Hoffnung: Afrika nimmt seine Zukunft selbst in die Hand

Meinung Nach dem Putsch in Niger: Nesrine Malik analysiert die Putschserie in der Sahelzone und korrigiert ein paar falsche Eindrücke, die aktuell in den Medien kursieren
Ausgabe 33/2023
In Nigerias Hauptstadt Abuja fand das Treffen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS statt
In Nigerias Hauptstadt Abuja fand das Treffen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS statt

Foto: IMAGO/Focal Point Agency

Mittlerweile ist von einem „Putschgürtel“ die Rede, der entlang der Sahelzone quer durch Afrika verläuft. Jüngster Neuzugang ist Niger, wo am 10. August der demokratisch gewählte Präsident von einer Militärjunta abgesetzt wurde. Es war der neunte Putsch oder Putschversuch in West- und Zentralafrika seit 2020. Doch was auf den ersten Blick wie ein Rückfall Afrikas in die Herrschaft der Militärs aussieht, wie ein Niedergang demokratischer Kultur, ist in Wahrheit komplizierter. Und vielleicht sogar hoffnungsträchtiger, als es scheint.

Es hilft, zunächst ein paar falsche Eindrücke zu korrigieren. Viel wurde über die Aktivitäten Russlands, und vor allem der Wagner-Gruppe, in der Region berichtet. Aber Wagner-Söldner sind nur in einigen wenigen Ländern Afrikas wirklich vor Ort. Das Hauptanliegen der Gruppe ist eine Art Wirtschaftspiraterie: Partnerschaften mit Milizen und Regierungen, um Rohstoffe abzuschöpfen, Gold im Sudan, Öl in Libyen, Diamanten und Uran in der Zentralafrikanischen Republik.

„Ein Geschenk von Jewgeni Prigoschin“

Um diese Ziele zu erreichen, setzt Wagner nicht nur Feuerkraft ein, sondern auch die „soft power“ des russischen Staates. „Ein Geschenk von Jewgeni Prigoschin“ steht auf verteilten Lebensmittelpaketen mit Reis, Zucker und Linsen. So wird eher verständlich, warum in Niger Demonstranten den Putsch befürworteten, russische Fahnen schwenkten und „Nieder mit Frankreich“ riefen. Der Einfluss Wagners und Russlands soll nicht heruntergespielt werden, aber sie sind eher Ermöglicher als Verursacher der Staatsstreiche seit 2020. Ihre Anwesenheit provoziert die Aufmerksamkeit der USA und führt zu diplomatischen Verwicklungen, was den Eindruck verstärkt, es handle sich bei den Umstürzen um Stellvertretergefechte ausländischer Akteure. Dadurch wird aber die tatsächliche Dynamik vor Ort verschleiert.

Tatsächlich sind die Putsche größtenteils lokal bedingt und aus lokalen Ursachen verständlich. Wo der Staat schwach ist, Militärs und Paramilitärs aber stark, wo die Klimakrise die Lebensgrundlagen angreift und die demografische Entwicklung für eine Vielzahl junger Menschen die wirtschaftlichen Aussichten verschlechtert, führt das zu Verzweiflung und zum Gefühl, keine Handlungsfähigkeit zu haben: Das wiederum nutzen junge charismatische Umstürzler für ihre Zwecke.

Volksaufstand im Sudan

Das sollte nicht zur Schlussfolgerung führen, dass Teile Afrikas einfach zu derartigen Gewaltzyklen verdammt sind. Denn oft stehen neben strukturellen Problemen auch lokale Bemühungen um die Demokratie, die trotz der Rückfälle Bestand haben. Der abgesetzte Präsident in Niger kam 2021 in einer demokratischen Wahl an die Macht, dem ersten friedlichen Machtwechsel in Niger seit der Unabhängigkeit. Und im Sudan beendete ein Volksaufstand die 30-jährige Diktatur von Omar al-Baschir; die Forderungen nach einer zivilen Regierung wurden dort so stark, dass 2021 nur noch ein Putschversuch sie ersticken konnte.

Putsche gehen auch nicht mehr als „business as usual“ durch, das zeigt die Reaktion der ECOWAS. Die Organisation drohte sogar mit militärischen Maßnahmen, falls der Coup in Niger nicht rückgängig gemacht wird.

Man wird sehen, wie es ausgeht, aber: Der Staatsstreich könnte auch den Weg in eine Zukunft weisen, in der über die Stabilität Afrikas nicht im Pentagon oder sonst wo entschieden wird, sondern vor Ort, von Afrikanern, zu ihren eigenen Bedingungen und durch ihre eigenen Mechanismen.

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