Kampfhubschrauber statt Kinder: Warum die Regierung beim Elterngeld spart

Meinung Wer mehr als 150.000 Euro pro Jahr verdient, soll kein Elterngeld mehr erhalten. Davon Betroffene klagen auf hohem Niveau – dennoch ist dies ein Rückschritt der Ampel-Koalition in Sachen Gleichstellung. Und der erfolgt nicht ohne Grund
Vater bei der Care-Arbeit: Dank der rot-grün-gelben Bundesregierung ein Anblick mit bald wohl noch größerem Seltenheitswert.
Vater bei der Care-Arbeit: Dank der rot-grün-gelben Bundesregierung ein Anblick mit bald wohl noch größerem Seltenheitswert.

Foto: Imago

Fast 60 Prozent des Etats der Bundesfamilienministerin fließen in das Elterngeld, acht von insgesamt gut 13 Milliarden Euro. So betrachtet liegt es nahe, dass die grüne Ressortchefin Lisa Paus hier den Rotstift ansetzen will. Höchstens 150.000 statt wie bisher 300.000 Euro pro Jahr sollen Väter und Mütter künftig gemeinsam verdienen dürfen, um antragsberechtigt zu sein. Ein Familieneinkommen von 12.500 Euro im Monat als Obergrenze? Das ist eine stattliche Summe, das wirkt auf den ersten Blick sozial austariert. Die angekündigte Kürzung ist dennoch kein Luxusproblem. Sie sendet ein fatal konservatives Signal.

Bei der Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 ging es nicht um Hilfen für Bedürftige, wie bei Hartz IV oder jetzt bei der Kindergrundsicherung. Das Ziel der finanziellen Anreize war, junge Mütter schneller in die Erwerbsarbeit zu reintegrieren – und die hierarchische Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern zu überwinden. Unter diesem Gesichtspunkt ist das Vorhaben der Ministerin ein klarer Schritt rückwärts.

Ob wohl Papa oder Mama beim Kind bleibt?

Männer, die wegen des Gender Pay Gap meist besser bezahlt werden als ihre Frauen, werden demnächst noch mehr zögern, eine Babypause zu machen. Papas Geld wird dringender gebraucht denn je, wenn die Lohnersatzleistung komplett wegfällt. Zu Hause beim Kind bleibt dann mit noch höherer Wahrscheinlichkeit Mama. Egalitäre Rollenexperimente können sich Familien der oberen Mittelschicht – um die geht es hier zweifelsohne – nicht mehr so einfach leisten. Es sei denn, sie haben geerbt oder leben in einer preisgünstigen Wohnung, was in den Großstädten bekanntermaßen selten geworden ist.

Zugegeben, die öffentliche Aufregung über die Streichung ist ein Klagen auf hohem Niveau. Wofür, kann man zu Recht fragen, benötigen Familien mit fünfstelligen Monatseinkünften staatliche Hilfen – während das Elterngeld wirklich armen Menschen auf ihre Sozialleistungen angerechnet wird? Lisa Paus, vom Kabinettskollegen Christian Lindner (FDP) wegen der Schuldenbremse zum Sparen aufgefordert, hatte die Wahl zwischen Pest und Cholera: entweder die Höhe der Unterstützung von maximal 1.800 Euro monatlich zu senken oder diese für Gutverdienende ganz zu streichen. Sie entschied sich für Letzteres – und trägt so dazu bei, traditionelle Rollenmodelle zu begünstigen.

Alle sparen außer Pistorius

Ganz wohl ist ihr dabei selbst nicht, das wurde bei der öffentlichen Präsentation ihrer Pläne deutlich. Zudem richtet sich die Maßnahme gegen das eigene, meist gut situierte Wählerklientel. Der Zugzwang der Ministerin hat auch damit zu tun, dass sie ihr Lieblingsprojekt, die Einführung der Kindergrundsicherung, auf keinen Fall gefährden will. Es handelt sich um eines der wenigen sozialpolitischen Vorhaben, das die Grünen, längst eine Partei der Besserverdienenden, noch ernsthaft verfolgen. Zwei sinnvolle Förderinstrumente wurden scheinbar alternativlos gegeneinander ausgespielt. Das hat mit Lindners Bemühen um die „Schwarze Null“ zu tun – und damit, dass dem Staat andere Ausgaben schlicht wichtiger sind.

Die Ansage des FDP-Finanzministers war eindeutig: Alle Ressorts müssen sparen, nur Boris Pistorius (SPD) nicht. Sein Rüstungsetat ist der einzige Haushaltsposten, der steigt und steigt. Kurz nach der Bekanntgabe der Elterngeld-Streichung orderte die Regierung beim US-Konzern Boeing neue Hubschrauber. Hinter dem euphemistisch so bezeichneten „Sondervermögen“ für die Bundeswehr verbergen sich Kriegskredite, 1914 wurden sie ehrlicherweise noch so genannt. Überspitzt formuliert: (Wohlhabende) Eltern, die viel Steuern zahlen und hohe Sozialversicherungsbeiträge entrichten, sollen jetzt den Gürtel enger schnallen, damit mehr Waffen gekauft werden können. Kampfflugzeuge sind wichtiger als Kinder.

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