Smart überstimmt – ein Update

Algorithmen Bündnis 90/die Grünen haben sich als erste deutsche Partei verpflichtet, im Wahlkampf keine Social-Bots einzusetzen

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Erfreulich, dass wenigstens Bündnis 90/die Grünen konsequent die Bremse gezogen haben. Ihre Selbstverpflichtung, keine Social-Bots im Bundestagswahlkampf einzusetzen, wäre beispielgebend. Die Gründe sind bekannt und im Beschluss des Bundesvorstands vom 13.2. zutreffend benannt: "Mit Hilfe von technischen Möglichkeiten wie Meinungsrobotern (Social Bots) wird oft vorgetäuscht, dass Positionen von Menschen geteilt werden. In Wirklichkeit nutzen aber einige wenige technisches Wissen und Algorithmen, um Zuspruch vieler zur eigenen Meinung vorzutäuschen und Inhalte weit im Netz zu streuen." Der Vorstoß gilt dem Kampf gegen "intransparente Beeinflussung demokratischer Willensbildungsprozesse".

Werden andere Parteien damit unter Zugzwang gesetzt, wie es Markus Reuter für netzpolitik.org hofft? Ich bin skeptisch. Das liegt nicht nur an Personen, die mit der Algorithmisierung aufgewachsen sind und sozialisiert wurden wie die von mir -> im Vorgängerbeitrag zitierte Jenna Behrends. Wer sich wie die CDU-Nachwuchspolitikerin "Gegenbots" wünscht statt der Intransparenz selbst an die Wurzel zu gehen, dürfte bereits aufgesteckt haben; ob aus Parteiräson oder Gründen persönlicher Planlosigkeit, sei dahingestellt. Und es liegt mE. auch nicht daran, dass in der Debatte um die Robotisierung immer wieder Zweifel zum Tragen kommen, ob und in welchem Ausmaß Bots tatsächlich in der Lage sind, Entscheidungen u.a. von Wählern zu beeinflussen.

Meine Skepsis gründet sich auf der "Machtbesessenheit und Machtvergessenheit" der Parteien, die Richard von Weizsäcker mehr als nur einmal angesprochen hat. Dabei ist vielen bewusst, dass der Mann auch nur mit der Protektion der CDU in die Positionen gelangte, die er zwischen Berlin und Bonn bekleidet hat.

Das hindert nicht daran, etliche Jahre später die Richtigkeit seiner Worte zu erwägen, wie es unlängst Daniela Dahn in der Wochenzeitung der Freitag getan hat ("Oberhaupt der Mächtigen"): Wäre es etwa so, dass die damals wie jetzt beklagte "Distanz zwischen Parteien und Bevölkerung" alleine schon durch den Einsatz der unpersönlichen "Stimme" der Algorithmen erst recht vergrößert wird? Anders gefragt: Ist dafür der Einsatz von physischen Personen: zu teuer, zu aufwändig, zu unsicher? Oder, um einen seinerzeitigen Essay aus der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung auf heute anzuwenden ("Über den Parteien"): "Alle gesellschaftlichen Einrichtungen sind parteienverseucht", nur dass es eben jetzt nicht nur "bis hin zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk" reichen würde, sondern in "Social"-Media hinein, die sich mit smarter Technik zum paradigmatischen "Polit"-Medium mausern.

Die sich als "Alternative" präsentierende AfD wird davon wohl kaum eine Ausnahme machen. Abgesehen davon, dass sie an diese Futtertröge der Macht erst heran will, ist ihre Vision vom Volk die, die schon des Duce war. Benito Mussolini verglich 1944 das Volk mit einem Esel, den es mit Stock oder Möhre zu traktieren gelte. Die Freund-/Feindstellung der AfD -Zwischentöne gibt es da nicht- entspricht dem binären 0 und 1, ihre Patentlösungen zu allen Fragen unserer Zeit erschöpfen sich in einem "if >then". Solche Bots lassen sich bekanntlich am leichtesten programmieren. So jedenfalls lesen sich selbst die eindeutig identifizierbaren Einträge bei Facebook & Co..

Der Vorstoß von Bündnis 90/die Grünen sollte ein Signal vor allem an die SPD sein. Die Sozialdemokraten haben sich entschieden, auf das Charisma der Person Martin Schulz zu setzen. Einen charismatischen Bot haben sie meines Wissens noch nicht erfunden.

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Geschrieben von

ed2murrow

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ed2murrow

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