„Neue Seidenstraße“: Chinas Initiative wird zum Baustein einer anderen Weltordnung

Meinung Vor zehn Jahren startete China die Belt-and-Road-Initiative (BRI), um Infrastrukturprojekte relevanter Handelspartner zu fördern. Ab 2017 war sie auch eine Reaktion auf den von der Trump-Administration begonnenen Handelskrieg
Ausgabe 43/2023
900 Milliarden Dollar hat China in das Projekt „Neue Seidenstraße“ investiert
900 Milliarden Dollar hat China in das Projekt „Neue Seidenstraße“ investiert

Foto: Imago/Xinhua

Es war im September 2013, als Präsident Xi Jinping den Start der Belt and Road Initiative (BRI) verkündete, bekannter als „Neue Seidenstraße“. Kein imperiales Projekt, es ging und geht um Handelswege zu Land und zu Wasser. Die Verbindungen zwischen der Volksrepublik und wichtigen Handelspartnern in Asien, Afrika und Europa sollten verbessert und ausgebaut werden, was vielfach gelang. Natürlich geschah das in der Absicht, China auch dadurch als eine führende Weltwirtschaftsnation zu etablieren. Die „Neue Seidenstraße“ absorbierte zudem Überkapazitäten staatlicher wie privater Unternehmen, die nach künftiger Verwendung suchten. Diese Firmen waren heftig expandiert, als in ihrem Land ein Netz der Hochgeschwindigkeitszüge und Autobahnen entstand.

Vieles wurde seither auf den Weg gebracht, diverse BRI-Projekte hat China geplant, finanziert und selbst realisiert. Nicht immer mit Erfolg, wenn Vorhaben, die etwa in Ost- und Mitteleuropa angekündigt waren, auf Eis liegen. Die chinesische Führung musste lernen, dass Polen, die Slowakei, Tschechien, Estland, Litauen und Lettland entweder Abstand nehmen oder ihr Engagement für Vorhaben merklich drosseln. Serbien und Ungarn hingegen treiben BRI-Projekte gegen alle Widerstände, nicht zuletzt aus der EU, voran. Viktor Orbán und Aleksandar Vučić brauchen die Hilfen des starken Partners aus Fernost. Dieser setzt vermehrt auf eine multilaterale Planung, um Großprojekten gerecht zu werden, etwa beim Ausbau des „mittleren Korridors“ durch Aserbaidschan und Georgien, der die seit Beginn des Krieges in der Ukraine blockierte „Nordroute“ ersetzen soll. Oder bei einer ersten Bahnlinie für Laos, die niemand unterstützen wollte, bis die Regierung in Vientiane bei den Chinesen anfragte.

Insgesamt hat China seit 2013 mehr als 900 Milliarden Dollar für Infrastrukturprojekte außerhalb seiner Grenzen aufgebracht, ohne – wie erwünscht – mehr ausländische Investoren einbezogen zu haben. Kapitalkräftige Geber sitzen nun einmal im Westen, mit dem Peking derzeit keineswegs störungsfreie Beziehungen unterhält. Globale Rivalität ist dafür ebenso ausschlaggebend wie Chinas partnerschaftliches Verhältnis zu Russland. Dissonanzen gibt es zudem mit Ländern wie Indonesien. Dazu wird die Kritik an BRI-Projekten wegen der ökologischen, sozialen und finanziellen Folgen für die Empfängerstaaten lauter.

Beim Gipfel soeben in Peking zur Feier der „Neuen Seidenstraße“ reisten Vertreter aus 140 Ländern an, darunter Staats- und Regierungschefs wie Viktor Orbán als einziger Ministerpräsident eines EU-Mitglieds. Warum machte sich die Europäische Union derart rar, wo sie doch ihr mit Abstand größtes Handelsvolumen über China abwickelt?

Vielleicht, weil die Gästeliste zeigte, dass sich der Schwerpunkt der Initiative verlagert: von Europa auf Schwellenländer in Asien und Afrika, in jüngster Zeit zugleich in Lateinamerika. Die „Seidenstraße“ auszubauen, das war ab 2017 auch eine Reaktion auf den von der Trump-Administration begonnenen Handelskrieg. Je mehr dem standgehalten wurde, desto nachdrücklicher empfahl sich die Belt and Road Initiative als Baustein einer neuen Weltordnung. In der agiert China nicht allein als Schirmherr von Ländern des Globalen Südens, denen es sonst an Lobby fehlt. China verfügt über ein besseres Image als westliche Staaten und kann Schwellenländern nachvollziehbar beweisen, dass es deren Interessen gegenüber dem Westen teilt.

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