Mexiko: Claudia Sheinbaum will die erste Präsidentin des Landes werden

Präsidentenwahl Sechs Jahre lang hatten der Kampf gegen Korruption und Drogenkartelle im Staat Priorität. Das soll so bleiben: Claudia Sheinbaum tritt an, um als mexikanische Präsidentin das Reformwerk ihres Vorgängers Manuel López Obrador fortzuschreiben
Ausgabe 15/2024
Sie führt aktuell in den Umfragen: Claudia Sheinbaum
Sie führt aktuell in den Umfragen: Claudia Sheinbaum

Foto: Carl de Souza/Getty Images

Auf den Straßen Plakate, auf Brücken fahnenschwingende Demonstranten, dazu Riesenfotos an Hauswänden. Auf den Titelseiten der Zeitungen ist ein Name allgegenwärtig: Claudia Sheinbaum, Kandidatin für die Nachfolge des mexikanischen Präsidenten Manuel López Obrador, wenn am 2. Juni ein neuer Staatschef gewählt wird. Mit ihr und dem Bündnis „Sigamos haciendo Historia“ (Weiter Geschichte machen), dem u.a. die Arbeiterpartei (PT) und die Partei der ökologischen Grünen (PVEM) angehören, verbindet sich der Wahlslogan „Zuerst die Armen“. Sheinbaum führt in den Umfragen mit mehr als 30 Prozent Abstand zu Xóchitl Gálvez, dem Bewerber einer Oppositionsallianz mit der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI). Man reibt sich die Augen, wie wenig von einer Formation übrig geblieben ist, die über 70 Jahre lang als „Einheitspartei“ Mexiko fest im Griff hatte.

Hohe Zustimmungswerte für López Obrador

Die Mexikaner erwarten von Sheinbaum eine Fortsetzung der von López Obrador betriebenen Reformen. Die Zustimmungswerte dazu sind während seiner sechsjähriger Amtszeit auf 79 Prozent gestiegen. Die Hoffnungen eines Taxifahrers, dem ich kurz vor den Wahlen von 2018 begegnete, haben sich anscheinend erfüllt. Ein Indiz dafür, welchen Wandel der scheidende Präsident bewirkt hat, ist allein schon die Tatsache, dass sich eine Kandidatin um das höchste Staatsamt bewirbt. Und das in Mexiko, eine Hochburg des Machismus.

Diesmal ist es kein Taxifahrer, sondern ein pensionierter Lehrer, der mir in einer Ortschaft auf der Halbinsel Yucatán vom leichteren Leben einfacher Leute erzählt. So hat sich der Mindestlohn verdoppelt, sind die Renten an den Inflationsindex gekoppelt, gibt es einen konsequenten Kampf gegen die Korruption. Unter dem Staatschef Ernesto Zedillo (1994 – 2000) war die Rente auf 25 Prozent des letzten Einkommens abgesenkt worden, wovon man im Schnitt nur noch sechs statt fünfzig Kilogramm Tortilla kaufen konnte. Die in der Verfassung von 1917 festgelegten Reformen waren in der Hochzeit einer neoliberalen Politik systematisch zurückgefahren worden. Das galt für die Landreform ebenso wie den Acht-Stunden-Tag, die Nationalisierung von Schlüsselsektoren der Wirtschaft und die Unabhängigkeit der Justiz.

Rekordverdächtige Mordrate

López Obrador spricht von fünf Millionen Mexikanern, die während seiner Präsidentschaft von der Armut befreit worden seien, und von einem Wirtschaftswachstum, das man Megaprojekten verdanke wie dem „Tren de Maya“, der mittels einer 1.500 Kilometer langen Bahnstrecke das Siedlungsgebiet der indigenen Maya erschließen soll. Und wie ist erst die Arbeitslosigkeit durch legale Beschäftigung – keine im informellen Sektor – gesenkt worden. Bei Reisen durchs Land sieht man Brigaden von Arbeitern bei 40 Grad im Schatten für Projekte des Hoch- und Tiefbaus schuften.

Dabei kann – wie man seinen Lebensunterhalt bestreitet – zu einem überraschenden Mix von Tätigkeiten führen. Nur ein Beispiel: Ein Bekannter mit akademischem Abschluss arbeitet als Journalist für eine kleine Zeitung, betreibt nebenher einen Waschsalon und außerhalb der Stadt eine Ranch mit Rindern, von denen er ab und zu eines verkauft. Und er repariert Autos.

Gegen die Bestechlichkeit der Justiz

Bei Auflistung der erreichten Fortschritte kommt natürlich die Frage: Was ist mit der Gewaltkriminalität, die größtenteils auf das Konto der Drogenkartelle geht? López Obradors Vorgänger Peña Nieto beendete seine Präsidentschaft mit einer rekordverdächtigen Mordrate. Durch den Einsatz von Polizei und Militär war das Problem schwerlich zu lösen, da korruptes Staatspersonal mit den Drogenkartellen zu kollaborieren pflegt. Priorität hatte daher zuletzt die Korruptionsabwehr, sodass sich die Gewaltkurve inzwischen nach unten bewegt hat. Freilich bleibt eine dauerhafte Lösung ohne stark verminderten Drogenkonsum in den USA unmöglich. Mexiko ist Transitland für diesen Markt.

López Obrador hatte die Notwendigkeit von Antikorruptionsmaßnahmen schon als Regierungschef des Bundesdistrikts Mexiko-Stadt zwischen 2000 und 2005 erkannt. Er entließ seinerzeit einen Teil des Polizeiapparats und verband Neueinstellungen mit rigoroser Überprüfung. Um Bestechlichkeit begegnen zu können, muss die Justiz einbezogen sein, was bisher am Verfassungsgericht gescheitert ist. Es ließ nicht zu, dass Oberste Richter, wenn sie berufen werden, durch das Parlament bestätigt sein müssen. Ob sich das ändert – daran muss sich Reformpolitik messen lassen, wird sie weitere sechs Jahre fortgesetzt.

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