Das Römische Reich der Frauen: Diättipps

Kolumne Wie oft Männer ans Römische Reich denken, war zuletzt der Witz in sozialen Medien. Doch was wäre das Äquivalent für Frauen? Kalorien, Diäten und Schlankheitsmittel, sagt unsere Autorin
Ausgabe 44/2023
Da sieht man den Wahn vor lauter Dünnen nicht
Da sieht man den Wahn vor lauter Dünnen nicht

Foto: Karl-Heinz Hick / picture alliance / JOKER

Alina Saha ist Online-Redakteurin des Freitag. Neben Umwelttthemen schreibt sie abwechselnd mit Dorian Baganz, Özge İnan, Elsa Koester und Tadzio Müller die Kolumne „Super Safe Space“.

Vor wenigen Wochen war es der Witz in den sozialen Medien: Wie oft denkst du eigentlich an das Römische Reich? Männer tun das – angeblich – recht häufig, manche sogar mehrmals täglich.

Obwohl eine Umfrage das inzwischen widerlegt haben will, hielt sich der Witz hartnäckig und Mädchen und Frauen antworteten auf Tiktok, was ihr persönliches „Römisches Reich“ ist. Die Ernährungsberaterin Abbey Sharp, die krankhafte Hunger-Diäten und Ernährungstips auf Tiktok entlarvt, teilte schließlich das Video einer jungen Frau, die das weibliche „Römische Reich“ entdeckt hatte: dünn sein.

Und wirklich, einmal darauf gestoßen, fiel mir auf, wie häufig mir das Thema an einem Tag über den Weg läuft: Zeitschriften an Frauen sind voller Tipps zum Abnehmen. Kalorienarme Produkte und Nahrungsergänzungsmittel, die Hunger lindern oder den Stoffwechsel ankurbeln sollen, werden unausweichlich beworben.

Ozempic, das neueste Schlankheitsmittel und eigentlich ein Mittel für Diabetiker, ist bloß der jüngste Abnehme-Hype.Laut einer Studie einer australischen Universität wissen bereits sechsjährige Mädchen, dass von ihnen erwartet wird, dünn zu sein.

Der Wert hängt von der Zahl auf der Waage ab

Auch ich hatte schon in der Grundschule gelernt, dass ich für mein Aussehen, insbesondere meine durch starken Wachstumsschub anhaltende Schlankheit, deutlich mehr Anerkennung und Lob bekam als für jedes „sehr gut“ auf dem Zeugnis, jedes geschossene Tor im Fußballturnier und jedes erfolgreiche Querflöten-Konzert zusammen.

Ich war immer die Größte und Dünnste in der Klasse gewesen, ohne je etwas dafür getan zu haben. Bis irgendwann mal jemand ein Mädchen kannte, das vielleicht noch dünner war. Mein Wert hing von einer Zahl auf der Waage ab, da kann nur ein gestörtes Selbstbild herauskommen. Selbst jetzt habe ich manchmal Phasen, in denen ich es schwer ertrage, wenn meine Hosen am Bauch enger werden.

Die Kommentare unter Abbey Sharps Tiktoks zeigen, dass die Obsession mit dem schlank sein die Regel und nicht die Ausnahme ist. Auch wenn nicht die Mehrheit der Frauen direkt eine Essstörung entwickelt, bleibt es ein Druck, den wir tagtäglich verspüren. Sei grazil, nimm nicht viel Raum ein, halte dich zurück, sprich: Reiß dich zusammen, stopfe dich gefälligst nicht voll und halt am besten noch die Klappe.

Mehrgewichtige Frauen werden bei Beförderungen übergangen

Frauen ziehen tatsächlich einen ökonomischen Vorteil daraus, dünn zu sein. Oder eher: Wir haben wirtschaftlich einen weiteren Nachteil, wenn wir es nicht sind. Datenauswertungen zufolge gibt es nämlich einen Zusammenhang zwischen dem Einkommen, das zur Verfügung steht, und der Körpermasse, dem BMI. Je höher das Einkommen, desto geringer ist im Schnitt der BMI.

Ganz einfach, dachte man sich früher: Wer mehr verdient, isst gesünder und hat mehr Zeit für Bewegung. Doch das kann nicht sein, denn dieser Zusammenhang zwischen Einkommen und Gewicht trifft nur auf Frauen zu. Männer mit höheren Einkommen haben im Schnitt sogar einen leicht höheren BMI als Männer mit geringem Einkommen. Und nein, das ist nicht einfach nur Muskelmasse.

Übergewichtige Frauen werden seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen und häufiger bei Beförderungen übergangen.

Also genau das, was ich bereits in der Grundschule verinnerlicht hatte: Frauen misst man nicht an ihren Leistungen, der Intelligenz oder ihren Talenten, sondern daran, ob sie in Größe 34 passen.

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Geschrieben von

Alina Saha

Redakteurin „Online“

Alina Saha hat in Berlin und Tokio Vergleichende Literaturwissenschaften und Japanstudien studiert. 2019 kam sie als Hospitantin zum Freitag, blieb zunächst als freie Autorin und ist seit Ende 2021 Teil der Online-Redaktion. Ihre Themen sind die Klimakrise, mit Schwerpunkt auf Klimabewegungen, sowie Gesellschaft und Politik Ostasiens.

Alina Saha

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