Schönheits-OP und Botox: Sophie Passmann und der resignative Feminismus

Schön Schlau und doof: Botox-Weiblichkeit feministisch vermarkten wie Sophie Passmann – und das Kämpfen anderen überlassen
Ausgabe 37/2023
Die Nase von dort, die Lippen von hier und die neuen Augen von da drüben
Die Nase von dort, die Lippen von hier und die neuen Augen von da drüben

Collage: der Freitag

Frausein geht mit (selbst)beschämendem und -verletzendem Verhalten einher. Keine muss sich dafür ritzen – ständige Selbstzweifel, Diäten oder unbequeme Klamotten reichen völlig aus. Irgendwann wirken auch Spritzen und Skalpelle unvermeidlich im Hamsterinnenrad der Selbstoptimierung. Statt sich aufzulehnen, erschöpft sich der feministische Kampf mancher mittlerweile offenbar darin, „den Männern“ die Schuld zu geben an eigenen Entscheidungen: ein schmollendes, trotz- und trostloses „Muss ja!“ zum Status quo des Schönheitsdiktats erschallt.

Denn mit dem Patriarchat ist es wie mit dem Gendern: Es ist zwar viel davon die Rede, aber die Wirklichkeit bleibt stur. Ein schlechtes Gewissen oder Sternchen hier und da ändern daran wenig. Unter der Oberfläche des traditionell sich progressiv dünkenden, linksliberal aufgeklärten Diskurses bleiben die Körper: verunsichert, verletzt, verachtet.

„Fuckability“, was für ein fürchterliches Wort

Ein neuer resignativer Feminismus geht nun davon aus, dass Frauen auf ewig dazu verdammt sind, patriarchalen Erwartungen zu entsprechen. Der „männliche Blick“ versteinert sie wie einst Gott Lots zurückblickende Frau. Immerhin ist die weibliche Seele seit Jahrtausenden geübt, den mit ihr verbundenen Körper als defizitär wahrzunehmen: zu dick, zu wenig, zu faltig, zu knochig, zu klein, zu groß, zu alt, zu ZU. Ein richtiges Frausein im falschen? Undenkbar.

Bei aller schlauen Überauf- und Abgeklärtheit kommt dann mitunter grober Unfug heraus. Etwa der, dass Frauen sich auf eine „Fuckability“ hin zurichten müssten – ein fürchterliches Wort für die fürchterliche „sexuelle Verwertbarkeit“. Um das Furchtbare zu wissen, schützt jedoch nicht vor dem Vollzug. Sophie Passmann etwa kritisiert es gewitzt – und unterwirft ihren Leib doch den vermeintlichen Anforderungen.

Pseudo-Feminismus

Man muss beiden widersprechen, der Zuschreibung und der Passmann, deren Ehrlichkeit sie ehrt. Aber wie sie beichtartig öffentlich rechtfertigt, sich Botox spritzen zu lassen, macht ratlos. Zumal sie den kleinen, pardon, reichlich egozentrischen Ausschnitt ihrer sexualisiert-medialen – und zahlungskräftigen – Kamerawirklichkeit mal eben gleichsetzt mit dem realen Leben aller Frauen.

So lügt der vom männlichen überschattete weibliche Blick aus der düsterschick getönten Brille eine Schein-Wahrheit herbei, mit der jede Veränderung gebrandmarkt werden kann als tendenziell lächerlicher, selbstbetrügerischer Fake. Denjenigen, die Frauen in verächtlich-dümmlicher Weise bewerten, bleibt so das letzte Wort – eine Spielart des Pseudo-Feminismus, der lebensfeindliches Verhalten zwar durchschaut und beschreibt, aber nicht, um dagegen zu kämpfen, sondern um zur Resignation aufzurufen. „Die Welt ist unveränderlich schlecht“, lautet das Motto, „wir können uns nur unterwerfen und möglichst gutaussehend und profitabel darüber klagen.“

Botox, Make-up, Beinrasur

Ob eine sich botoxen lässt, ist voll und ganz ihre Sache, als aufklärerisch-mutig-desillusionierte Outing-Aktion überzeugt es derweil kaum, auch wenn stimmt, dass die Grenzen von Make-up und Beinrasur zum selbstverstümmelnden „Schönheitseingriff“ fließend sind. „Wir können nicht gewinnen“, lautet die kurzschlussfolgernde Überschrift bei Passmann, die aktuell Käuferinnen fürs neue Buch gewinnen will. Ihre Beweisführung stützt sich zum großen Teil auf Mechanismen der sozial-medialen Verachtungs-Vermarktungswirtschaft. Demnach entspringt das Bedürfnis, als Frau begehrt zu werden, ausschließlich böse-männlichen Übermächten, sodass jede Selbstermächtigung des – Begehren begehrenden – weiblichen Körpers von vornherein zur Farce wird.

Frausein erscheint hier als effiziente Weiterentwicklung des Stockholmsyndroms: Den Geiselnehmer braucht es gar nicht mehr. Der resignative Feminismus legt sich den lähmenden Lappen selbst auf den Mund. Betäubt alle Wut – und alles Mitgefühl. Dabei wären sie so nötig: der töchterliche Mut, sich selbst und einander schön zu finden, die schwesterliche Wut auf das ohne echte Anschauung elend leerbegriffige „Patriarchat“. Und das mütterliche Mitfühlen mit denen – mit uns! –, die beim Selbstvergiften mitmachen und sich dabei auch noch abverlangen, so zu tun, als wäre das cool, weil instagramtauglich.

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Geschrieben von

Katharina Körting

Freie Autorin und Journalistin

2024 Arbeitsstipendiatin für deutschsprachige Literatur der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt

Katharina Körting

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