Brutaler Angriff auf Pro-Palästina-Camp an US-Universität: „Es war erschreckend“

UCLA Auf dem Campus der University of California UCLA wurde in der Nacht auf den 1. Mai ein Gaza-Protestcamp von Maskierten gewalttätig angegriffen. Die Vorwürfe der Studierenden: Sicherheitsdienst und Polizei sollen tatenlos zugesehen haben
Pro-palästinensische Protester verschanzen sich in der Nacht zum 1. Mai hinter ihren Barrikaden
Pro-palästinensische Protester verschanzen sich in der Nacht zum 1. Mai hinter ihren Barrikaden

Foto: Jill Connelly/ZUMA Wire/Imago Images

Als Meghna Nair, Studentin im zweiten Studienjahr an der University of California, Los Angeles, am späten Dienstagabend eine maskierte Gruppe von Menschen auf das Pro-Palästina-Lager auf dem Campus zugehen sah, erwartete sie Ärger. „Ich wusste, wohin sie gehen würden. Ich ahnte, was sie vorhatten“, sagte sie. „Ich wusste nicht, was ich tun sollte.“

Doch die Gewalt, die sich in der Nacht zum 1. Mai auf dem Campus der öffentlichen Universität entlud, und die langsame Reaktion der Behörden darauf schockierten Nair und andere UCLA-Studenten.

Am späten Dienstagabend umzingelte eine Gruppe Maskierter das Protestcamp für die Solidarität mit Gaza, warf Feuerwerkskörper und griff Studenten gewaltsam an. Studierende und Reporter*innen mehrerer Medien berichteten, dass sich die Sicherheitskräfte der Universität in nahe gelegenen Gebäuden einschlossen und auch die Polizei stundenlang zusah, bevor sie eingriff.

Die UCLA sagte am Mittwoch alle Vorlesungen ab, und mit Ausnahme des zentralen Versammlungsbereichs war der sonst so belebte Campus weitgehend verlassen. Ein Hubschrauber schwebte den ganzen Vormittag über dem Gelände, während Gruppen von Sicherheitskräften und Ordnungskräften um das abgesperrte Protestcamp herum standen. Die Studierenden gingen langsamer, als sie die Barrikaden passierten, und nahmen die Szene in Augenschein.

Noah, ein Jurastudent, sagte, er sei entsetzt über die Gewalt, die er mit einem Kampf, einer Schlacht verglicht. „Dies ist für mich heiliger Boden“, sagte er und deutete auf die große Rasenfläche und die stattlichen Backsteingebäude der Universität. „Es erinnerte mich an den 6. Januar. Es war erschreckend.“

Jüdische Studierende berichten von Antisemitismus

An der UCLA, wie auch an anderen Universitäten des Landes, gab es anhaltende Proteste gegen den Krieg in Gaza. Nair sagte, die Demonstrationen an der UCLA seien weitgehend friedlich verlaufen, als sie letzte Woche dort war, kurz nach der Errichtung des Protestcamps. „Es war wunderschön. Es war wirklich erstaunlich zu sehen, wie so viele junge Menschen ganz von selbst zusammenkamen“, so Nair. „Die Menge an Unterstützung und Leidenschaft, die sie hatten, war einfach überwältigend.“

Doch die Spannungen auf dem Campus hatten zugenommen, so erzählen die Studierenden. Jüdische Studenten berichteten, dass sie sich unsicher fühlten, und bezeichneten manches Verhalten der Demonstrierenden als antisemitisch.

„Es herrschte absolutes Chaos und eine tiefe Polarisierung“, so beschreibt es Logan Cyr, ein Jurastudent der UCLA. „Alle sind tief politisiert, die Spaltung ist groß.“ Cyr sagte, er sei in den letzten Tagen auf dem Campus mit Antisemitismus konfrontiert worden und viele Leute seien frustriert, dass die Universität die Proteste so weiterlaufen lasse.

Am Wochenende dann strömten Tausende pro-palästinensische und pro-israelische Demonstrant*innen auf den Campus, und am Sonntag gerieten mehrere Gruppen von ihnen aneinander. Auf Videos war zu sehen, wie sich Menschen gegenseitig anschrieen und schubsten. Einige Demonstrierende versuchten, eine Absperrung zwischen den zwei Lagern zu durchbrechen.

Auf dem Campus schlugen sie mit Stöcken aufeinander ein

Daniel Harris, Student im vierten Studienjahr, sagte, er habe die Demonstrationen am Dienstagabend beobachtet, nachdem der Kanzler der Universität das Lager als „rechtswidrig“ bezeichnet hatte. Er beobachtete, wie die Spannungen erneut zunahmen. Die Gegendemonstranten benutzten Lautsprecher, um Aufnahmen eines weinenden Kindes lautstark abzuspielen. Ein Vermummter versuchte, den Zaun um das Lager zu überwinden, wurde aber von den Sicherheitskräften vertrieben.

Kurz darauf wurde Harris Zeuge, wie eine große Gruppe schwarz gekleideter Menschen mit weißen Masken, die laut seiner Beschreibung wie aus dem Horrorfilm The Purge aussahen, auf das Lager zu marschierte. „Ich telefonierte mit meiner Freundin und fragte mich: ,What the fuck, was passiert hier gerade? Was zum Teufel?‘ So etwas habe ich noch nie im echten Leben gesehen. So etwas passiert nur in Filmen.“

Nachdem Daniel Harris gegangen war, sah er Aufnahmen derselben Demonstranten, die die Barrikade durchbrachen und auf Demonstrierende im Lager einschlugen. Auf dem Video war zu sehen, wie die Menschen sich gegenseitig angriffen, Stühle warfen und mit Stöcken aufeinander einschlugen. Die Gewalt entfaltete sich stundenlang, ohne dass die Polizei oder das Sicherheitspersonal eingriff, berichteten die Medien.

Wo war die Polizei?

„Sie haben es einfach geschehen lassen. Die Studierenden mussten sich selbst schützen“, sagte Meghna Nair.

Die Polizeibehörde von Los Angeles verwies Fragen zu dem Angriff an die Campus-Polizei der UCLA, die nach Angaben eines Sprechers die „federführende Behörde“ in diesem Fall sei. Die Campus-Polizei hat sich noch nicht geäußert. Der Kanzler der UCLA sagte, die Universität sammle „Informationen“ über den Angriff, und die Ermittlungen könnten zu „Verhaftungen, Ausschlüssen und Entlassungen“ führen.

Meghna Nair ist bestürzt über die Angriffe auf die protestierenden Student*innen, die sie mutig findet, weil sie für ihre Überzeugungen einstehen und sich für die Palästinenser einsetzen. „Sie haben nicht damit angefangen. Dies war ein friedlicher Protest“, sagte sie. „Diese Leute von letzter Nacht erschienen mir als random Leute, die von außen auf unseren Campus kamen, erwachsene Menschen, und sie begannen, die Kids hier anzugreifen.“

Auch Cyr glaubt, dass die Gruppe, die auf den Campus kam, nichts mit den Pro-Israel-Demonstrierenden an der Universität zu tun habe, und dass sie gekommen sei, um das Chaos auf dem Campus auszunutzen. „Es gibt so viel Frustration unter den Studierenden, dass die Universität das Protestcamp zulässt“, sagte er. „Aber ich kann diese Art von Gewalt nicht rechtfertigen.“

Noah, der Jurastudent an der UCLA, sagte, er sei nicht zufrieden mit dem Umgang der UCLA mit dem Protestcamp. Nach der Gewalt in dieser Woche erwarte er jedoch größere Konflikte unter den Studierenden. „Die Campus-Gemeinschaft ist wirklich zersplittert – und das wird die Spaltung jetzt nur noch vergrößern“, sagte er.

Update: Das Protestcamp auf dem Campus der UCLA wurde am 2. Mai von der Polizei geräumt.

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Geschrieben von

Dani Anguiano | The Guardian

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