Mali: Nach dem Abzug Frankreichs und der UN-Mission erobert die Zentralregierung Kidal

Militär In Mali haben Regierungstruppen die Tuareg-Rebellen aus der Metrople Kidal im Norden des Landes vertrieben. Russlands Außenminister Sergej Lawrow gratuliert
Ausgabe 47/2023
Kidal im Nordosten Malis wurde am 14. November von den Forces Armeés Maliennes (FAM) eingenommen
Kidal im Nordosten Malis wurde am 14. November von den Forces Armeés Maliennes (FAM) eingenommen

Foto: Imago/Le Pictorium

Nach elfjähriger Unterbrechung weht die Fahne der Republik Mali wieder über den öffentlichen Gebäuden in Kidal, der Metropole der abtrünnigen Tuareg im Norden des Landes. Nach einem Angriff mit türkischen Drohnen, der mehrere Todesopfer, darunter auch Kinder, forderte, wurde Kidal am 14. November von den Forces Armeés Maliennes (FAM) eingenommen. Der Armee folgten Polizisten und Funktionäre, die die öffentliche Verwaltung wiederherstellen sollen. Ein Teil der Bevölkerung war vor dem erwarteten Kampfgeschehen aus der Stadt geflohen. Mit dem Versprechen, ihr Leben und ihren Besitz zu schützen, lud die Regierung die Geflüchteten zur Rückkehr ein.

Leisteten Wagner-Söldner Unterstützung?

Westliche Medien vermuten, dass Wagner-Söldner auch bei dieser Operation als militärische Unterstützer der Regierungsarmee fungiert haben. Gesichert ist jedoch nur, dass Russlands Außenminister Sergej Lawrow der provisorischen Regierung zur Befreiung der Stadt Kidal gratulierte. Damit sei „eine bedeutende Etappe bei der Wiederherstellung der territorialen Integrität des Staates“ erreicht.

2011, nach dem Zusammenbruch von Muammar al-Gaddafis Libysch-Arabischer Republik, verlor die malische Zentralregierung die Kontrolle über immer größere Teile des Staatsgebiets. Eine Menge moderner Waffensysteme war in die Hände islamistischer Gruppen und separatistischer Tuareg gelangt, die 2012 verkündeten, im Norden einen unabhängigen Staat namens Azawad gründen zu wollen. 2013 drang eine Allianz dieser Gruppen nach Süden vor, um auch Malis Zentralregierung abzusetzen.

Sie konnte nur durch eine französische Militärintervention aufgehalten werden. 2015 kam durch Mediation Algeriens ein Friedens- und Versöhnungsvertrag zwischen der Zentralregierung und den Volksgruppen in Malis Norden zustande. Wesentliche Punkte des Vertrags blieben unerfüllt, weil die Regierung Ibrahim Boubacar Keïta keine finanziellen Mittel für die Interimsverwaltung zur Verfügung stellen konnte. Nur ansatzweise gelangen die Entwaffnung der Rebellen und die ebenfalls vereinbarte Integration von Kämpfern in die offiziellen Streitkräfte. Praktisch kam es in der Nordregion nur zu einem Waffenstillstand, der durch die etwa 6.000 Soldaten garantiert wurde, die die von Frankreich dominierte UNO-Mission MINUSMA in Malis Norden unterhielt.

Islamisten und Separatisten

Man darf sich fragen, wieso die MINUSMA seitdem keine Anstalten machte, auch die Nordregion wieder unter die Regierungsgewalt des gewählten Präsidenten Keïta zu stellen. Das Ziel, nicht nur die von islamistischen Gruppen kontrollierten Gebiete, sondern auch den Norden zurückzugewinnen, stellten sich erst seit 2020 durch Putsche an die Macht gelangte Militärs. Die 2021 gebildete provisorische Regierung von Oberst Assimi Goïta beschloss, dies auch mit militärischer Unterstützung Russlands anzugehen, das bereit war, die malische Armee mit entschieden mehr modernen Waffen auszurüsten als die zuvor verbündeten Franzosen. Weil sich sowohl deren Militärmissionen als auch die MINUSMA als erfolglos erwiesen hatten, setzte die Interimsregierung nicht nur den Abzug der Franzosen durch, sondern forderte auch den MINUSMA-Abzug bis Ende 2023.

Dass die separatistischen Kräfte im Vorfeld dieses Abzugs wieder aktiv werden würden, war erwartbar. Tatsächlich nahmen sie im August ihre militärischen Aktivitäten wieder auf. Dass die MINUSMA vorzeitig und unter Zurücklassung von Teilen der Ausrüstung abzog, ohne ihre Stützpunkte offiziell an die malische Armee zu übergeben, legt den Vorwurf einer Unterstützung der Separatisten nahe.

Diese kündigten, aus Kidal vertrieben, an, die FAM wieder aus der Region vertreiben zu wollen. Der malische Soziologe Mohamed Amara schrieb, dass ein erneutes Bündnis mit den weiter in Nordmali aktiven dschihadistischen Truppen unbedingt verhindert werden müsse. Am schwersten aber sei es, das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat wiederherzustellen. Denn das Debakel von 2012 war nicht nur ein militärisches. Ihm war ein Jahrzehnt des Neoliberalismus vorangegangen, in dem öffentliche Solidarsysteme abgeschafft und vielen die wirtschaftlichen Perspektiven genommen wurden. Jedoch ist das Verhältnis zwischen den berberischen Tuareg und anderen Bevölkerungsgruppen auch historisch belastet. Kommentare in sozialen Netzwerken offenbaren, dass die multiethnische malische Nation immer noch durch ein erhebliches rassistisches Erbe infrage gestellt wird.

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