Nahost: Nie war der Druck auf die USA größer, ihre Israel-Politik zu ändern

Militärmission Die Operation „Prosperity Guardian“ soll die Schifffahrt im Roten Meer sichern, doch das ist nicht der einzige regionale Schauplatz, an dem sich die USA zum militärischen Engagement gezwungen sehen
Fotomaterial des jemenitischen Huthi Ansarullah Media Centre zeigt Mitglieder der Rebellengruppe bei der Kaperung des Frachters „Galaxy Leader“ im Roten Meer
Fotomaterial des jemenitischen Huthi Ansarullah Media Centre zeigt Mitglieder der Rebellengruppe bei der Kaperung des Frachters „Galaxy Leader“ im Roten Meer

Foto: Ansarullah Media Centre/AFP/Getty Images

In keinem der fünf bisherigen Kriege zwischen Israel und der Hamas geriet die internationale politische Architektur derart ins Wanken wie nach der Hamas-Attacke vom 7. Oktober und durch den gegenwärtigen Feldzug der israelischen Armee, der als „Operation Eiserne Schwerter“ firmiert. Nie fanden so große Demonstrationen weltweit statt, die eine politische Lösung des Konflikts verlangen, weil diese nicht länger aufgeschoben werden sollte. Gefordert wird nichts weniger als das Ende der Besatzung und die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Palästinenser.

Auch Angriffe irakisch-schiitischer Milizen auf US-Militärbasen sind nicht zu unterschätzen

Neu ist auch der Druck, unter dem jetzt die USA als Israels mächtigste Schutzmacht stehen – und zwar nicht nur durch die auch dort stattfindenden mächtigen Manifestationen. Die Vereinigten Staaten sehen sich im Nahen Osten militärischen Herausforderungen an verschiedenen Fronten gegenüber. Um eine Eskalation erwartbarer Angriffe der Hisbollah auf den Norden Israels zu verhindern, wurden umgehend Kriegsschiffe entsandt, die vor den nahöstlichen Küsten kreuzen. Dennoch schwelt an der israelischen Nordfront ein Konflikt minderer Intensität, in dem die Hisbollah israelische Streitkräfte bindet. Im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg dürften zudem Angriffe irakisch-schiitischer Milizen auf US-Militärbasen stehen, von denen aus nach wie vor in den syrischen Kurdengebieten Erdölfelder besetzt gehalten werden.

Völlig überraschend kamen die Angriffe kleiner maritimer Milizen der jemenitischen Huthis im Roten Meer auf israelische und Schiffe anderer Nationen, die Häfen in Israel ansteuern. Betroffen war u. a. ein deutscher Tanker. Unpassierbar ist das Rote Meer seit Langem für iranische Schiffe, die daran gehindert werden, auf diesem Wege Syrien zu erreichen.

Dass die für den gesamten Welthandel wichtige Wasserstraße störungsfrei befahren werden kann, gehört zu den Selbstverständlichkeiten der regionalen US-Hegemonie. Eben deshalb wird nun fieberhaft versucht, eine Allianz von Seestreitkräften verschiedener Länder zu formieren. Sogar China wurde gebeten, ihr beizutreten. Obgleich die Huthis ihre Attacken wohl einstellen werden, sobald diese Entente einsatzbereit ist, wird die längerfristig notwendige Sicherung des Roten Meeres den Welthandel stark verteuern.

Zu überdenken wäre die westliche Fokussierung auf eine iranische Atombombe

Wahrscheinlich hat vor allem das erzwungene militärische Engagement die USA dazu gebracht, selbst mehr Druck denn je auf Israel auszuüben, nach einem Weg der politischen Entspannung mit den Palästinensern zu suchen. Auffällig ist, dass die Hisbollah, die Huthis und die irakisch-schiitischen Milizen Unterstützung vom Iran erhalten, wenn sie auch weitgehend selbstständig über ihre Operationen entscheiden. Das Kräfteverhältnis ist jedoch keineswegs so, dass die Existenz des Staates Israel in Gefahr gerät.

Weniger wahrscheinlich wird freilich eine Konsolidierung von Groß-Israel als ausschließlich jüdischer Staat in angeblich biblischen Grenzen.

Zu überdenken wäre die bisherige westliche Fokussierung auf eine iranische Atombombe als angeblich größte Gefahr für Israel, die noch nie schlüssig war. Anders als ein nuklearer Beschuss des Iran durch Israel, der verheerend für große Teile seiner Bevölkerung wäre, würde eine von Teheran gelenkte Atombombe nicht nur die Vernichtung vieler Israelis bedeuten, sondern auch vieler Palästinenser, als deren Beschützer sich der Iran bekanntlich empfindet. Allerdings besitzen beide Staaten auch genügend konventionelle Raketen, um sich gegenseitig den größten Schaden zuzufügen. Wer ernsthaft Frieden in der Region anstrebt, muss zu politischen Lösungen beitragen.

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