Andrej Hermlin, der Vorstand der Linkspartei und die Hamas

Zorn Andrej Hermlin ist ein großartiger Pianist. Jetzt hat er seinen Austritt aus der Linkspartei angedroht – wegen des Beschlusses von deren Vorstand zur Gewalt in Israel und Palästina
Ausgabe 42/2023
Andrej Hermlin gibt mit seinem Swing-Orchester Konzerte in aller Welt. Sein Vater ist der Schriftsteller Stephan Hermlin.
Andrej Hermlin gibt mit seinem Swing-Orchester Konzerte in aller Welt. Sein Vater ist der Schriftsteller Stephan Hermlin.

Foto: picture alliance/Caro/Ponizak

Sucht und Ordnung

Die Kolumne „Sucht und Ordnung“ von Karsten Krampitzerscheint einmal im Monat. Ihr Titel geht auf sein gleichnamiges Theaterstück zurück, eine „Bettleroper“, die 2014 beim Klagenfurter Ensemble Premiere feierte. Karsten Krampitz ist Historiker, Schriftsteller und Journalist.

Andrej Hermlin mag ein ausgezeichneter Musiker sein, der mit seinem Swing-Orchester Konzerte in aller Welt gibt, aber er ist kein Intellektueller, ungeachtet seiner vielen Wortmeldungen in sozialen Medien. Nun prangerte der jüngste Sohn des DDR-Schriftstellers Stephan Hermlin den Vorstand der Linkspartei an, der Israel vor dem Einsatz des Militärs warne. Die Parteispitze relativiere den Genozid an den Juden mit dem Hinweis auf die Besatzungspolitik Israels, „obwohl jeder halbwegs Gebildete weiß, dass das israelische Militär Gaza schon vor fast 20 Jahren verlassen hat und die Lebensbedingungen der dortigen Bevölkerung in erster Linie auf die Diktatur des korrupten Hamas-Regimes zurückzuführen sind“. Hermlin droht mit Parteiaustritt.

Der Vorstandsbeschluss vom 11. Oktober

Vielleicht sollte er sich den Vorstandsbeschluss vom 11. Oktober nochmal in Ruhe durchlesen: „Wir verurteilen die entsetzlichen Terror-Angriffe der Hamas auf Israel, bei denen über 1.200 Menschen getötet wurden, aufs Schärfste. Die zahlreichen Morde, der massive Raketenbeschuss und die Berichte über Entführungen sind schockierend. Das barbarische Massaker, dem 260 Teilnehmer*innen eines Musikfestivals zum Opfer fielen, ist ein Akt der Grausamkeit. In einem Kibbuz sind mehr als 100 Todesopfer geborgen worden. Immer noch werden weitere Leichen gefunden. Wir sind in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen, und hoffen inständig, dass die Entführten bald wieder in Freiheit sind. Das erklärte Ziel der Hamas ist die Zerstörung Israels und die Errichtung einer islamistischen Diktatur in Palästina. Unterstützt wird sie dabei von dem iranischen Regime, das mit brutaler Gewalt gegen die feministisch geführte Revolution im Iran vorgeht. Wir verurteilen den Antisemitismus und die Taten der Hamas. Es gibt keine Rechtfertigung für die Morde und Entführungen, für Angriffe auf die Zivilbevölkerung. Aus der Geschichte des Holocaust, des Antisemitismus ist der Staat Israel eine historische Notwendigkeit, die niemals zur Debatte steht. Wir werden weiter jedem Antisemitismus hier entgegentreten, im Land der Täter. Das bleibt unsere Verantwortung, gerade in diesen Zeiten …“

Für den Zorn des Pianisten sorgt nun folgende Formulierung derselben Erklärung: „Es droht eine massive Welle militärischer Gewalt und Angriffe, unter der in erster Linie die Zivilbevölkerung leidet.“

Der Mörder hat sich im Haus versteckt, also brennen wir das Haus nieder – ist eine Logik, die zu kritisieren absolut legitim ist, weil sich in dem Haus womöglich noch andere Menschen aufhalten. Und der Satz, dass sich „diese Spirale der Gewalt immer weiterdreht, liegt im Interesse der Hamas“, entspricht der Wahrheit.

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Geschrieben von

Karsten Krampitz

Historiker, Schriftsteller

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