Wer in die Hand beißt, die ihn füttert, neigt zu Masochismus oder Selbstüberschätzung oder zu beidem. Nur so ist es zu erklären, mit welchem Ungestüm ukrainische Politiker wie Poroschenko-Berater Jelisejew und Außenamtschef Klimkin Sigmar Gabriel attackieren. Letzterer hat angedeutet, dass man die Idee des russischen Präsidenten, UN-Friedenstruppen entlang der Frontlinien in der Ostukraine zu platzieren, nicht brüsk ablehnen, sondern prüfen sollte. Was in Kiew besonders erzürnt, ist Gabriels Einlassung, die Sanktionen gegen Russland aufzugeben, bevor das Minsker Abkommen vom Februar 2015 vollends erfüllt ist. Jelisejew revanchiert sich mit einem historischen Vergleich, der Gabriel in die Nähe von Appeasement-Neigungen rückt, wie sie Großbritanniens Premier Chamberlain 1938 gegenüber Deutschland gezeigt habe.
Ist Gabriel Chamberlain, wäre Putin Hitler. Zu solcher Verstiegenheit schwingt sich eine Regierung auf, die ultranationalistischen Hardlinern mit Großmut begegnet und wenig daran auszusetzen hat, wenn die den Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera zu ihren Idol erheben. Statt mit unsäglichen Analogien flankiert zu werden, verdient Putins Offerte eine vorausschauende Analyse. Kämen UN-Blauhelme in den Donbass, könnte das einer stabilen Waffenruhe nur zuträglich sein. Schließlich würden Vorstöße über die Frontlinie hinaus unweigerlich zur Konfrontation mit den UN-Kontingenten führen und müssten unterbleiben. Was hat die ukrainische Regierung dagegen? Warnt sie nicht ständig vor Angriffen der Separatisten auf Städte wie Mariupol oder Slowjansk? Derartige Operationen hätten sich bei einer UN-Präsenz ebenso erledigt wie Artillerieduelle über die Demarkationslinie hinweg. Schwere Waffen könnten auf beiden Seiten getrost abgezogen werden. Es wäre dem Minsker Vertrag Genüge getan, eine 100 Kilometer breite, weitgehend demilitarisierte Zone zu schaffen.
Integrität und Aktionismus
Dadurch würde – unter Aufsicht der Vereinten Nationen – der Status quo in der Ostukraine eingefroren. Keine Frage, dass Russland davon mehr hält als von einem Minsker Prozess, der in Wirklichkeit ein Stillstand ist. Dort offiziell auszusteigen, hält man in Moskau vermutlich für taktisch unklug. Aber den Schirmherren Deutschland und Frankreich zu bedeuten, nicht nur Russland, sondern auch den Protegés in Kiew abzuverlangen, was in Minsk vereinbart wurde (vom Truppenabzug bis zur Autonomie des Donbass), das dürfte Putin schon beabsichtigt haben. Im Prinzip gibt er Merkel und Macron zu verstehen, entweder ihr tut etwas oder die UNO übernimmt. Zuletzt hat die Regierung Poroschenko die abtrünnige Region mit einem Boykott belegt, der von Sozialtransfers bis zum Warenverkehr reicht. Wird in Kiew unablässig beteuert, es gehe um die Integrität der Ukraine – weshalb wird die durch solcherart Aktionismus in Frage gestellt?
Für Moskau bleibt entscheidend, russische Bevölkerung in der Ostukraine zu schützen sowie mit den beiden „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk die Gewähr zu haben, dass sich die NATO das Neumitglied Ukraine nicht leisten kann. Staaten mit offenen Gebietskonflikten werden wegen der für die Allianz heraufbeschworenen Konsequenzen grundsätzlich nicht aufgenommen. Mit der Ostukraine stößt die Osterweiterung an Grenzen, die ihr durch russische Interessen gezogen werden. Wollte Mexiko eine Militärallianz mit Kuba, würden die USA ebenso wenig zusehen.
Kommentare 12
“Sigmar Gabriel ist aufgeschlossen“ Hoffentlich kein Wahltaktisches Manöver – denn Menschen die das gegenwärtigen Trommelfeuer uns Russland als ewiger Feind darzureichen – schmeckt nicht nur mehr traditionelle SPD Wähler. Wer Russophobie als ein Bestandteil der westlichen Identität einem schmackhaft machen will, beleidigt politisch denkende Menschen. Von Bismarck – Brandt/ Bahr zeigt einem, wie es gehen kann – ein stabiles Europa ohne Russland ist unmöglich. Irgendwann wird das auch die Ukraine verstehen mit ihrer Allukrainische Vereinigung „Swoboda“ oder Polen mit Herrn Kaczynski usw. UND wer “Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera zu ihren Idol“ festzurrt, … da sollte nicht nur unsere Regierung nachdenken, ob nicht die Falschen unterstützt werden!
Die Falschen unterstützen, ist immer eine Frage des Standpunktes. Und deutsche Panzer im Baltikum sagen eigentlich alles über den geistigen und historischen Blick deutscher Politiker. Besonders eine UvdL sollt diesbezüglich noch mal im Geschichtsunterricht ein paar Stunden nachsitzen, aber nicht in westdeutschen Gymnasien und Kasernen.
Wohl ist ihr Geschichtsbild geprägt von den guten Befreien und den bösen Besatzern, die sich die Frechheit nahmen, Deutschland vom Osten her bis nach Berlin aufzurollen. Was hat diese Frau eigentlich in ihrem Leben gelitten unter der russischen Knute, unvorstellbar?!
Unsägliche Analogien???
Ich habe jetzt den Artikel mehrmals gelesen, aber keine sachliche Begründung gefunden, warum diese Analogie mit dem Dritten Reich nicht zutreffen soll?
Ich vermisse auch das Detail, dass die Ukraine schon vor Jahren um Friedenstrupen regelrecht gebettelt hat. Dieses ist aber immer wieder am Einspruch Russlands gescheitert. Woher der plötzliche Sinneswandel?
Übrigens habe ich den Eindruck, dass sich der Autor nur sehr halbherzig mit dem Thema beschäftigt. Frieden in der Ukraine scheint nicht zu seinen Hauptanliegen zu gehören. Anders kann ich mir nicht erklären, warum er die letzte Wende Putins auch noch unter den Tisch fallen lässt und überhaupt nicht auf die Vorschläge der ukrainischen Seite eingeht.
UvdL ? Meinen Sie die Unteroffizierin vom Dienst (UvD) Leyen ?
Ich traue Gabriel nicht. Wollte er (und andere Politiker) wirklich auf einen Frieden in der Ukraine hinwirken, so müsste er entweder die Sanktionen gegen Russland abbauen oder gleichwertige Sanktionen gegen die Maidanbande beschließen. Die Realität sieht aber so aus, dass Russland immer und immer wieder Sanktioniert wird, während die Maidanganoven ungestraft marodieren.
Mit diesem Sanktionsungleichgewicht muss zuallerst Schluss sein. Solange das nicht der Fall ist, sind die alle westlichen Forderungen nach Frieden nichts als Worthülsen.
Die Lage in derUkraine beurteilte ich wie Sie.
Das Misstrauen gegen Gabriel und die vermuteten wahltaktischen Manöver (@ Apatit) hege ich gegenüber allen Machtausübenden aus allen Parteien. Deswegen betone ich es nicht bei der SPD. Falls mit dieser Partei besondere Hoffnungen verbunden werden, ist sie natürlich auch kritischer zu beurteilen.
Misstrauen und Wahltaktik hin und her, Gabriel macht Politik gegen Merkel. Er geht einen Schritt auf DE-Eskalation zu. Wie unklug und unbesonnen agierte doch unsere Tante aus der Uckermark mit Sanktionen und Truppenverlegung deutscher Soldaten (wieder) an die Russische Grenze.
Was Lutz Herden andeutet, mit Putin kann man verhandeln. Er ist, was Merkel wahltaktisch zugeschrieben wird, klug, besonnen, entschieden. Das haben seine Reaktionen in der Ukraine und in Syrien gezeigt. Dass er die Interessen des Westens vertritt, darf man aber nicht von ihm verlangen.
Angesichts der NATO-Kontingente in Polen und den baltischen Staaten darf man sich in der Tat über die derzeitigen russische- weißrussischen Manöver nicht wundern.
Ich erinnere an das Nato-Großmanöver „Anakonda“! ca. 30 000 Soldaten damals … Ich erinnere auch an das “Versprechen“ ( Stichwort, Deutsche Einheit ) die Nato nicht nach Osten zu erweitern … Ich erinnere an die bezeichneten und überheblichen Worte des damaligen US – Präsidenten Bush am 24.25.02 in Camp David … “ Zur Hölle damit. Wir haben gewonnen, nicht sie “ gemeint war die Sowjetunion.
Das alles könnte man fortsetzen mit Raketenschild und andere -provokationen gegenüber Russland. Warum dürfen nicht auch andere einmal Interessen haben? Mit extrem deutlichen Worten wendet sich der Ex-Sowjetpräsident Michail Gorbatschow gegen die USA: „Sind wir inmitten eines neuen Kalten Kriegs? Natürlich sind wird das“, sagt er - und die Amerikaner seien daran schuld. Sie hätten den Stolz seiner Heimat über Jahrzehnte verletzt. Wer die Russische Seele nur am Wodka festmacht, kennt dieses Land nicht im geringsten und sollte sehr vorsichtig sein beim " Stöckchen holen "!
So ist es. Die gefährliche Entwicklung kann man auch evolutionär sehen. Die Gockel-Gewalt-Demo kommt in die Gänge. Für D plustern sich allerdings ein bis zwei Hennen auf. Vermutlich, um Schaden von ihren Küken abzuwenden.
Um den Menschen auf dem Globus die Augen zu öffnen, sollten Russen und Mexikaner mal gemeinsame Manöver an der US-Grenze durchführen.
Erstaunlich, was so zusammengetragen werden kann. Ich erinnere noch die Talkshow, in der der deutsche Diskutant (CDU) fragte, ob die Russen es denn schriftlich hätten, dass die NATO nicht über die Oder hinaus wolle. Da fragte der Russe zurück:Gilt bei Ihnen das Wort nicht?
Kleine moralische Schlappe.
Und da wir gerade bei der Unberechenbarkeit sind: Raten Sie mal, wer den Hitler-Stalinpakt gebrochen hat! Nein, nein, Sie wissen es.
"Im Prinzip gibt er Merkel und Macron zu verstehen, entweder ihr tut etwas oder die UNO übernimmt. Zuletzt hat die Regierung Poroschenko die abtrünnige Region mit einem Boykott belegt, der von Sozialtransfers bis zum Warenverkehr reicht. Wird in Kiew unablässig beteuert, es gehe um die Integrität der Ukraine – weshalb wird die durch solcherart Aktionismus in Frage gestellt?"
Wo wir gerade wieder bei Konflikten und vökerrechtwidrigen Annexionen udn Sezessionen sind:
Und was ist mit der Annexion Gibraltar an Großbritannien.
Annexion von Falklandinseln an Großbritannien. 99% der Einwohner stimmten beim Referendum auf den Falklandinseln dem Beitritt zu Großbritannien. Fast alle Lateinamerikanischen Staaten erkennen diese Annexion bis heute nicht an. Nur die EU-Moralapostel haben diese Annexion ohne Wenn und Aber anerkannt!
Und wie war das noch mit Kosovos Abspaltung?
http://www.sueddeutsche.de/politik/internationaler-gerichtshof-unabhaengigkeit-des-kosovo-ist-rechtens-1.978367
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article8582892/Kosovo-und-EU-duerfen-nur-leise-triumphieren.html
Und wie sieht es mit der Besetzung Zyperns durch die Türkischen Streitkräfte?
Warum unternimmt die NATO und EU nichts dagegen?
Ach NATO-Mitglieder haben die Lizenz dafür andere Staaten völkerrechtswidrig zu annektieren und zu bombardieren?
Siehe Türkei , die den Irak seit 20 Jahren ständig bombardiert und besetzen, oder die Zypern militräisch besetzt halten…
und die Amis die die gesdamte Welt bombardieren , fast ausschließlich in allen Fällen ohne UN-Mandat versteht sich…
Israel hat die Golanhöhen besetzt udn das seit vielen Jahrzehnten. Die NATO/EU unternehmen überhaupt nichts dagegen. Ein Farce!
Die EU-Poliker sollten mit gleichen Maßnahmen gegen andere Staaten vorgehen,bevor sie Russland wegen angeblicher Krim-Annexion kritisieren und sanktionieren. Schließlich hatte Chruschtchow völkerrechtswidrig die Krim an die Ukraine annektiert. Oder kennen die EU-Bürokraten diesen Teil der Geschichte nicht? Etwa weil die NATO ihnen verbietet diesen Teil der Geschichte jemals zu erwähnen…
Und wie war das noch gleich mit der völkerrechtsiwdirgen militräischen Besetzung der Insel Diego Garcia durch US-Streitkräfte. Damals führten die US Amerikanern Massendportationen udn gewaltsame Zwangsumsiedlungen von Einwohnern durch. Die EU-Moralapostel haben damals geschwiegen wie ein Massengrab:
https://en.wikipedia.org/wiki/Depopulation_of_Chagossians_from_the_Chagos_Archipelago
https://www.theguardian.com/stage/2012/feb/15/diego-garcia-few-man-fridays
http://www.huffingtonpost.com/david-vine/the-truth-about-diego-gar_b_7585546.html
Diese Doppelmoral des WESTENS erkennen aber immer mehr Menschen - und das ist gut so!