Wahlwiederholung in Berlin: Wenn die Sahra mit dem Gregor ...

Meinung Die Karlsruher Verfassungsrichter könnten Berlin demnächst ins Jahr 2021 zurückbeamen. Die Linke müsste sich dann wiedervereinen. Und auch sonst wäre der Fairness halber viel zu vergessen
Ausgabe 50/2023
Selbstdiszipliniert wählen, heißt fair wählen
Selbstdiszipliniert wählen, heißt fair wählen

Foto: Sascha Schuermann/AFP/Getty Images

Ob Nahverkehr, ob Schulen oder das unterdiskutierte Spielplatzsterben: Die kaputtgesparte Hauptstadt verlangt ja stets viel Selbstdisziplin. Das ist gut, denn so trifft die Herausforderung keine Ungeübten, deren genaues Ausmaß das Bundesverfassungsgericht am 19. Dezember verkünden wird: die Teilwiederholung der Bundestagswahl 2021 in Berlin.

Nimmt man nämlich den Demokratiegedanken halbwegs ernst, ist eine solche Wiederholungswahl ein Ding fast der Unmöglichkeit. Klar ist das legal, wenn die Rotroben das sagen, schließlich sind die das Gesetz. Aber ist das auch fair gegenüber dem Rest der Republik?

Die Wiederholung der Landeswahl im Februar 2023 ist keine Präzedenz. Sie war de facto eine Neuwahl und betraf nur Berlin. Nun aber darf das Land eine laufende Legislatur kommentieren – mit zwei Jahren Ampelerfahrung, die den anderen beim Wählen fehlte. Sind nicht die Urnenzeiten sonst bundesweit deswegen so strikt einheitlich, damit nicht bereits bekannte Hochrechnungen in letzter Minute Leute an die Urne treiben, die sonst zu Hause geblieben wären?

Vergessen Sie Gaza und die Ukraine!

Hier kommt die Selbstdisziplin ins Spiel: Die Fairness gegenüber der Republik gebietet es Berlins Wahlberechtigten, wieder so abzustimmen, wie sie es 2021 getan haben – oder hätten, wenn sie drangekommen wären. Im Sinne des Demokratiegedankens sind sie also aufgefordert, späteres Wissen zu vergessen. Dieses Wählen à la 2021 ist schwierig, aber möglich! Man verzichte auf News, nichts mit Gaza oder Ukraine, tauche ab in den Sommer 2021 und rekonstruiere, worüber man sich damals aufregte – wohl irgendwas mit Corona und Impfen.

Gleichfalls gilt das für die Parteien. Egal, wo wiederholt werden muss und ob Direktmandate infrage stehen: Sie haben aufzutreten wie 2021 – zumal natürlich die Partei, die sich seither zerlegt hat: Wir wollen Sahra Wagenknecht, Gregor Gysi und Co. im gemeinsamen Kampf für Die Linke sehen!

Das gebietet neben der Demokratie auch die Parteiräson – für beide Seiten könnten schon kleinere Verschiebungen große Wirkungen haben. Beanstandet wird schon bisher ja auch der Gysi-Wahlkreis, der beiden Gruppen in den Bundestag half. Und dann gibt’s ja auch noch die Inhalte, jene Schulen, die kaputte öffentliche Infrastruktur. Das ist ja beiden Seiten furchtbar wichtig. Oder etwa nicht?

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Geschrieben von

Velten Schäfer

Redakteur „Debatte“

Velten Schäfer studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Afrikanistik in Berlin und promovierte in Oldenburg mit einer sportsoziologischen Arbeit. Nach einem Volontariat bei der Tageszeitung neues deutschland arbeitete er zunächst als freier Journalist. 2014 wurde er erst innenpolitischer und dann Wissenschaftsredakteur beim neuen deutschland. Anfang 2021 kam er zum Freitag, wo er sich seither im Debattenteil als Autor und Redakteur mit Fragen von Zeitgeist und Zeitgeschehen befasst.

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