Die besten Filme des Jahres 2023

Kino + Film 2023 war ein verhältnismäßig guter Film-Jahrgang.

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10. TALK TO ME

Australien, von Daniel und Michael Philippou, mit Sophie Wilde, Alexandra Jensen, Joe Bird, Otis Dhanji, Zoe Terakes und Miranda Otto

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Im Internet kursieren Videos um Seancen mit der mumifizierten Hand eines Wahrsagers oder Schamanen, mit der Kontakt zu Toten aufgenommen werden kann. Die Hand befindet sich zufällig im Freundeskreis und die 17jährige Mia möchte zwei Jahre nach dem mutmaßlichen Freitod ihrer Mutter Kontakt zu ihr aufnehmen. Kurzfristig dringen Geister von Verstorbenen in die Teilnehmenden ein und das entwickelt sich zum Partyspaß. Auch der 15jährige Riley nimmt teil. Doch etwas geht richtig schief und Riley verletzt sich in Besessenheit schwer und fällt ins Koma. Mia experimentiert weiter mit der Hand, um Riley zu retten und Kontakt mit der Mutter zu bekommen.
Als der Film durchaus erfolgreich in deutschen Kinos lief, wollte ich nicht ins Kino gehen. Zu viel erinnerte an bekannte Fluch-Filme mit Anrufen und einem toten Mädchen aus dem Brunnen und ähnliche Filme. Dann las ich viele sehr positive Kommentare, holte mir doch die DVD und bin schwer beeindruckt. Die auf YOUTUBE sehr erfolgreichen Philippou-Zwillinge gestalten ihr Kinodebut mit viel visueller und erzählerischer Kreativität. Das Ergebnis ist fesselnd und wirklich finster. Auf die Szene mit einem verendenden Känguruh auf der Straße hätte ich allerdings verzichten können.

9. BALLERINA

Korea, von Chung-Hyun Lee, mit Jeon Jong-seo, Park Yu-rim, Kim Ji-hoon

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Personenschützerin Ok-ju trauert um den Tot ihrer Jugendfreundin Min-hee; die Ballettänzerin wurde brutal ermordet. Ok-ju dringt in das Netzwerk von kriminellen Bordellbetreibern ein und nimmt ausführlich Rache mit bloßen Händen, Messern, Schusswaffen und einem Flammenwerfer. Die Geschichte erinnert beim Lesen und Sehen zunächst an die JOHN-WICK-Reihe, ist aber eigenständig. Interessante Figuren und mitreißende Kampfszenen überzeugen voll. Zu sehen ist BALLERINA leider nicht auf der Leinwand sondern auf NETFLIX.

8. KILL BOKSOON

Korea, von Byun Sung-hyun, mit Jeon Do-yeon, Park Se-hyun, Sol Kyung-gu, Lee Jae-wook, Kim Si-a, Esom, Koo Kyo-hwan

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Gil Bok-Soon ist eine Profi-Killerin mit unschlagbarer Erfolgsquote. Sie wird respektvoll Kill-Bolsoon genannt. Ihr Erfolg ist die Fähigkeit, sich in ihre Gegner hinein zu versetzen und ihre Handlungen vorauszusehen. Konflikte im eigenen Syndikat und mit der Konkurenz bereiten ihr viel Streß und bringen sie in Gefahr. Parallel dazu sehen wir die schwierige Beziehung zu ihrer 15jährigen Tochter, die nichts vom Beruf der Mutter weiß. Jae-young ist lesbisch, in eine Klassenkameradin verliebt und hat Liebeskummer, weil sie zurückgewiesen und vor der Klasse bloßgestellt wurde. Stark.


7. PHENOMENA [FENÓMENAS]

Spanien, von Carlos Théron, mit Belén Rueda, Gracia Olayo, Toni Acosta, Emilio Gutiérrez Caba, Miren Ibarguren, Iván Massagué, Óscar Ortuño, Antonio Pagudo

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Drei reife Damen bilden gemeinsam mit einem Priester einen Club, um paranormale Phänomene zu untersuchen und Geister und andere Bedrohungen auszuschalten. Das ist sympatisch und charmant gespielt, spannend erzählt und der Schauplatz Antiquitätenladen bietet viel Atmosphäre. Und ein Film mit Spaniens Superstar-Senora Belén Rueda ist eigentlich immer eine Sichung wert. Auf Netflix.
Der Film ist nicht mit dem gleichnamigen Dario-Argento-Film von 1986 zu verwechseln.

6. JOHN WICK - KAPITEL 4

USA, von Chad Stahelsky, mit Keanu Reeves, Donnie Yen, Bill Skarsgard, Ian McShane, Shamier Anderson, Clancy Brown, Hiroyuki Sanada, Stott Adkins, Natalia Tena und Laurence Fishburne

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Die Auseinandersetzung zwischen Profikiller John Wick und der Hohen Kammer geht in die nächste und vorerst letzte Runde. Der Marquis Vincent de Gramont nimmt den Auftrag, John Wick zu erledigen, und erhält dafür alle Freiheiten, die in einem stilvollen Duell gipfeln.
Die Handlung und Auseinandersetzung werden nicht nur mit ausgedehnten spektakulären Kämpfen, Schießereien und Verfolgungsjagden auf die Spitze getrieben. Der Film entwickelt sich auch zu einem echten Meisterwerk der Lichter, Farben und Formen. Wenn nächstes Jahr ein Mensch den Oscar für die beste Bildgestaltung verdient, dann ist es für mich der gebürtige Däne Dan Laustsen, ein langjähriger filmischer Gefährte von Regisseur Ole Bornedal (NACHTWACHE).

5. TIN & TINA

Spanien, von Rubin Stein, mit Milena Smit, Jaime Lorente, Anastasia Russo, Carlos Morollón, Teresa Rabal, Enara Prieto

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Lola erleidet eine Fehlgeburt und die Prognose ist, dass sie keine Kinder mehr bekommen kann. Lola und ihr Ehemann entscheiden sich, in einem katholischen Kinderheim zwei etwa siebenjährige Albino-Zwillinge zu adoptieren. Die Familie lebt zunächst idyllisch in ihrem Landhaus. Die Kinder sind sehr religiös und entwickeln soziopatische Verhaltensweisen. Zu den Opfern gehören der Familienhund und ein Klassenkamerad der Kinder. Als Lola dann überraschend doch schwanger wird und Mutter wird, kommt es zu einem lebensgefährlichen Vorfall zwischen den Zwillingen und dem Kleinkind.
Die Handlung ist meiner Meinung nach spannend und intelligent erzählt. Auf unnötige Gewaltszenen wird verzichtet und die Hauptsache spielt sich verdeckt und in der Vorstellung des Publikums ab. Und diese beiden lächelnden Kinder mit den blassen Gesichtern und den wasserstoffblonden Haaren sind wirklich beängstigend. Auf Netflix.

4. INFIESTO

Spanien, von Patxi Amezcua, mit Iria del Río, Isak Férriz, Juan Fernández, Antonio Buíl, Ismael Fritschi, Ana Villa, María Mera, Isabel Naveira, José Manuel Poga, Luis Zahera, Andrea Barrado

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Zur Einführung sehen wir Fernsehnachrichten über die Ausbreitung eines gefährlichen Virus. Die spanische Regierung beschließt den Ausnahmezustand. Infizierte werden isoliert. Verstorbene werden ohne richtige Beerdigung entsorgt. Wir sehen den ersten Krimi, der sehr glaubhaft während der Anfangsphase der #COVID19-Pandemie spielt.
Eine seit Monaten verschwundene und mutmaßlich entführte Jugendliche taucht überraschend wieder auf und ist in einem schrecklichen körperlichen und psychischen Zustand. Das Ermittlerduo Castra und Samuel wird mit den Ermittlungen in der unwirtlichen Bergbauregion beauftragt. Castra´s Ehemann ist #COVID-positiv und sie selbst kommt kurz in Quarantäne. Samuel´s Mutter wird in dem Altenwohnheim, in dem sie lebt, isoliert und verstirbt nach einiger Zeit. Bei den Ermittlungen gibt es immer mehr Indizien und mutmaßliche Beteiligte, die auf ein Netzwerk von Entführern und auf okkulte Hintergründe hinweisen.
Der Film ist sehr spannend und auch rätselhaft und die Handlungslinie der Pandemie lässt richtige Weltuntergangsstimmung aufkommen. Zu sehen auf Netflix.


3. THE MURDERER

Thailand, von Wisit Sasanatieng, mit Jonathan Samson, Phetthai Vongkumlao, Eisaya Hosuwan, Eisaya Hosuwan, Sawanee Utoomma, auf Netflix zu sehen

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In einer ländlichen Gegend von Thailand wird der gebürtige Brite, der in die einheimische Familie einheiratete, verdächtigt, mehrere Familienmitglieder und Bekannte aus dem Familienumfeld umbgebracht zu haben. Er ist in Untersuchungshaft und der Polizeiinspektor befragt mehrere Zeugen*innen und Familienmitglieder. Ob die Todesfälle Morde, Unfälle oder unglückliche Zufälle waren, erfahren wir nach und nach in Rückblenden.
Die Handlung wird sehr unterhaltsam, sehr makaber und mit viel visueller Kreativität mit bonbonbunten Farben erzählt. Dabei sind einige Farbkompositionen wie der grellpinke Himmel vermutlich Computertricks, was aber nicht negativ zur Geltung kommt.
Frühere Filme des Regisseurs Wisit Sasanatieng lernte ich vor vielen Jahren auf Filmfestivals kennen und seitdem sehe ich gerne, was er macht.


2. KILLERS OF THE FLOWER MOON

USA, von Martin Scorsese, mit Lily Gladstone, Leonardo diCaprio, Louis Cancelmi, Jack White, Ashley Nicole Hudson, Cara Jade Myers, Jialan Dion und Robert de Niro

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Im Indianerreservat des Osage-Stammes werden Ölquellen gefunden. Die Gier des weißen Mannes ist grenzenlos und so wird das kriminelle Geschäftsmodell entwickelt, junge weiße Männer in die Indianerfamilien einheiraten zu lassen, die Indianerfrauen unauffällig zu sterben zu lassen und deren Eigentum durch die Ehemänner erben zu lassen. Basierend auf einem Sachbuch über tatsächliche Ereignisse erzählt uns einer der letzten Meisterregisseure des US-Kinos die Geschichte einer endgültigen Kolonialisierung und Ausbeutung der amerikanischen Ureinwohner. Es ist schon tragisch und traurig, dass kaum ein Studio die Filme dieses verdienten Filmemachers produzieren möchte und dieses starke Alterswerk mehr oder weniger im Internetfernsehen mit dem Apfelsymbol verschwinden wird.

Vor über 30 Jahren spielte der damals 17 / 18jährige Leonardo diCaprio seinen damaligen Filmvater Robert de Niro in ihrem ersten gemeinsamen Film THIS BOYS LIFE an die Wand. Hier lässt die heraussragende Lily Gladstone als traurige und kranke Indianerin die beiden Weltstars und Oscarpreisträger hinter sich.

1. SONNE UND BETON

Deutschland, von David Wnendt, mit Levy Rico Arcos, Vincent Wiemer, Rafael Luis Klein-Hessling, Aaron Maldonado Morales, Leon Ullrich

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Im brutal-heißen Sommer 2003 erleben die vier Jugendlichen Lukas, Julius, Gino und Sanches die Hölle eines prekären Lebens zwischen Armut, Problemschule, Gewalt, Drogenkriminalität und ihren dysfunktionalen Familien mit alkoholkrankem Schläger-Vater. Um Geld zu beschaffen, brechen sie ihre Schule ein und stehlen neu angeschaffte Computer, um sie weiter zu verkaufen.

Zwischen den zahlreichen filmischen Nahtoderfahrungen, mit denen uns das Deutsche Kino unaufhörlich quält, zwischen den Til-Schweigereien, den entwürdigenden Teenie-Komödien und den missratenen deutschen Neuauflagen europäischer Erfolgsfilme blinkt hier ein filmisches Juwel, das in jeder Hinsicht überzeugt. Wir hören natürliche und naturidentische Dialoge, die normale deutsche Jugendliche sprechen, und wir sehen jugendliche Schauspieler, die teilweise Laiendarsteller sind und wirklich unfassbar gut spielen.

Regisseur David Wnendt hatte seinen ersten großen Erfolg 2011 mit KRIEGERIN, einer Milleustudie über eine Gruppe junger ostdeutscher Neonazis mit der damals 18jährigen Jella Haase (FACK JU GÖTHE, Heul leise Chantal) in einer Hauptrolle. Dann entwickelte er sich zum Spezialisten für schwer verfilmbare Literaturvorlagen. FEUCHTGEBIETE und ER IST WIEDER DA konnten mich nicht überzeugen. SONNE UND BETON ist grandios. Wenn ich einmal oder zweimal im Jahrzehnt einen solchen deutschen Film im Kino zu sehen bekomme, ertrage ich auch den Rest.

Und sonst ...

In der Vorschau von AVATAR 2 - THE WAY OF THE WATER wird ein Trailer zur Disney-Realverfilmung von ARIELLE - DIE KLEINE MEERJUNGFRAU gezeigt. Die Hauptdarstellerin ist dunkelhäutig. Publikum zwei Reihen hinter mir kommentiert lautstark, wie unrealistisch das ist. Im Hauptfilm AVATAR 2 sehen wir blauhäutige außerirdische Planetenbewohner*innen mit langen Schwänzen und niemand im Publikum hat ein Problem damit.

BARBIE war ganz nett anzuschauen, aber insgesamt banal. Die Kulissen waren gelungen. OPPENHEIMER war sehr gut gespielt, nervt aber mit regelmäßigen Optikwechseln zwischen Farbe und Schwarz-weiß und mit einer Filmmusik, die unabhängig von Tempo und Stimmung jede Szene mit intensivem Gedröhne zumüllt, das mehr mit Lärmbelästigung als mit Filmmusik zu tun hat.
Ein Marketing-Genie kam auf die Idee, diese beiden unterschiedlichen Filme von zwei unterschiedlichen Studios, die gar nichts miteinander zu tun haben, zum Gag-Begriff #BARBENHEIMER zu kombinieren. Und warum #BARBENHEIMER und nicht OPPENBARBIE? Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, warum dieser Weichkäse-Hybrid aus Camembert und Gorgonzola "Cambozola" heißt und nicht "Gorgonbert".

Meine Kino-Höhepunkte 2023

Im Frankfurter Freiluftkino sah ich nicht nur SONNE UND BETON sondern auch die beiden Kultfilme THE BIG LEBOWSKI und die ROCKY HORROR PICTURE SHOW.

Im August zeigte das Frankfurter Filmmuseum einen meiner absoluten Lieblingsfilme: David Lynch´s Meisterwerk WILD AT HEART.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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