Der Staatsstreich in Niger, dessen Folgen noch nicht absehbar sind, hätte den „einzigen demokratischen Staat, den es im Sahel noch gibt“ getroffen. So lauten die offiziellen Stellungnahmen hierzulande, ergänzt um das zerknirschte Eingeständnis, dass man sich hinsichtlich „der Stabilität von Niger getäuscht“ habe.
Uranlieferant für Frankreich
Das verwundert schon, weil das Land seit seiner 1960 von Frankreich errungenen Unabhängigkeit eine lebhafte Putschvergangenheit hat und die Phasen, in denen das westliche Demokratiemodell implantiert war, für die Nigrer keine Verbesserungen bewirkten. Im Gegenteil, die zu großen Teilen noch archaischen Lebensverhältnisse haben sich eher verschlechtert, weil sich die Räume, wo sie früher, zumindest ökologisch korrekt herrschten, enorm verkleinert haben. Und das bei stark gewachsener Bevölkerung.
Seit 1995 protestieren die nigrischen Tuareg gegen den Raub ihres Weidelands, das durch Konzessionen für den Uranabbau zugunsten Frankreichs verloren ging und aufgrund der damit einhergehenden ökologischen Zerstörungen womöglich nie mehr nutzbar wird.
Transitland für Migranten
Ihre Revolte sprang 2011 auf die Tuareg im angrenzende Mali über. Andere Gebiete Nigers werden seit Jahrzehnten von Drogenkartellen und mit ihnen verschwisterten bewaffneten Islamisten unsicher gemacht.
Niger ist außerdem nicht nur ein wichtiges Transitland für eine innerafrikanische Emigration. Beträchtliche Teile der eigenen Bevölkerung begeben sich ständig auf die gefährlichen Fluchtrouten in Richtung Norden. Die meisten Nigrer träumen nicht einmal von einer Überfahrt nach Europa. Tunis oder Algier sind die wichtigsten Ziele. Wie mir eine Bekannte in Niamey kürzlich sagte, gilt die algerische Hauptstadt den Menschen als ein ebenso glanzvoll imaginiertes Ziel, wie es New York einst für arme europäische Auswanderer gewesen sei.
Die beachtlichen Finanzhilfen, die westliche Staaten Niger gewährten, reichten indes nur für die Bekämpfung von Schleppernetzen und eine Pro-Forma-Armenversorgung. Zumindest in Niamey kann jeder Hungernde eine tägliche Mahlzeit bekommen. Produktionsanlagen, die die eigene Versorgung sichern und sogar weltmarktfähige Waren herstellen könnten, sucht man in Niger allerdings vergebens.
Mit Steinen beworfen
Mehr Milliarden Euro als Geld für den sozialen Beistand setzten Frankreich und seine in der MINUSMA-Militärmission Verbündeten freilich in den Sand von Niger. Als aus Burkina Faso abziehende Kolonnen der französischen Berkhane-Mission Niger durchquerten, wurden sie auch dort mit Steinen beworfen.
Wie sich eine neue Exekutive, die nach aktuellem Stand eine Militärregierung sein dürfte, zur MINUSMA verhält, ist noch ungewiss. Dies tangiert auch die Frage, ob die Bundeswehr den von Mali erzwungenen raschen Transfer nach Niger noch wie geplant bewältigen kann.
Außer den Vereinten Nationen und den westlichen Staaten haben auch die Afrikanische Union und die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft gegen den Putsch protestiert. Wohl um jeden Verdacht zu zerstreuen, sie habe die Hand im Spiel, hat das auch die russische Regierung getan, die gerade eine Gipfelkonferenz mit Regierungsvertretern aus 44 afrikanischen Ländern in Sankt Petersburg abhält.
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