Christian Lindner stellt Kohlekompromiss infrage: Soll die FDP die Ampel verlassen?

Meinung Deutschland solle die „Träume von einem Ausstieg aus dem Kohlestrom 2030 beenden“, sagt Christian Lindner. Dem grünen Koalitionspartner wird das nicht gefallen. Soll die FDP raus aus der Ampelregierung? Ein Parteirebell aus Kassel will das
Ausgabe 44/2023
FDP-Chef Christian Lindner geht. Wohin? Noch unklar.
FDP-Chef Christian Lindner geht. Wohin? Noch unklar.

Foto: Adam Berry/ Getty Images

Da hat Christian Lindner die Journalisten vom Kölner Stadt-Anzeiger vermutlich überrascht, als er im Interview plötzlich den Kohlekompromiss infrage stellte. Für das Klima bringe dieser „ohnehin nichts“, da die hierzulande eingesparten CO₂-Emissionen „aufgrund der europäischen Regeln zum Beispiel in Polen zusätzlich anfallen dürfen.“ Deshalb sollte Deutschland die „Träume von einem Ausstieg aus dem Kohlestrom 2030 beenden.“ Die Freidemokraten sind am Ertrinken. Und wie Ertrinkende klammern sie sich an vermeintliche Retter. Nur: Wer kann (oder will) die FDP eigentlich noch retten?

Die AfD, die sich ins Fäustchen lacht, wenn FDP-Parteichef Christian Lindner und andere Frontschwimmer ihre Parolen blubbern? Oder doch die Ampel-Koalition, die immerhin „Mitgestaltung“ garantiert? Oder sollte sich die Partei selbst am Schopfe packen und sich aus der Koalition herausziehen? Die Brühe, in der die FDP zappelt, wird immer trüber: Sieben Landtagswahlen mit herben Stimmenverlusten; Rauswurf aus drei Landtagen, Hängepartie in Hessen; bei den Wahlen im Osten dürften weitere Ohrfeigen folgen. Es rumort, nicht nur an der hessischen Basis.

Genau dort, angestoßen vom Kasseler FDP-Chef Matthias Nölke, nahm der Aufstand seinen Ausgang, der zu einem Offenen Brief an Lindner geführt hat. „Engagierte FDP-Politiker“ aus der Kommunal- und Landespolitik erklärten, den „Downfall“ ihrer Partei durch die Koalition verhindern zu wollen. Kritisiert werden grüne „Weltrettungsphantasien“ und eine „schulmeisterliche wertebasierte Außenpolitik“, die der deutschen Wirtschaft „Schaden“ zufüge. Dergleichen kennt man schon aus dem Bündnis Sahra Wagenknecht. Die Briefeschreiber streben nichts weniger an als eine Abstimmung über den Koalitionsaustritt ihrer Partei. 500 Unterschriften brauchen sie, um die 77.000 FDP-Mitglieder an die Urne zu holen.

Es gibt da einen Präzedenzfall: Unter dem unglücklichen Parteivorsitz Philipp Röslers stimmten 2011 knappe 54,4 Prozent der Basis gegen den Euro-Rebellen Frank Schäffler, der den Euro-Rettungsschirm ESM hatte platzen sehen wollen. Hätte auch anders laufen können. Es war der Anfang vom vorläufigen Ende der FDP im Bundestag. Die FDP-Basis ist unberechenbar.

Derweil stimmen Parteichef Lindner und sein Justizminister Marco Buschmann ihr Migrations-Mantra: Drastische Kürzungen der Sozialleistungen und viel mehr Abschiebungen. Noch halte er an der Koalition fest, sagt Lindner. Noch. Als er kürzlich mit der Kritik an seiner Luxushochzeit auf Sylt konfrontiert war, erklärte Lindner, es gebe viele Parteien, dann solle man „in Gottes Namen eben eine andere Partei wählen“. Wie wahr. Vielleicht ist die seine bald überflüssig.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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