Marokko: Nicht jeder ist es wert, uns zu helfen, lautete die Botschaft

Meinung Die marokkanische Regierung unterteilte nach dem massiven Erdbeben anfangs die sich anbietenden Helfer in Anhänger und Gegner ihrer Annexionspolitik in der Westsahara. Nicht alle durften sich so einschalten, wie das möglich gewesen wäre
Ausgabe 37/2023
Die Medina von Marrakesch, drei Tage nach dem wohl schwersten Erdbeben, das im marokkanischen Atlasgebirge je gemessen wurde.
Die Medina von Marrakesch, drei Tage nach dem wohl schwersten Erdbeben, das im marokkanischen Atlasgebirge je gemessen wurde.

Foto: Yoan Valat/Picture Alliance/EPA

Dies ist wohl das schwerste Erdbeben, das im marokkanischen Atlasgebirge je gemessen wurde. Spüren ließ sich die Erschütterung nicht nur im gesamten Norden des Landes, sondern bis Mauretanien und Algerien, sogar auf der Iberischen Halbinsel. Von Anfang an ist bei Naturkatastrophen dieses Ausmaßes höchste Eile geboten, um Menschen besonders in für Rettungskräfte schwer zugänglichen Gebirgsgegenden zu retten. In Marokko sind die Behausungen dort zumeist von Dorfgemeinschaften kollektiv errichtet worden. Dies geschieht mit bescheidenen traditionellen Materialien, die extremen Klimaschwankungen, nicht aber starken Schockwellen trotzen.

Obgleich schnell klar war, das Königreich braucht internationale Unterstützung, um das Unheil zu bewältigen, zeigte es sich wählerisch gegenüber den Hilfsangeboten aus dem Ausland. Akzeptiert wurde zunächst nur Beistand befreundeter Staaten, die – nachdem die USA und Israel 2021 die Hoheit Marokkos über die völkerrechtswidrig besetzte Westsahara anerkannt hatten – erklärten, dies ebenfalls zu erwägen. Es handelt sich um Spanien, Großbritannien, die Arabischen Emirate und Katar. Folglich wird Support aus EU-Ländern wie Deutschland, wo man sich noch an Beschlüsse hält, keine in der Westsahara produzierten Güter zu importieren, zunächst abgelehnt. Gelinde ausgedrückt, ein fragwürdiges Gebaren.

Algeriens Angebot und Marokkos Reaktion

Frei von Ressentiments agiert Nachbar Algerien, der wegen des Westsahara-Konflikts seit zwei Jahren alle Beziehungen mit Marokko suspendiert hat. Die Regierung in Algier öffnet umgehend den eigenen Luftraum, um internationale Hilfstransporte in die betroffene Region zu erleichtern. Druck aus der Bevölkerung dürfte es geschuldet sein, dass der marokkanische Justizminister Abdellatif Ouahbi am 11. September im Staatsfernsehen mitteilt, man nehme die aus Algerien kommenden Angebote offiziell an, spezialisierte Einheiten des Zivilschutzes, Suchtrupps mit Hunden, Ärzte und Hilfsgüter zur Versorgung Überlebender zu schicken. Und das sofort.

Damit bricht sich ein Pragmatismus Bahn, der in großen Teilen der marokkanischen Verwaltung längst verankert ist. Man weiß, durch wirksame internationale Katastrophenhilfe lässt sich punkten gegen die politische Verbohrtheit der monarchistischen Elite.

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