Sturz von Kevin McCarthy: Politisches System der USA verfällt in akute Dysfunktionalität

Meinung Das Weiße Haus soll offenbar lahmgelegt werden. Der Nachfolger des gestürzten Repräsentantenhaus-Sprechers Kevin McCarthy dürfte noch radikaler sein, sofern schnell einer gefunden wird
Kevin McCarthy
Kevin McCarthy

Foto: Imago/Zuma Wire

Als Speaker des US-Repräsentantenhauses ist der Republikaner Kevin McCarthy raus. Er hat sich seine vom rechten Parteiflügel bewerkstelligte Abwahl selbst eingebrockt. McCarthy ist kein ideologischer Rechter, doch erliegen er und andere angeblich vernünftige Republikaner seit Jahren der irrigen Annahme, sie hätten angesichts der trumpistischen Politik des Ressentiments und Autoritarismus einen Feuerlöscher gegen den Flächenbrand.

Diese Haltung hat es Donald Trump ermöglicht, seinen Einfluss zu verstärken Es überrascht nicht, dass die an ihn bedingungslos Glaubenden sich einmal mehr gegen Figuren in der Partei richten würden, die nicht gläubig genug sind. Kevin McCarthy hat nach dem Ansturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 gegen die Anerkennung von Joe Bidens Wahlsieg gestimmt, galt aber als nicht ausreichend gefestigt. Zu McCarthys Todsünde wurde nun sein Ja zum Übergangshaushalt Ende September, um einen Regierungsstillstand abzuwenden.

Wie man als Politiker halt Kompromisse eingeht, um Wirtschaftsdesaster abzuwenden. Nur sind in der Republikanischen Partei von 2023 Kompromisse mit dem demokratischen Präsidenten nicht akzeptabel. Man will den Porzellanladen zerdeppern. Nicht zuletzt hat der nach wie vor verehrte Trump ja auch als großer Zerstörer regiert. Gewiss vertreten die Aufständischen gegen McCarthy keine Mehrheit im Land, aber eben eine starke Strömung unter republikanischen Wählerinnen und Wählern.

Der Nachfolger wird trumpistischer sein

Noch nie in der US-Geschichte ist ein Speaker abgewählt worden. Im Repräsentantenhaus haben nur acht republikanische Abgeordnete gegen McCarthy gestimmt. Das reichte zum Sturz des Mannes, der nicht einmal im Jahr im Amt war. 216 zu 210 lautete das Ergebnis für seine Abwahl. Kein Demokrat stimmte für McCarthy. Der hatte nicht signalisiert, ob er den Demokraten Zugeständnisse machen würde. Und vertraut hat ihm offenbar niemand bei den Demokraten. Sie hatten keinen Grund, McCarthy zu retten. Auch wenn der Nachfolger „schlimmer“ sein könnte.

Noch ist unklar, wie es weitergehen soll. Die Republikaner müssen einen neuen Speaker wählen, sollen die Regierungsgeschäfte weitergehen. Bisher haben zwei Republikaner Ansprüche geltend gemacht, der Abgeordnete Steve Scalise, selbsternannter „Streiter gegen den staatlichen Sozialismus“ in den USA, und Jim Jordan aus Ohio, Gründungsvorsitzender des rechtskonservativen Freedom Caucus und einer der Wortführer bei den Impeachment-Bemühungen gegen Joe Biden. Das sieht nicht nach Kompromissbereitschaft zum Regieren aus.

Das Weiße Haus soll offenbar lahmgelegt werden. Und in wenigen Wochen ist schon wieder eine Abstimmung über den Haushalt fällig, außerdem ein Votum über die Ukraine-Hilfe. Der Streit unter den Republikanern legt innerparteiliche Differenzen offen. Der jetzt so umstrittene Übergangshaushalt enthielt keine Ukrainemittel aus Rücksicht auf eine Minderheit bei den Republikanern, die dagegen ist.

Jim Jordan hat sich gegen eine weitere Unterstützung ausgesprochen, während Donald Trump seine Partei aufforderte, Beistand für die Ukraine abhängig zu machen von der Kooperation des Präsidenten bei der Untersuchung angeblich illegaler Geschäfte seines Sohnes Hunter Biden. Wie es heißt, will Joe Biden in Kürze eine Ansprache halten zur Ukraine. Er sei besorgt, obwohl die Demokraten zusammenhalten. Es ist schwieriger geworden für das Weiße Haus.

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