Autoschutz statt Klimaschutz: FDP sabotiert Emissionsbremse

Meinung Die Ampel erteilt dem Verkehrsministerium eine Sondergenehmigung für Emissionen. Vorausgegangen war eine gezielte FDP-Panikattacke mit angeblich drohenden Fahrverboten. Erstes Opfer der liberalen Klimaschutzverbotspolitik: Gedankenfreiheit
Freie Fahrt für Klimaschutzblockierer
Freie Fahrt für Klimaschutzblockierer

Carsten Koall / picture alliance / dpa:

Wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen reagierte die bundesdeutsche Öffentlichkeit auf des Verkehrsministers Drohung mit Fahrverboten. Undenkbar, dass einer seinen Dienst-, Zweit- oder Drittwagen mal stehenlassen müsste! Obwohl die da oben ohnehin eine Sonderfahrgenehmigung bekämen. Nur das Volk, das müsste leider aufs Autofahren verzichten. Da würde es natürlich prompt AfD wählen, also machen wir ihm doch mal ein bisschen Angst, scheint sich FDP-Volker Wissing gedacht zu haben. Um sich jetzt als Retter der beinahe Enterbten zu inszenieren. Denn hat er Schlimmstes nicht gerade noch so verhindert? Und erreicht, dass sein Ministerium eine Sondergenehmigung für Emissionen erhält? Fahrverbote seien damit „endgültig vom Tisch“, stöhnt Wissing erleichtert auf. Doch sein lautes Klopfen auf die eigene Schulter klingt hohl.

Tatsächlich lag auf diesem Tisch nur das, was er fahrlässig – in Irreführung der Bevölkerung – draufgeknallt hat. Er hat da nämlich etwas extra falsch verstanden: Es ist nicht verboten, die vereinbarten Emissionsziele zu unterschreiten. Mehr Weniger geht immer! Ist ja ohnehin alles viel zu viel, was wir emittieren. Anders als beim Profitdenken gilt hier: weniger ist mehr.

Panikmache ist der neue liberale Politikstil

Stattdessen kommuniziert Wissing ähnlich unsachlich und verlogen wie AfD oder Bildzeitung: Panikmache als neuer liberaler Politikstil. Fakt ist: Die Deutschen schaffen sich immer mehr Autos an. 78 Prozent der Haushalte verfügen darüber, ein Viertel davon sogar gleich über mehrere. Zum Vergleich: Nur in 46 Prozent der Haushalte lebt ein Haustier. Anders als bei (k)ein-Kind-Haushalt und Geburtenrate geht der Trend zur Mehr-Auto-Familie. Im nächsten Wahlkampf kann die FDP „Autos statt Kinder“ plakatieren. Das Auto ist der Deutschen liebstes Kind. Unsere unsterbliche, toxische Liebe gilt dem Verkehrskollaps. Und den verwechseln wir mit Freiheit.

2022 kamen auf 1.000 Einwohner 583 Pkw. In deutschen Straßen fahren und stehen fast 50 Millionen Blechkisten herum. Damit es nicht bei läppischen 4.000 maroden Autobahnbrücken bleibt, die milliardenteuer saniert werden müssen. Der Verschleiß muss weitergehen! Anhalten rechnet sich nicht. Diese Autodenke sitzt wie ein Betonbrett fest vor Wissings Kopf.

Ein autofreies Leben ist für die Autogebrainwashten so unvorstellbar wie der Mauerfall es bis 1989 für die Kalter-Kriegs-Gebrainwashten war. Oder wird doch noch ein liberaler Parteibonze, wie weiland Günter Schabowski, irgendwann befreit in ein Mikro stammeln: „Die autofreie Zone trifft … nach meiner Kenntnis … unverzüglich … ein“?

Freie Fahrt für unfreie Bürger

Die Zeit ist noch nicht reif, um Denk-Blockaden einzureißen. Noch muss kein Graffiti erinnern „Hier fuhr ein Auto“, analog zu „Hier stand die Mauer“. Eine Freiheitsparty auf autofreien Straßen ist nicht geplant. Im Gegenteil: Gewitzt hat Wissing den selbst erregten Volkszorn als Barrikade gegen frische Ideen aufgestellt – und umgelenkt auf den politischen Gegner. Nur intern können die Korken knallen: Haben wir’s den naiven Umweltspinnern mal wieder gegeben!

Das Verbotsnarrativ sichert freie Fahrt für unfreie Bürger. Solche pseudofreiheitliche Dialektik ist bestechend einfallslos. Ergibt sich den Sachzwängen, die sie selbst schafft und verwendet nicht einen Fitzel Gehirnschmalz, um darüber nachzudenken, wie es besser ginge. Freier. Sauberer. Leiser. Und schöner. Mit weniger Autos. Mit weniger Angst und mehr Gedankenfreiheit. Die FDP verhindert, wie weiland die SED, die Reform eines kaputten Systems. Statt sich zu bewegen oder erstmal ganz simple Lösungen wie ein Tempolimit möglich zu machen, malt sie Immobilitätsteufel an die Wand und präsentiert sich als Klimaschutzverbotspartei.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Katharina Körting

Freie Autorin und Journalistin

2024 Arbeitsstipendiatin für deutschsprachige Literatur der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt

Katharina Körting

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden