Ampel-Koalition: Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende

Meinung Die Koalition ist in mehrere Minderheitsregierungen zerfallen, die sich gegenseitig nur noch blockieren. Ihr größter Fehler: Sie hat die Bevölkerung längst verloren. Warum es besser wäre, die Ampel-Koalition für gescheitert zu erklären
Ausgabe 03/2024
Die drei von der Ampel: Christian Lindner (FDP), Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen)
Die drei von der Ampel: Christian Lindner (FDP), Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen)

Foto: picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

Die Bundesregierung steht so schlecht da wie noch nie. Bauern blockieren mit ihren Traktoren-Konvois die Straßen der Hauptstadt. Der Kanzler wird im Handballstadion ausgepfiffen. Und in den Umfragen hat die Koalition längst ihre Mehrheit verloren. Alle drei Regierungsparteien bieten ein Bild der Hilflosigkeit: Erst wollte sie – auch – die Bauern belasten, um das Haushaltsloch zu stopfen, das vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse aufgerissen worden war. Dann einigten sie sich, einen Teil der Belastung zurückzunehmen. Den Bauern reicht es nicht, sie protestieren weiter, und sie finden viel Verständnis in der Bevölkerung. Was soll die Regierung machen? Wenn sie nun alles zurücknähme, würde es aussehen, als gestehe sie selbst, nicht regieren zu können.

Was macht sie falsch? Man kann schon zu dem Schluss kommen, sie selbst als Regierung sei das Falsche. Tief gespalten, wie sie ist, hat sie jetzt das Stadium des Nichtmehrhandelnkönnens erreicht. SPD und Grüne würden die Schuldenbremse, aber auch die rigide Austeritätspolitik von Finanzminister Christian Lindner (FDP) gern reformieren. Zuletzt hat Lindner die Einführung des Klimageldes weit nach hinten verschoben. Aber in diesen Fragen wird die FDP vom SPD-Kanzler angeführt und bildet eine Art Minderheitsregierung in der Regierung.

Eine solche sind die Grünen in ökologischer Hinsicht. Sie werden ja öffentlich als die hegemoniale Kraft in der Regierung wahrgenommen – eine aber, die sich gegen die Konstellation FDP plus SPD-Kanzler im Zweifel nie durchsetzt. Olaf Scholz selbst hat sich als Kriegspolitiker profiliert, der mit Stolz verkündet, nicht etwa dass er den Frieden herbeiführen will, sondern dass Deutschland der zweitgrößte Waffenlieferant für die Ukraine geworden ist. Und ausgerechnet in dieser Frage sind alle drei Parteien einig.

Opposition wäre gut für die Grünen

Es ist eine so schwer erträgliche, ja absurde Situation, dass man eine andere und bessere Regierung herbeisehnt. Die zeichnet sich aktuell nicht ab – möglich ist aber eine, und vielleicht schon im Kommen, die wieder den politischen Handlungsspielraum öffnet. Denn starke Kräfte in der Union, aber auch in der SPD sind schon dabei, auf ein neues Bündnis hinzuarbeiten. Man denke nur an die neuen schwarz-roten Landesregierungen in Berlin und Hessen.

Anders als früher sind das keine Koalitionen, die sich als Zweckbündnis in der Not beschreiben, sondern die hervorheben, dass sie gegen die Grünen einig sind. Ja, man redet sich ein, das „Ende der grünen Hegemonie“ sei eingetreten. Wahr daran ist, dass es den Grünen guttäte, sich in der Opposition zu erneuern. Sei’s auch um den Preis ihrer Spaltung. Denn was sie falsch machen – von ihrer Kriegspolitik ganz abgesehen –, tritt immer deutlicher hervor.

Falsch ist, dass sie Ökologie von oben durchsetzen wollen. Das ist es ja gerade, weshalb die Bauern auf die Straße gehen: Sie sind für die grüne Agrarwende, aber auch wütend, weil die Politik diese Wende nur vorschreibt, statt auch sagen zu können, wie sie sich wirtschaftlich und technisch umsetzen ließe. Ökologie muss mit der Eigendynamik von Wirtschaft und Technik in Deckung gebracht werden. Das geht nur, wenn die Politik mit den Produzenten, in diesem Fall den Bauern, zusammenarbeitet. Auch die Heizwende hätte demokratisch vorbereitet sein müssen, durch Austausch mit den Konsument:innen. Man hätte Wege finden müssen, sie über das Ausmaß der Wende entscheiden zu lassen. Diese Einsicht steht ökologischer Politik noch bevor.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

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