Das 49-Euro-Ticket ändert nichts – es ist zu teuer

Meinung Ein paar Vor-Corona-Abonennten zurückgewonnen, aber in Sachen Mobilitätswende ein Riesenflop: Und mit der Sparpartei FDP wird es beim 49-Euro-Ticket wohl kaum besser werden
Ausgabe 33/2023
Kurz schien die Mobilitätswende in greifbarer Nähe – jetzt wieder Lichtjahre entfernt
Kurz schien die Mobilitätswende in greifbarer Nähe – jetzt wieder Lichtjahre entfernt

Foto: IMAGO/serienlicht

Neulich in Brandenburg, mein Busfahrer hat es längst verstanden: Ob ich ein „49-Euro-Ticket“ habe, fragte er mich beim Einsteigen. (Der Scanner im Bus erkennt ein 49-Euro-Ticket immer erst mit großer Verzögerung.)

Die offizielle Bezeichnung „Deutschlandticket“ verwendet nur, wer nichts dagegen hat, dass das Ticket bald schon viel teurer wird. Die Regierung hat sie auch gewählt, um beim Preis flexibel zu bleiben. Mit Volker Wissing besetzt die FDP das Bundesverkehrsministerium – und deren Steuerentlastungspläne für Reiche wird wohl irgendjemand gegenfinanzieren. Wir sollten darum alle zunächst „49-Euro-Ticket“ sagen, eine rhetorische Grenze nach oben setzen. Aber eigentlich sind 49 Euro viel zu teuer.

Weniger Fahrgäste als vor Corona

Natürlich habe ich dem Busfahrer mit „Ja“ geantwortet, ich habe ein 49-Euro-Ticket, ich bin der typische der nur rund elf Millionen Inhaber: Ich lebe in der Stadt, besitze kein Auto, hatte schon zuvor eine Monatskarte, bezahlt vom Arbeitgeber, der dadurch eh einen steuerlichen Vorteil erlangt und dank dem 49-Euro-Ticket 17,90 Euro im Vergleich zu früher spart.

Der Verkehrsforscher Andreas Knie hat in Deutschlandfunk wie Tagesthemen der Republik gerade den bitteren Erkenntnisstand in Sachen 49-Euro-Ticket verklickert: Es ist deswegen kaum jemand aus dem Auto aus- und in Zug, Bus oder Tram eingestiegen; die allermeisten Käufer hatten schon zuvor ein Abo, und es ist sicher gut, dass sie dafür nun weniger zahlen und ganz Deutschland befahren dürfen; doch den öffentlichen Personennahverkehr nutzen heute immer noch weniger Menschen als vor Beginn der Corona-Maßnahmen; wer nach 2019 ein Abo kündigte, ist jetzt oft dank 49-Euro-Ticket zurückgekehrt, daher die vermeldeten Fahrgast-Zuwachszahlen der Verkehrsbetriebe. Immerhin.

Die Wissenschaft empfiehlt 29 Euro als Preis

Wissen Sie noch, wie viele Neun-Euro-Tickets in jenen drei engen, aber darum aufregenden Monaten des Jahres 2022 verkauft wurden? 62 Millionen. Gegenüber rund elf Millionen jetzt. Das 49-Euro-Ticket ist ein Flop, so praktisch es sich auch anfühlt, selbst damit zu fahren.

Es ist einfach zu teuer. Die Wissenschaft kenne, so Knie, die magische Marke: 29 Euro – plus massive Investitionen in die Infrastruktur und „On-Demand“-Service zum nächsten Bahnhof im ländlichen Raum. Die Sparpartei FDP wird hier wohl kaum der Wissenschaft folgen.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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