Dominoeffekt: In Gabun nutzen Militärs die Gunst der Stunde, um ihr Land neu auszurichten

Meinung In Gabun trägt der Sturz des Bongo-Clans ebenso antiimperialistische Züge wie die Regierungswechsel in Mali, Burkina Faso und Niger. Auch hier sehen sich die Männer der Tat einem Sturm der Entrüstung ausgesetzt – von der UNO bis zur EU
Menschen in Akanda feiern den Umsturz in Gabun
Menschen in Akanda feiern den Umsturz in Gabun

Foto: picture alliance/epa

Wieder ein Staatsstreich in Afrika. Und wieder in einer ehemaligen französischen Kolonie. Man kann nicht umhin, den mittlerweile siebten Umsturz in Westafrika seit 2020 als Folge eines sich verselbstständigenden Dominoeffekts zu betrachten. Während der Juli-Putsch in Niger scheinbar aus heiterem Himmel kam, erfolgte der Umsturz in äquatorialen Gabun am 30. August nach einer vier Tage zuvor stattgefundenen Wahlfarce, die ihresgleichen sucht.

Wahlfarce vom Feinsten

Für den gewünschten Präsidenten und einen Abgeordneten konnte man nur einmal auf demselben Wahlzettel abstimmen, weshalb die Stimme für den Abgeordneten gleichzeitig für den Präsidentschaftskandidaten seiner Partei zählte. Um Unruhen zu vermeiden, hatte der wegen eines Schlaganfalls jahrelang im Ausland behandelte Präsident Ali Bongo Ondimba nach der Abstimmung das Internet sperren und den Ausnahmezustand verhängen lassen. Das Ergebnis von 62,5 Prozent Zustimmung für Bongos Demokratische Partei wurde ohne Vorankündigung mitten in der Nacht zum 30. August im Radio bekanntgegeben und als endgültig dargestellt. Wenige Minuten später verkündeten hohe Militärs im Namen eines „Komitees für die Transition und die Rekonstruktion der Institutionen“, dass der bisherige Staatschef abgesetzt und die Wahl annulliert sei. Zugleich wurden die bestehenden Institutionen der Republik für aufgelöst erklärt.

Der Putsch ging von der direkt dem Präsidenten unterstellten Republikanischen Garde aus, womit sich eine gewisse Parallelität zu den Ereignissen in Niger am 26. Juli zeigt. Ihr Kommandeur, Brice Oligui Nguema, wurde von seiner Truppe im Triumph durch die Straßen der Hauptstadt Libreville getragen und von begeisterter Bevölkerung begrüßt. Er hat sich inzwischen zum Übergangspräsidenten erklären lassen. Inwieweit der bisherige Oppositionsführer, der Ökonomieprofessor Albert Ondo Ossa – er war Kandidat einer Koalition aus mehreren Parteien – in die sich abzeichnende Transition mit einbezogen werden soll, ist noch unklar.

Keine russischen Fahnen

Was Gabuner auf der Straße zum Ausdruck brachten, erinnerte an das, was Nigrer, Burkiner und Malier nach der Machtergreifung patriotischer Militärs in ihren Ländern äußerten: Frankreich solle sich aus Gabun zurückziehen – und zwar vollständig: militärisch und ökonomisch. Russische Fahnen allerdings waren in Libreville nicht zu sehen.

Gabun ist das am dünnsten besiedelte Land Afrika, große Teile sind von unbewohntem Regenwald bedeckt. Auf die 2,2 Millionen Einwohner kommen 60.000 Menschen europäischer Herkunft, die größtenteils in französischen Unternehmen arbeiten. Im Unterschied zu den Sahel-Staaten herrscht in Gabun keine Bedrohung durch islamistischen Terror. 65 Prozent der Menschen sind Christen, zwölf Prozent Muslime.

Der islamische Bongo-Clan stellt seit 1967 in diesem Land den Chef d'Etat. Auch Odimbas Sohn saß bereits in den Startlöchern für die Machtübernahme. Inzwischen wurde auch er unter Hausarrest gestellt. Verhaftet sind bis zur Stunde ebenso die Präsidentenberater, die Minister und das Spitzenpersonal von Bongos Partei. Gegen einige wurde bereits Anklage erhoben wegen Hochverrat, Korruption, Fälschung der Unterschrift des Präsidenten und Drogenhandel.

Souveränität vollenden

Gabun gehört nicht der ECOWAS an, seltsamerweise aber dem für ehemalige britische Kolonien konstruierten Commonwealth. Protestiert gegen den Putsch hat am vehementesten Frankreich, aber auch die Vereinten Nationen sowie die Afrikanische und die Europäische Union. Wie es nicht nur den Anschein hat, begann im Sahel und Zentralafrika eine neue antiimperialistische Revolution. Davon sind Länder erfasst, die in den frühen 1960er Jahren ohne lange, opferreiche Befreiungskämpfe in die Unabhängigkeit entlassen wurden. Ihre neuen Führungen sind offenkundig gewillt, ihre Souveränität endlich zu vollenden und neu auszurichten. Inwieweit das gelingt, ist noch nicht entschieden.

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