Steht uns in Deutschland ein „heißer Herbst“ bevor? Oder wenigstens ein „Striketober“, wie die ungewöhnlich dichte Streikwelle im Oktober 2021 in den USA genannt wurde? Möglich wäre es, denn hierzulande stehen Tarifverhandlungen unter anderem in einer Branche mit rund 3,8 Millionen Beschäftigten an – in der Metall-und Elektroindustrie. Die Friedenspflicht endet mit dem 28. Oktober. „8 Prozent mehr Geld“, so gibt die Kampagne der IG Metall das Ziel vor. Was vor ein paar Jahren noch etwas kämpferisch gewirkt hätte, erscheint angesichts von zuletzt 8,5 Prozent Inflation nun dürftig. Was bleibt nach gestiegenen Ausgaben für Essen, Mieterhöhung, Gasrechnungen und weiteren Nebenkosten übrig?
Was bleibt vor allem für die, die nicht einmal in Tarifverhandlungen eingebunden sind? Wo bleiben Freiberufler, Hartz-IV-Empfänger*innen, die Outgesourcten, die Care-Arbeiter*innen, Rentner*innen, Migrant*innen und die jungen Menschen? Während Unternehmer seit Jahren die Sozialpartnerschaft sukzessive aufkündigen, gegen Streiks klagen, gewerkschaftliche Arbeit mit Hilfe großer Kanzleien verhindern, Boni einstreichen, wo Stellen gekürzt werden, halten die großen Gewerkschaften diese Sozialpartnerschaft hoch. Gegen die rasanter wachsende Ungleichheit aber hilft nicht allein eine Tarifrunde. Die drängende Frage ist, ob sich die Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) als kämpferischer Teil der Gesellschaft begreifen, der aktuell keine Gewinne macht.
Das würde bedeuten, sich proaktiv und kämpferisch in Bündnissen zu engagieren, die nicht nur für die eigenen Mitglieder kämpfen. In Großbritannien gibt es aktuell die „Don‘t-Pay-UK“-Kampagne, mit der Menschen aufgefordert werden, ab 1. Oktober ihre Energierechnungen nicht mehr zu bezahlen. 127.500 Menschen unterstützen die Kampagne bisher, das Ziel ist eine Million. Anfang September wird der Trades Union Congress (TUC), eine Art britisches Pendant zum DGB, bei einem Kongress über die Möglichkeit genereller Streiks verschiedener, auch außergewerkschaftlicher Gruppen debattieren.
In Österreich geht der ÖGB voran, ruft für den 17. September zu landesweiten Protesten gegen die Teuerung auf und hat ein eigenes Modell für die Übergewinnsteuer vorgelegt. Die DGB-Gewerkschaften dagegen sind verdächtig still. Dabei wären sie der Akteur, der die Regierung unter Druck setzen kann und Ressourcen für breite, langfristige Bündnisarbeit hat. Dann müsste sich der mit der SPD eng verbandelte DGB aber gegen SPD-Innenministerin Nancy Faeser stellen, die Sozialproteste präventiv unter einen „Demokratiefeinde“-Verdacht gestellt hat.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.