Klimafonds: Bundesverfassungsgericht stellt Schuldenbremse infrage

Haushalt In Krisenzeiten wollten Christian Lindner und die Ampel unbedingt zur Einhaltung der Schuldenbremse zurück. Also blieben nur fiskalische Verrenkung und haushaltspolitische Trickserei. Dieses Spiel hat Karlsruhe nun gestoppt
Doris König, Vorsitzende des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgericht
Doris König, Vorsitzende des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgericht

Foto: Uli Deck/picture alliance/dpa

Die Bewertungen gehen ziemlich auseinander, was genau das am Mittwoch verkündete Urteil des Bundesverfassungsgerichts eigentlich bedeutet. Oberflächlich betrachtet hat Karlsruhe entschieden, dass der Nachtragshaushalt 2021 verfassungswidrig ist. Weil darin einige eigentlich für die Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie vorgesehenen Gelder („Kreditermächtigungen“), die aber dafür nicht mehr gebraucht wurden, umgeschichtet worden waren. Unter der Regie von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Ampel-Koalition die 60 Milliarden umgewidmet und in den Klima- und Transformations-Fonds (KTF), ein sogenanntes Sondervermögen, gepackt.

Gut, kann man sagen: Nicht gebrauchte Haushaltsmittel einfach in andere Schubladen stecken oder damit andere Löcher zu stopfen, das geht gar nicht! Fordert Karlsruhe also zu Recht ein Ende der kreativen Buchführung, einen Stopp der „haushälterischen Tricksereien“ (Julia Klöckner), die seit einigen Jahren immer beliebter zu werden scheinen? Tatsächlich ist der KTF ja nicht das einzige Sondervermögen, das es gibt. Im Gegenteil: Russland führt Krieg gegen die Ukraine? Da zaubert Finanzminister Christian Lindner (FDP) halt mal 100 Milliarden Sondervermögen für die Aufrüstung der Bundeswehr aus dem Hut. Die Gaspreise schießen in die Höhe? Zack, Christian Lindner legt auf Geheiß von Olaf Scholz noch einen drauf: 200 Milliarden für einen Doppelwumms zur Senkung der Energiekosten! Bei jeder neuen Krise, scheint es, von denen es in den letzten Jahren nun mal ständig neue gibt, stellt die Bundesregierung einen neuen Schattenhaushalt auf. Die Frage ist: Warum gebärdet sich die Haushaltspolitik denn so?

Die Antwort liegt auf der Hand: Weil die Ampel-Parteien, allen voran die FDP, darauf versessen sind, auch in Ausnahmezeiten – mehr noch: im planetarischen Notfall – so zu tun, als könne man darauf mit einem Regelhaushalt antworten. Die Welt steht in Flammen? Wir kehren zur Einhaltung der Schuldenbremse, zur „fiskalischen Normalität“ zurück, weil Christian Lindner und seine Fünf-Prozent-Partei das im Wahlkampf versprochen haben!

Worst-Case-Szenario: Die Ampel stopft das 60-Milliarden-Euro-Loch mit Einsparungen

Der ideologisch motivierte Willen zur Einhaltung der Schuldenbremse, mit der sich die Ampel selber fesselt, ist der Grund für die fiskalischen Verrenkungen und Schattenhaushalte, die Karlsruhe der Ampel nun angekreidet hat. Weil man sich selber zum Sparen, ja Knausern zwingen will, obwohl die Investitionslücken immer weiter klaffen und die Herausforderungen immer größer wachsen, muss man tricksen und hantieren, wenn man doch mal einen Batzen Geld locker gemacht hat.

Der Klima- und Transformationsfond KTF ist diese Wundertüte, aus der das klimapolitische Minimum finanziert werden muss, weil Lindner alle anderen Quellen versiegen lässt. Weswegen der KTF schon vor dem heutigen Urteil mehrfach überzeichnet war, wie Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) selber zugegeben hatte. Ist das ernst zu nehmende Politik? Nein, es ist die kreuzweise Selbstblockade, die nach zwei Jahren Ampel zu ihrem Modus Operandi geworden ist. Inzwischen hat Lindner eine Haushaltssperre für den KTF verfügt, weil nicht mehr klar ist, für welche Projekte eigentlich noch Geld da ist.

Das Schlimmste, was die Ampel nun tun könnte, wäre der Versuch, das 60 Milliarden-Loch mit Einsparungen zu stopfen. Das hieße, vor den Zukunftsaufgaben zu kapitulieren, es hieße, angesichts der Herausforderung, die grüne Transformation anzugehen, die Segel zu streichen. Das Problem ist nur: Die meisten anderen möglichen Lösungen wird Christian Lindner ideologischer Austeritätsrigorismus verhindern. Einen Soli, der für den sozialen Ausgleich klimapolitischer Maßnahmen eingesetzt werden kann? „Steuererhöhungen sind ausgeschlossen“, wird es da tönen. Die Schuldenbremse reformieren? Leider weder mit der FDP noch mit CDU/ CSU zu machen.

Die Ampel wird sich weiter wie Odysseus an den Mast binden, um sich die Versuchung zu versagen, die Zukunft auch fiskalisch anzugehen. Bedauerlicherweise bleibt so aber niemand mehr, der das Schiff auf Kurs halten könnte.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Pepe Egger

Ressortleiter „Wirtschaft“ und „Grünes Wissen“

Pepe Egger ist Redakteur für Wirtschaft, Grünes Wissen und Politik. Er hat in Wien, Paris, Damaskus und London studiert und sechs Jahre im Herzen des britischen Kapitalismus, der City of London, gearbeitet. Seit 2011 ist er Journalist und Reporter. Seine Reportagen, Lesestücke und Interviews sind in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften erschienen. 2017 und 2019 wurden seine Reportagen für den Henri-Nannen- bzw. Egon-Erwin-Kisch-Preis nominiert. 2017 wurde Pepe Egger mit dem 3. Platz beim Felix-Rexhausen-Preis ausgezeichnet. Seit 2017 arbeitet er als Redakteur beim Freitag.

Pepe Egger

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden