Gegen den portugiesischen Regierungschef António Costa, mehrere seiner Minister und engsten Mitarbeiter wird wegen Korruptionsverdachts ermittelt. Es geht unter anderem um Konzessionen von Schürfrechten für Lithium und Milliardeninvestitionen in grünem Wasserstoff. Costas Stabschef und ein politischer Berater, der auch sein Trauzeuge und enger Freund ist, wurden vorläufig festgenommen.
António Costa wollte José Mourinho zu umarmen
Lange Zeit sprach Regierungschef António Costa in der Verkleinerungsform von „Casinhos“, „Affärchen“, nicht von „Casos“, richtigen Affären. Von denen gab es viele in der jüngeren Vergangenheit unter den Regierungen, die Costa seit acht Jahren anführte, zuletzt seit knapp zwei Jahren sogar mit absoluter Parlamentsmehrheit seiner Partei, dem Partido Socialista (PS).
Mal war es eine neue Staatssekretärin, die kurz vor Amtsantritt bei einem staatlich gelenkten Unternehmen (TAP) kündigte und noch eine halbe Million Euro Abfindung einstrich, mal ein Minister, der einem Mitarbeiter am Telefon mit Prügel drohte. Ein andermal ein Staatssekretär des Finanzministeriums, der auf Kosten eines von seinem Ministerium wegen Steuerdelikte untersuchten Großunternehmens (GALP) zu einem Fußballspiel ins Ausland flog.
Stabschef in Haft
Oder der Regierungschef selbst machte, um am Ball zu bleiben, mit dem Regierungsflieger einen Abstecher nach Budapest, um dort, wie er sagte, „einen guten Freund zu umarmen“, den Trainer der AS Roma, José Mourinho – Costa sah sich das Spiel auf der Ehrentribüne an. Zuletzt floh ein Referent, der sich weigerte, die Position seines Ministers vor einer parlamentarischen Kommission zu bestätigen, mit einem Notebook aus dem Ministerium, und der Minister ließ den Inlandsgeheimdienst einschalten, um den Datenträger zurückzuholen.
Selten gab es Konsequenzen. Der Minister, der Fausthiebe androhte und Geheimagenten rief, durfte im Amt bleiben, obwohl selbst Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa dessen Rücktritt als ratsam bezeichnete und anriet, was António Costa ignorierte.
Nun aber war es so weit. Der Amtssitz des Regierungschefs, die Portugiesische Umweltagentur und mehrere Privathäuser wurden von der Staatsanwaltschaft durchsucht. António Costas Stabschef und vier weitere Personen, darunter ein Berater und enger Freund des Regierungschefs sowie zwei Unternehmer, sind vorläufig in Haft. Gegen zwei weitere Minister seines Kabinetts und den Oberbürgermeister der Stadt Sines im Alentejo, deren Tiefwasserhafen ein wichtiger Umschlagplatz für Öl und Gas ist, wurden ebenfalls Ermittlungen eingeleitet.
André Venturas rechtsextreme Chega-Partei lauert
Im semipräsidentiellen System Portugals hat der direkt gewählte Staatspräsident zwar vor allem protokollarische Funktionen, aber er kann, wenn die „Normalität der demokratischen Abläufe“, wie es die Verfassung formuliert, nicht gewährleistet ist, das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen. Genau das steht zu erwarten, nachdem Marcelo Rebelo de Sousa das Rücktrittsgesuch Costas angenommen hat. Das Gefühl im Land – in politischen Kreisen wie auf der Straße – ist, dass eine zunehmend arrogant agierende Regierung nun das erwartete Ende findet. Die „Casinhos“ akkumulierten sich, mit immer neuen Auswüchsen, die Regierung implodiert.
Der gegenwärtige Regierungsskandal weckt Erinnerungen an den ehemaligen Premierminister José Sócrates, unter dem António Costa auch Minister war. Sócrates’ Prozess zieht sich seit neun Jahren in die Länge, von den 31 Anklagepunkten – darunter viele wegen Korruption und Vorteilsannahme, die inzwischen von dem in einem umstrittenen Verfahren ausgewählten Untersuchungsrichter fallen gelassen wurden – sind derzeit nur noch sechs übrig (Geldwäsche und Dokumentenfälschungen), die demnächst verjähren könnten. Costa war nicht so exponiert wie Sócrates und gegen ihn werde zur Zeit nur deswegen ermittelt, weil ihn mehrere seiner jetzt inhaftierten Mitarbeiter in abgehörten Telefonaten namentlich als eingeweiht erwähnten.
Mit dem abrupten Ende von Costas dritter Regierung stehen Portugal möglicherweise Neuwahlen schon im Januar bevor – in einer Zeit, in der die einzige Partei mit einer stabilen Führung die rechtsextreme ,Chega’ (,Es Reicht’) des Ultra-Populisten André Ventura ist.
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