Alles supi oder was? Über Streit muss sich die Ampel keinen Kopf mehr machen

Meinung Charmeoffensive von Robert Habeck: Die Ampel will nach den Wochen des Missvergnügens endlich nach vorne schauen. Ist dann jetzt endlich alles gut?
Ausgabe 28/2023
Christian und Robert: Wirklich alles „supi“?
Christian und Robert: Wirklich alles „supi“?

Foto: picture alliance/EPA/Filip Singer

Hach, das Fernsehen müsste mal dabei sein, wenn Robi Habeck den Chrissi Lindner mit einem herzlichen „Tschüssikowski“ in den Urlaub verabschiedet! Das bisschen Streit wäre vergessen, die nächste Umfrage ein Festival der Volkszufriedenheit mit der Regierung. Denn alle könnten live erleben, was Habeck gerade auf RTL/ntv enthüllt hat: „Persönlich läuft es supi.“ Smiley! Für alle, die sich jetzt immer noch für Politik interessieren: Der Wirtschafts- und Klimaminister hat auch erklärt, warum das alles so schön ist mit dem Finanzminister. Es liegt daran, dass im gemeinsamen (Staats-)Haushalt die Rollen klar verteilt sind: „Er ist der Finanzminister, er muss das Geld zusammenhalten. Ich bin der Wirtschaftsminister und würde gerne Initiativen für die Wirtschaft geben.“

Linder Koch, Habeck Kellner

Das ist leider nicht ganz auf Augenhöhe, wie man so gerne sagt. Der eine „muss“ nach neoliberalem Staatsverständnis die öffentliche Kasse knapp halten (keine Steuererhöhungen für Reiche, keine Abschaffung des Ehegattensplittings und so weiter), der andere „würde gerne“ etwas investieren, womöglich sogar in die ökologische Transformation der Wirtschaft. Aber es geht halt nicht, wegen Lindner, und so ist wenigstens die Rollenverteilung klar. Früher hätte es geheißen: Gut zu wissen, wer hier Koch ist und wer Kellner.

Leider hat Habeck vergessen hinzuzufügen, warum Lindner tun „muss“, was er tut: Weil er gehalten ist, sich ans Programm seiner Partei zu halten, also auch ans Programm der Unternehmensverbände, und dass er davon so viel durchzusetzen hat, wie es eben geht in einer Koalition.

Machtwort in Richtung SPD

Wenn jemand etwas anderes will – wie zum Beispiel der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil mit der Abschaffung des Ehegattensplittings –, dann muss halt mal ein Machtwort gesprochen werden, hier vom FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr: „Das geht mit der FDP nicht.“ Die Grünen hatten die Sache auch schon mal im Programm, aber was soll man machen, wenn man zwar „gerne würde“, aber der Finanzminister Nein sagen „muss“?

Ganz im Ernst: Es ist schon ein Alarmsignal für die Vielfalt der Parteienlandschaft, wenn der grüne Vizekanzler sich dem Vetorecht des kleinsten Koalitionspartners ohne Widerspruch und mit einem „Supi!“ auf den Lippen beugt. Sicher, der Ampelkoalition ist vorgeworfen worden, zu viel und zu laut zu streiten. Da ist auch etwas dran. Aber erstens bezieht sich die Kritik ja meistens mehr auf die Form der gegenseitigen Beinstellerei als auf den Inhalt der Debatten. Und zweitens: Hinter dem Hickhack um Heizungsgesetz, Kindergrundsicherung oder Elterngeld steht oft die sehr reale Tatsache, dass unvereinbare Grundansätze für staatliches Handeln einander gegenüberstehen: radikale Marktliberalität gegen die Idee vom steuernden Staat.

Schnell mal fünf Milliarden Euro weggerechnet

Das ist der unaufhebbare Grundwiderspruch der Ampelkoalition – jedenfalls solange die Grünen wenigstens im Prinzip bei ihrer Auffassung von politischem Handeln bleiben (der SPD-Kanzler Olaf Scholz steht hier eher an der Seite der FDP). Wenn aber ein grünes Kernanliegen wie die Kindergrundsicherung von der ebenso grünen Ministerin plötzlich um fünf Milliarden billiger gerechnet wird als ursprünglich gefordert; und wenn der wichtigste Grüne seine eigenen Ansprüche rhetorisch unter die Kuratel der systematischen Staatsverarmung stellt – dann muss man sich über Streit in dieser Koalition bald keine Sorgen mehr machen. Sondern über ihre erschreckende Einigkeit.

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