Westen ausgebaut, die über kasachisches Territorium führt. Peking stockt damit seinen Einfluss in Zentralasien auf, ist es doch längst größter Investor und Kreditgeber in der Region und hat Russland den Rang abgelaufen. Gegenwärtig wird in China, aber auch bei den SCO-Mitgliedern Indien und Pakistan aufmerksam registriert, dass Russlands Armee in der Ukraine nicht groß vorankommt und sich das auf seinen Aktionsradius im Kaukasus wie in Zentralasien auswirkt. Andererseits profitieren China wie Indien davon, dass russisches Erdgas und Öl derzeit zum Freundschaftspreis gekauft werden können.

Für Xi Jinping war der Samarkand-Gipfel gewiss ein willkommenes außenpolitisches Forum, wenige Wochen vor dem XX. KP-Parteitag, der ihn als Generalsekretär bestätigen soll. Ihm kommt erst recht die Annäherung an Indien entgegen. In der Tat erscheint es wenig sinnvoll, sich noch Jahre mit dem Grenzstreit im Himalaya aufzureiben, wenn man durch Kooperation nur gewinnen kann. Und Indien muss mitspielen, will es den Ausbau einer chinesisch-pakistanischen Achse verhindern.

Schließlich wurde in Samarkand der Iran als SCO-Vollmitglied aufgenommen. Vor 15 Jahren schon hatte Teheran dies beantragt, musste sich allerdings zunächst mit einem Beobachterstatus zufriedengeben. Die Mongolei, Afghanistan und Belarus wollen folgen, weitere Länder in Asien und im Nahen Osten, darunter Bahrain, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Myanmar, haben den Beobachterstatus beantragt. Die SCO wächst und gewinnt an weltpolitischer Statur, was China nicht im Geringsten stören dürfte. Präsident Recep Tayyip Erdoğan, immer gut für einen Überraschungscoup, hat ebenfalls Interesse an einem SCO-Beitritt bekundet. Eine kalkulierte Provokation des Westens, die ihm im anstehenden Wahlkampf helfen soll, aber kein Abschied von der bisherigen Schaukelpolitik sein wird. Mehr Ärger als bisher wird sich Erdoğan damit kaum einhandeln.

In erster Linie geht es bei dieser Staaten-assoziation um ein weltpolitisches Gegengewicht zu den G7. Immerhin vertritt die SCO mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung und ist über zwei Kontinente hinweg der größte Regionalverbund, auch wenn das nicht bedeutet, vom Einfluss her mit dem G20-Format gleichzuziehen. China kann den Ton angeben und für seine Großprojekte um Mitarbeit und Unterstützung werben, mehr nicht. Es zählen seine Interessen und Initiativen mit Blick auf eine globale Sicherheitsarchitektur wie eine ebensolche Entwicklungsagenda.

Der Ukrainekrieg war der Elefant im Raum, der von Xi Jinping mit keinem Wort erwähnt wurde. Indiens Premier Narendra Modi hingegen missbilligte ihn unmissverständlich, was jedoch nichts daran änderte, dass nach außen hin Einvernehmen gewahrt wurde. Keine Frage, China, Indien und andere SCO-Staaten fürchten eine Eskalation und denken an ihre Interessen. In ökonomischer Hinsicht bleibt der Westen wichtiger als Russland. Wladimir Putin beeilte sich denn auch, zu versichern, er wolle den Krieg schnellstmöglich beenden. Er weiß genau, dass seine Partnerländer weder gewaltsame Annexionen noch die Gründung von Vasallenstaaten wie den Volksrepubliken Donezk und Luhansk gutheißen, geschweige denn anerkennen werden. Chinas „grenzenlose Freundschaft“ mit Russland hat Grenzen.

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