Männerfußball, Frauenfußball: Der DFB benutzt Begriffe, für die er Fans verurteilt

Kolumne Bayer Leverkusen, Dynamo Dresden, Chemnitzer FC: Das Sportgericht des deutschen Fußballs ahndet Begriffe, ohne die der Verband doch selbst nicht auskommt: Unsere Kolumnistin schüttelt den Kopf – und macht einen Vorschlag zur Güte
Ausgabe 08/2024
Fans des Dynamo Dresden provozieren mit einem Banner
Fans des Dynamo Dresden provozieren mit einem Banner

Foto: Imago/Zink

Achtung, ich peppe jetzt diese Kolumne mit einigen menschenverachtenden Stilmitteln auf, um mehr Aufmerksamkeit zu erheischen: „Es gibt nur 2 Geschlechter“ (Fanplakat Bayer Leverkusen, Dynamo Dresden), „Sehr geehrte Damen und Herren, Punkt“ (Fanplakat Eintracht Braunschweig) und dann vielleicht noch das hier: „DFB-Fanshop: Herren, Damen, Baby und Kinder“ (Fanplakat Chemnitzer FC).

Habe ich Ihre Aufmerksamkeit? Ob die Ausflüchte von Dynamo durchgehen, ist unklar. Falls nicht, müssen die wohl auch 18.000 Euro zahlen. Dazu hat das DFB-Sportgericht Leverkusen verurteilt. Das Plakat spreche anderen Geschlechtern als den zwei üblichen die Existenz ab! Kommentarspalten verwandeln sich daraufhin in akademische Symposien: „Ich kann diese Biologie-Argumente nicht mehr hören! Es geht nicht um biologische Geschlechter, es geht um Geschlechtsidentitäten. Ihre Diversität ist wissenschaftlich und rechtlich anerkannt.“

Ein uralter, heute unsagbarer Volksglaube

Klingt erst mal progressiv, indes: „Ihr Biologiebuch scheint etwas veraltet zu sein“, „Die Idee eines binären Geschlechts ist aus dem Fenster“, „Auch biologisch gibt es viele Geschlechter“, sekundiert der Spiegel mit einem Zitat des Sexualwissenschaftlers Heinz-Jürgen Voß. Die Deutsche Welle weiß das schon lange: „Der breite wissenschaftliche Konsens“ sei mittlerweile: „Geschlecht ist ein Spektrum“, wohlgemerkt: das biologische. Wer anders argumentiere, „hat vielleicht die Bibel gelesen, sich aber leider nicht mit Wissenschaft beschäftigt“, verkündet der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann.

An diese Debatten brandet nun mit Macht ein uralter Volksglaube heran, dessen Ursprünge mit dem aktuell gültigen Wortschatz unbeschreibbar sind. Deshalb führe ich hier mal zwei neue Begriffe ein: Novemesi und Setteminuti. Der Volksglaube geht nämlich auf folgende Beobachtung zurück: Es gibt eine Gruppe von Körpern, die sind, wenn sie sich denn fortpflanzen, damit neun Monate beschäftigt: Novemesi. Einer zweiten Gruppe reichen sieben Minuten – Setteminuti. Es gibt auch Überflieger, klar, aber kein Spektrum: Kein menschlicher Körper ist etwa natürlicherweise dreieinhalb Wochen oder fünf Tage mit der Reproduktion beschäftigt. Ein Setteminuti-Körper scheint Arbeitgebern oft überzeugender, denn der erledigt die Fortpflanzung meist in seiner Freizeit, aber der Novemesi? Einem solchen Körper soll neun Monate lang kein Kaffee, kein Rauch, kein Stress oder Alkohol zugemutet werden, der übergibt sich auch ohne all das.

Hätte man mich gefragt, ich hätte mich für Setteminuti entschieden, der Effizienz wegen. Ich bin froh, dass im Laufe meines Lebens der wirtschaftliche Nachteil eines Novemesi-Körpers erkannt und durch Förderprogramme genildert wurde. Als Glück sehe ich auch, dass ich im Rennkajak nie mit Setteminuti-Körpern um Medaillen konkurrieren musste.

Jetzt hoffe ich, dass mit den meinen neuen Begriffen diese binären Unterschiede weiterhin beschrieben werden können, ohne in die Menschenverachtung abzugleiten. Ein Mensch mit Novemesi- oder Setteminuti-Körper soll sich, mit was immer er für richtig hält, identifizieren. Bleibt nur noch eine Frage als abschließendes Stilmittel: Wäre es menschenverachtend, wenn der DFB den Frauen- und Männerfußball entsprechend umbenennen würde?

Susanne Berkenheger war früher Netzliteratin (Zeit für die Bombe) und Satirikerin (SPAM bei Spiegel online). Für den Freitag schreibt sie sehr gerne ihre monatliche Kolumne „Die Ratgeberin“.

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