Armutsbetroffen: Wie schützen wir uns 2024 besser vor dem Hass von CDU und FDP?

Kolumne Der Haushalt 2024 steht, und unsere Autorin stellt fest: Für Armutsbetroffene sieht es 2024 nicht rosig aus. Wie man sich trotzdem schützt? Einige Tipps für ein warmes Miteinander und zur Selbstfürsorge in Zeiten der Kälte
Immerhin: Die Ampel-Regierung hat sich auf einen Haushalt für 2024 geeinigt
Immerhin: Die Ampel-Regierung hat sich auf einen Haushalt für 2024 geeinigt

Foto: Michael Kappeler/picture alliance/dpa

Ich werde oft gefragt: Wie hältst du das aus, all die schrecklichen Nachrichten, die Krisen und den Klassismus? Dieses Jahr war turbulent, erst recht für Armutsbetroffene, die das politische Geschehen verfolgen. Emotional habe ich es noch nicht verarbeitet, dass wieder Kürzungen im Sozialbereich vorgeschlagen wurden. Nun steht der Haushalt 2024, und es sieht nicht rosig aus. Die Anhebung des CO₂-Preises wird uns alle treffen. Am Klimaschutz wird gespart, auch das wird langfristig die Armen treffen.

Glücklich ist mit diesen Plänen wohl keiner so richtig. Trotzdem bin ich froh, dass die Regierung sich geeinigt hat und wir nicht vor einem Bruch der Ampel stehen. Denn was wäre die Alternative? Eine Regierung mit CDU-Beteiligung?

Was die Haushaltseinsparungen für uns Arme ganz konkret bedeuten, werden wir erst im Verlauf der nächsten Monate sehen. Bürgergeldempfänger und Grundsicherungsempfänger bekommen 61 Euro mehr, weil es gesetzlich so vorgeschrieben ist. Ich bin froh und dankbar. Ich hätte nicht gedacht, dass das Jahresende so turbulent werden würde. Dass die Vorurteile gegen armutsbetroffene Menschen von CDU/CSU/FDP so offen geschürt werden, ist für mich immer wieder unfassbar. Ich glaube auch, dass das Thema Bürgergeld nächstes Jahr weiterhin eine große Rolle spielt und ich hoffe sehr darauf, dass es couragierte Menschen gibt, die sich diesen Vorurteilen laut entgegenstellen. Es wird nötig sein!

Wenn S in der SPD für sozial steht – warum dann die Preiserhöhungen?

Die Unsicherheit bleibt, denn wir Armutsbetroffenen haben über so viele Sparvorschläge im sozialen Bereich gehört und gelesen, dass wir misstrauisch sind, auch wenn die SPD das S für Sozial urplötzlich in ihrem Parteinamen wiederentdeckt hat – zumindest auf ihrem Parteitag. Für wie lange? Und wieso setzt sich die SPD dann nicht dafür ein, dass ärmere Menschen die Erhöhung des CO₂-Preises nicht tragen müssen, wenn sie heizen wollen oder Autofahren?

Wie sozial kann es sein, zu sparen, bei all den Defiziten, die wir in Deutschland haben? An Schulen fehlen Lehrer und die Toiletten sind kaputt, wie das Gesundheitssystem funktioniert, ist unter den Hashtags #Pflegebrennt und #Medizinbrennt nachzulesen, es fehlen bezahlbare Wohnungen, der soziale Wohnungsbau wurde vernachlässigt und die Mietpreissteigerungen sind ein Thema für sich. Und auch die Zahl der armutsbetroffenen Menschen wird weiter zunehmen, denn noch sind nicht alle Nachwehen von Corona in Erscheinung getreten.

Unsicher starten wir ins neue Jahr, aber nicht hoffnungslos. Es ist wichtig, Pausen zu machen, auch Medienpausen. Das habe ich in meinem zweiten Jahr als Armutsaktivistin gelernt. Es war ein aufregendes Jahr voller Veränderungen und neuer Erfahrungen, die mich bestärkt haben, in dem weiterzumachen, was ich tue: über Armut aufklären, Betroffenen helfen, ihre Scham zu überwinden und ihre Stimme zu finden, ins Gespräch kommen mit Nichtarmutsbetroffenen. Selbstwert und Mut hat weniger mit dem Geldbeutel zu tun, als mit der Persönlichkeit und der Möglichkeit, diese zu stärken. Wir alle sollten mehr miteinander reden und voneinander lernen. Ich traf Menschen, denen eine positive Entwicklung unserer Gesellschaft am Herzen liegt, die mich sehr beeindruckt haben.

Dankbar für die Sicherheit und den Sozialstaat

Wie halten wir das alles also aus, die Krisen und den Hass der CDU und der FDP, auch im nächsten Jahr? Ich stärke mich, indem ich mich mit Menschen umgebe, die mich lieben und verstehen. Ich achte auf mich und meine Grenzen, gerade in unruhigen Zeiten ist es das, was mich so stabil hält, so gut es geht. Ich schaue auf das Gute, das ich erlebt habe und auf das, was mich glücklich macht. Privates Glück ist ein Anker für mich: In all dem lauten, beängstigendem Leben das Positive sehen, dankbar sein, dass in meinem Land kein Krieg herrscht, dass ich ein Dach über dem Kopf habe, etwas zu essen und medizinisch versorgt bin.

Ich bin dankbar, dass ich in einem Land lebe, das einen Sozialstaat aufgebaut hat und, entgegen vieler Angriffe, auch verteidigt. Ohne diesen wäre ich nämlich schon längst obdachlos – und höchstwahrscheinlich tot.

Ich bin dankbar für die Sicherheit, die ich habe. Und ich wünsche uns allen für das neue Jahr den Mut, Veränderungen zum Positiven anzugehen, dazu zählt auch, den Klimawandel zu bewältigen. Mag sein, dass dafür der CO₂-Preis steigen muss, aber, und hier kommt mein zweiter Wunsch: Ich wünsche mir den Mut, Lösungen zu suchen, die auch Sicherheit wahren. Die Sicherheit, als Armutsbetroffene in diesem Land leben zu können, und leben heißt auch: heizen zu können und sich bewegen zu können.

Kommt gut ins neue Jahr, und achtet auf euch.

#Armutsbetroffen

Janina Lütt lebt mit ihrem Kind in Elmshorn. Auf freitag.de schreibt sie eine regelmäßige Kolumne über den Kampf mit und gegen Armut

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Geschrieben von

Janina Lütt

Kolumnistin

Janina Lütt ist armutsbetroffen, sie bestreitet ihre Leben für sich und ihre Tochter mit Erwerbsminderungsrente auf Bürgergeld-Niveau. In ihrer regelmäßigen Kolumne auf freitag.de berichtet sie über den Alltag mit zu wenig Geld, über die Sozialpolitik aus der Perspektive von unten, über den Umgang mit ihrer Depression und über das Empowerment durch das Netzwerk #ichbinarmutsbetroffen: @armutsbetroffen

Janina Lütt

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