Nimm das, Elon! IG Metall gewinnt Betriebsratswahlen bei Tesla in Grünheide

Meinung Im neuen Tesla-Betriebsrat in Grünheide stellen nun Mitglieder der IG Metall die größte Gruppe. Für genügend Verhandlungsmacht gegenüber „management-nahen“ Betriebsräten und Elon Musk reicht das aber noch nicht
Bei Tesla in Grünheide arbeiten viele Menschen mit nicht-deutschem Pass, deren Angst sich gewerkschaftlich zu exponieren, groß sein dürfte
Bei Tesla in Grünheide arbeiten viele Menschen mit nicht-deutschem Pass, deren Angst sich gewerkschaftlich zu exponieren, groß sein dürfte

Foto: Odd Andersen/AFP/Getty Images

Die kleine Gemeinde Grünheide bei Berlin kommt in diesen Tagen nicht zur Ruhe. Waldbesetzung, Produktionsstopp, Infrastrukturanschlag, Demos, Bürgerabstimmung, Elon Musk vor Ort – und zwischendrin fand jetzt auch noch eine vorgezogene, zweite Betriebsratswahl statt. Letztere mag unscheinbar daherkommen, hat aber das Potential, die Kräfteverhältnisse in der Tesla-Factory in Grünheide nachhaltig zu verändern: Die IG Metall geht mit einem knappen Sieg hervor.

Seit Mittwochabend, den 20. März 2024, ist bekannt, dass 39,4 Prozent der Belegschaft für die Kandidaten der Gewerkschaft gestimmt haben. Auf Platz zwei folgt mit 35,9 Prozent die Liste mit Beschäftigten, die auch schon die Mehrheit des bisherigen Betriebsrats gestellt haben und denen nachgesagt wird, „sehr management-nah“ zu sein. Im neuen, 39 Personen zählenden Betriebsrat stellt die IG Metall also wohl mit 16 Mitgliedern die größte Gruppe, muss sich aber auch wieder mit Betriebsratsmitgliedern arrangieren, die mehr Teslas Interessen als die der Beschäftigten, und da vor allem jener in der Fertigung, im Blick haben. Insgesamt habe es aber wohl ein großes Interesse an dieser Möglichkeit der betrieblichen Mitbestimmung gegeben: Bei der Wahl sei es zu Warteschlangen gekommen und insgesamt waren neun Listen mit 234 Kandidatinnen und Kandidaten angetreten, so die IG Metall.

So wie es von außen scheint, hatten Beschäftigte, die wohl dem Management nahestehen, versucht, eine Taktik zu wiederholen, die bei der ersten Betriebsratswahl vielleicht auch dafür gesorgt haben dürfte, dass sie als Sieger aus dieser hervorgegangen waren. Ende 2021 war die IG Metall von einer Initiative zur Betriebsratswahl überrumpelt worden. Bei der Wahl am 28. Februar 2022 waren vor allem Managementstellen besetzt und kaum Produktionsbeschäftigte im Werk in Grünheide angestellt gewesen. Damit waren die letzten beiden Jahre die Interessen der Beschäftigten der Fertigung im Betriebsrat also schon zwangsläufig deutlich unterrepräsentiert gewesen.

Elon Musk selbst wettert immer wieder gegen Gewerkschaften

Während es 2022 nur etwa 3.000 Beschäftigte im Tesla-Werk in Grünheide gegeben hatte, ist die Zahl mittlerweile auf 12.500 angewachsen. Zeit für eine erneute Wahl wäre dieses Jahr sowieso gewesen. Doch der Zeitpunkt hatte die IG Metall dann jedoch erneut überrascht. Die Initiative zur Betriebsratswahl war mit einem Produktionsstopp bei Tesla einhergegangen, was der Gewerkschaft den Wahlkampf deutlich erschwert hätte. Die Gewerkschaft forderte deswegen mehr Zeit für die Vorbereitung und kurz sah es so aus, als wäre sie erfolgreich gewesen, weil das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) die Wahl im Februar auf Antrag der IG Metall stoppte. Doch kurze Zeit später gab das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Tesla und dem Wahlvorstand Recht, deswegen konnte die Wahl jetzt wie geplant im März stattfinden.

Dass das Wahlergebnis trotzdem verhältnismäßig gut für die IG Metall ausgefallen ist, ist wohl ihrer kleinteiligen, kontinuierlichen Erschließungsarbeit zu verdanken. Seit bekannt wurde, dass Tesla sich in Grünheide ansiedeln wollte, hat die IG Metall ein Büro vor Ort und spricht Beschäftigte an. Einen ersten Erfolg hatte die Gewerkschaft schon im Oktober 2023 feiern können, damals sind „mehr als tausend Beschäftigte“ in Grünheide mit Aufklebern der IG Metall auf ihrer Arbeitskleidung zur Schicht erschienen: „Gemeinsam für gerechte und sichere Arbeit bei Tesla“ hatte darauf gestanden. Die Gewerkschaftsarbeit selbst dürfte trotzdem schwierig sein: Im Werk selbst arbeiten viele Menschen mit nicht-deutschem Pass, deren Angst sich gewerkschaftlich zu exponieren, groß sein dürfte und immer wieder gibt es Berichte, dass die Fluktuation der Beschäftigten auch aufgrund der belastenden Arbeitsbedingungen hoch sein soll. Elon Musk selbst wettert immer wieder gegen Gewerkschaften – und so kann sein Besuch im Werk wenige Tage vor der Wahl auch als Einschüchterungsversuch gewertet werden – aber als einen, der nicht komplett erfolgreich war.

Die IG Metall war mit einem 10-Punkte-Plan zur Betriebsratswahl angetreten, in dem sich vor allem Forderungen zu verbesserten Arbeitsbedingungen und Verbesserungen der betrieblichen Demokratie fanden, so unter anderem Forderungen nach mehr Personal und nach längeren Pausen am Band, planbare Freizeit und mehr Gesundheitsschutz. Für die Durchsetzung wird sich die Mehrheit der Mitglieder des neuen Betriebsrats jetzt also starkmachen müssen, auch gegen schwierige Mehrheitsverhältnisse. Den zehnten Punkt muss die Gewerkschaft jedoch an anderer Stelle weiterhin mühsam erkämpfen: Die IG Metall fordert dort einen Tarifvertrag mit Tesla. Dafür müssen sich die Mehrheitsverhältnisse aber noch deutlich verändern und mehr Verhandlungsmacht aufseiten der Beschäftigten, zum Beispiel durch starke Streikbeteiligung, gewährleistet sein.

Tesla ist nicht das einzige Unternehmen, das Betriebsräte zähneknirschend akzeptiert, aber Tarifverträge verweigert. Das kennen auch die Beschäftigten von Amazon und Lieferando, die für ihre schon lange kämpfen. Jetzt heißt es aber erst einmal die neuen Mehrheitsverhältnisse in Grünheide feiern, denn gerade für die vielen Beschäftigten in der Fertigung dürften diese einen deutlichen Unterschied machen.

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