Falsche Spionageabwehr: Deutschlands Abschottungspolitik gegen Russen

Meinung Mit restriktiven Einreiseregeln und der Ablehnung von Asylanträgen versucht Deutschland, Russen abzuhalten. Grund dafür ist die Angst vor Spionen. Doch dieser Kurs beruht auf irrigen Annahmen von tatsächlichen Wegen in den Schengen-Raum
Russen benötigen ein Visum für die Einreise in den Schengen-Raum
Russen benötigen ein Visum für die Einreise in den Schengen-Raum

Foto: Imago/Itar-Tass

Die Bundesregierung gibt sich aktuell Mühe, die Anzahl der einreisenden und Asyl suchenden Russen zu begrenzen. Besuchervisa für Männer bei Verwandten und Freunden werden abgelehnt, da wegen der Mobilisierungen in Russland der Rückkehrwille nach Meinung der Konsulate infrage stünde. Asylanträge werden wiederum abgelehnt, unter anderem weil Mobilisierungen in Russland in nächster Zeit nach Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nicht sonderlich wahrscheinlich seien.

Dass sich beide Begründungen widersprechen, ist den deutschen Behörden bisher nicht so wichtig. Das Ergebnis ist stets das Gleiche – Deutschland schottet sich gegen russische Einreisen ab. Auch wenn die Politik noch im Herbst erklärt hatte, für russische Flüchtlinge, die nicht in den Krieg ziehen wollen, offen zu sein. Eine Begründung, die man von politischer Seite für dieses tatsächliche Verhalten nicht gerne nennt, spricht der Tagesspiegel in einem Beitrag offen aus: Man hat in Berlin Angst, dass Moskau über Besucher oder Asylberechtigte Agenten einschleusen wolle.

Die vor einem Kriegseinsatz fliehen

Dieses Ziel über restriktive Einreise- oder Anerkennungsbestimmungen für russische Staatsbürger zu regeln, bestraft jedoch zum einen pauschal eine große Zahl Unschuldiger für die Pläne weniger. Unschuldige, die die Verbindung zu ihren Kontakten im Westen halten wollen, Unschuldige, die vor dem Einsatz in einem Angriffskrieg fliehen. Oder um es anders auszudrücken: Russen, die in großer Mehrheit eben nicht mit der Invasion in ihrem Nachbarland Ukraine einverstanden sind. Der russische Massentourist ist dagegen schon längst auf andere Ziele wie die Türkei oder den Fernen Osten ausgewichen, wo es noch direkte Flugverbindungen gibt und Russen teilweise ganz ohne Visum gerne gesehen sind.

Zum anderen ist die Verweigerung von Asylanträgen oder die Streichung des Besuchs bei hier lebenden Geschwistern oder Kindern ein völlig untaugliches Mittel, das „Einsickern“ russischer Agenten zu verhindern. Denn in Russland sind durchaus Wege bekannt, das strenge deutsche Einreiseregime zu überwinden – sie stehen nur russischen Normalbürgern finanziell nicht zur Verfügung.

Auf Griechenland-Reise

So schreibt die russische Zeitung Vedomosti in einem Beitrag, dass die Konsulate von Spanien, Ungarn, Griechenland, Italien und Frankreich als die Adressen gelten, bei denen Russen am einfachsten ein Einreisevisum für den Schengen-Raum bekommen. Von dort aus könne man dann beliebig weiter reisen. Allerdings müsse man auch im betreffenden Land einreisen und eine Buchung vorweisen. Wer etwa eine komplett gebuchte Griechenland-Reise vorweise, bekomme als Tourist immer sein Visum, verspricht eine Reiseveranstalterin.

Das sind Möglichkeiten, die russischen Normalverdienern, für die schon umständliche Umsteigeflüge nach Mitteleuropa eine finanzielle Herausforderung sind, nicht offen stehen. Offen stehen sie reichen Russen und mit Sicherheit auch Personen, deren Einreise etwa von einem russischen Geheimdienst organisiert wird.

Spionageabwehr ist die Aufgabe deutscher Sicherheitsbehörden und dieser Aufgabe müssen sie auch nachkommen. Es muss durch das Verhalten von Reisenden festgestellt werden, ob sie für den angegebenen Zweck hier sind. Es darf nicht pauschal eine Verurteilung aufgrund einer bestimmten Staatsangehörigkeit erfolgen. Sonst stößt man die Russen ab, die trotz starken Drucks ihrer eigenen Obrigkeit das westliche Ausland eben nicht als reinen „Feind“ betrachten wollen.

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Geschrieben von

Roland Bathon

Journalist und Politblogger über Russland und Osteuropa /// www.journalismus.ru

Roland Bathon

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