Winter adé

Bayern Bei der kommenden Landtagswahl wird die CSU wohl ihre Vormachtstellung im Freistaat verlieren. Dafür haben Generationen von Bayern gekämpft. Ein Grund zur Freude
Ausgabe 41/2018
Eine schlechte Wohnungsmarktpolitik, Hetze gegen Migranten und das Gepolter im Bund haben der CSU nicht geholfen
Eine schlechte Wohnungsmarktpolitik, Hetze gegen Migranten und das Gepolter im Bund haben der CSU nicht geholfen

Foto: imago/Ralph Peters

Der bayrische Liedermacher Hans Söllner hat gerade ein neues Lied geschrieben, sein Refrain lautet: „Du scheiß Rassist, schau dass di schleichst. / Du scheiß Rassist, schau dass di schleichst. / Des is mei Heimat /und ned dei Reich.“ Anti-Rassismus mit Verweis auf die „Heimat“: In Bayern tun sie sich damit nicht schwer, und das ist wohl ein Grund dafür, dass sie dort zuletzt eine Demo nach der anderen mit Zehntausenden organisiert haben, während anderswo der Rechtsruck noch lähmt. Darum winkt nun ein Freudentag, den auch ein Einzug der AfD in den Landtag nicht verderben wird.

Aller Voraussicht nach wird die CSU ihre Vormachtstellung im Freistaat endlich verlieren; Generationen von Bayern haben davon geträumt, dafür gekämpft. „Bayern gleich CSU“ – diese Zeiten seien vorbei, sagte schon 2011 die damalige Grünen-Fraktionschefin im Landtag, Margarete Bause, dem Freitag. Da hatte die Partei gerade ihren ersten „Heimatkongress“ veranstaltet. Offener, vielfältiger, demokratischer und ökologischer sei Bayern heute, sagte Bause, „stolz“ sei sie daher auf ihr Land. „Durch unsere politische Arbeit haben wir uns in unserem eigenen Land beheimatet.“

Freilich, es ist nicht allein das Verdienst der Grünen, dass aus Bayern innerhalb von 30 Jahren ein anderes wurde. Die Transformation vom Agrar- zum Industrie- zum Hochtechnologie-Land unter CSU-Regentschaft hat Menschen aus anderen Bundesländern, aus aller Welt gen Süden gelockt. Und die haben weder weiß-blaue Dankbarkeit gegenüber den Schwarzen mit der Muttermilch aufgesogen noch gehen sie unbedingt am Sonntag in die Kirche.

Die CSU ist diesem selbst entfachten Wandel nicht hinterhergekommen, sie ist sogar so tief gesunken, dass nun selbst viele Kirchengänger für andere Parteien stimmen. Wenn mit der CSU die letzte große Volkspartei auf Durchschnitt schrumpft, dann insbesondere, weil sie zuletzt nicht mehr vermochte, die Bayern auch in einer Welt, die sich rasant wandelt, zu beheimaten.

Auf die massiven Folgen steigender Migration meinte sie mit übler Hetze antworten zu müssen, obwohl Staat und Zivilgesellschaft diese Folgen in Bayern besser bearbeiteten als in manch anderem Bundesland. Wohnungsnot ist im Freistaat genauso ein Thema wie überall in Deutschland – 33.000 landeseigene Wohnungen hat die CSU noch 2013 privatisieren lassen. Ihr heutiger Ministerpräsident Markus Söder war dabei ebenso federführend wie bei der Lockerung des Anbindegebots, das eigentlich die Zersiedelung der Landschaft durch neue Gewerbegebiete bremsen soll. Ein Volksbegehren gegen diesen Flächenfraß hielt der CSU nur ein Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom Leib. Doch das nächste Volksbegehren mit mehr als 100.000 Unterschriften ist eingereicht, diesmal gegen den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern. Mitinitiator ist der Landesverband der Linkspartei, der seine Mitgliederzahl in den vergangenen anderthalb Jahren um fast 1.500 steigern konnte. Die Linke kratzt jetzt an der Pforte zum Maximilianeum.

Ihr Einzug in den Landtag wäre gut. Nicht, weil eine Koalition gegen die CSU aus Linken, Grünen, SPD, Freien Wählern und FDP realistisch ist. Vielmehr, weil die Grünen aufs Regieren brennen und Söder mit ihnen noch nie ein großes Problem hatte; Schwarz-Grün bräuchte ebenso eine soziale Opposition wie ein Bündnis aus CSU, Freien Wählern und FDP. Allein schon, um die CSU in dieser neuen Ära so sehr mit Landespolitik zu beschäftigen, dass ihr für Einflussnahme im Bund nicht mehr der Atem reicht.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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