Diese Haushaltspolitik ist Wahnsinn – und nicht nur Christian Lindner trägt Schuld

Meinung Alles kürzen außer die Rüstungsausgaben: SPD, Grüne und FDP führen Deutschland mit ihrem Haushaltsentwurf in eine Zukunft, die noch unsicherer wird
Ausgabe 36/2023
Bundesfinanzminister Christian Lindner und seine FDP geben den gefährlichen Haushaltskürzungs-Kurs vor, aber an die Schuldenbremse klammern sich auch Sozialdemokraten und Grüne.
Bundesfinanzminister Christian Lindner und seine FDP geben den gefährlichen Haushaltskürzungs-Kurs vor, aber an die Schuldenbremse klammern sich auch Sozialdemokraten und Grüne.

Foto: Fabian Sommer/Picture Alliance/dpa

So ist die Lage: Deutschlands Wirtschaft, die sich einen großen Niedriglohnsektor gönnte und sich die Nachfrage nach deutschen Autos und Maschinen aus China und dem Rest der Welt besorgte, befindet sich im Koma. Denn die fetten Jahre im Export sind vorerst vorbei. Chinas Wirtschaft lahmt. Die Schwellenländer bilden als Reaktion auf den Wirtschaftskrieg neue Allianzen.

Statt Pipelinegas importieren etliche EU-Staaten nun schlicht vermehrt Flüssiggas aus Russland. Deutschland macht mit Aserbaidschan dicke Energie-Geschäfte, obwohl selbiges über 100.000 Armenier in Bergkarabach einer Hungerkatastrophe aussetzt. Die USA und China rüsten derweil auch ökonomisch auf und schieben Investitionen in grüne Technologien an. Es tobt zudem längst ein Wettkampf um die Kontrolle über den Datenkapitalismus.

Olaf Scholz träumt vom Wirtschaftswunder

Was hingegen tut die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP? Mitten in der Krise will sie die außergewöhnliche Notlage beenden, die es ihr ermöglichte, trotz Schuldenbremse Investitionen auch über Kredite zu finanzieren.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) verspricht ohne Ironie ein grünes Wirtschaftswunder, während Deutschland Schlusslicht beim Wachstum ist und seit Jahren wegen zu geringer öffentlicher Investitionen von der Substanz lebt. Wie soll der Umbau der Verkehrs- und Energiesysteme gelingen, was soll Menschen, die sich nach Sicherheit sehnen, Hoffnung auf ein gutes Leben machen, wenn diese Regierung alles kürzt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist?

Alles außer die Rüstung: Für die gab es im Rekordtempo ein Sondervermögen über 100 Milliarden Euro – trotz Filz im Beschaffungswesen. Während die Kurse von Rüstungsaktien durch die Decke gehen, lacht die Welt über unsere Bahn. Gab es ein Sondervermögen für unsere Schulen? Insbesondere Kinder aus armen Verhältnissen hatten in der Corona-Krise oft mehr Kontakt mit dem Handy als mit Lehrern. Was ist mit den Krankenhäusern und den Pflegekräften, für die wir einst auf den Balkonen klatschten? Viele Mieter fürchten zusätzliche Belastungen durch das Heizungsgesetz. Es fehlt an bezahlbaren Wohnungen. Studien beweisen: Eine solche Kürzungspolitik ist ein Konjunkturprogramm für Rechtsparteien wie die AfD.

Das Grünen-Lamento über die FDP

Ökonomisch ist dieser Kurs der totale Wahnsinn. Keine Talkshow vergeht ohne Abgesang auf den Wirtschaftsstandort Deutschland. Aber es sind dieselben TV-Schwätzer und Leitartikler, die in den vergangenen Jahren wie Hooligans den Kassenwart in der Hauptstadt anfeuerten, den Gürtel enger zu schnallen und den Bundeshaushalt der viertgrößten Volkswirtschaft der Erde zu führen wie die Kasse eines Taubenzüchtervereins.

Das Lamento der Grünen über die angebliche Erpressung durch den kleinsten Koalitionspartner FDP ist unehrlich. Ihre führenden Haushaltspolitiker haben die Schuldenbremse einst abgefeiert. Den Haushalt verabschieden drei Parteien gemeinsam. Robert Habeck hat diese Politik mitgetragen und sich gegen angemessene Vermögens- und Erbschaftssteuern engagiert. Daher erlebt Familienministerin Lisa Paus jetzt bei der Kindergrundsicherung eine Blamage.

SPD, Grüne und FDP sind eine schlechte Revival-Band, die noch mal die Schröder-Fischer-Tournee aufführt: Nur ohne Gerhard, ohne russisches Gas und ohne eine linke Partei, die auf Montagsdemos die Wut der Menschen adressiert. Zeit, dass sich zumindest Letzteres ändert.

Fabio De Masi war Mitglied der Linken, des Europaparlaments wie des Bundestags. Er ist nun parteilos und arbeitet als Publizist.

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