Ukraine: Die von der EU subventionierte Ökonomie wird zum Problem für Polen

Konkurrenz Ukrainische Spediteure müssen nicht mehr – wie noch vor dem Krieg – Transportgenehmigungen einholen, um den EU-Markt zu bedienen. Dadurch könnten sie polnischen Transportfirmen Konkurrenz machen und die Preise stutzen
Ausgabe 48/2023
Polen: Der Trucker-Protest an der Grenze zur Ukraine sollte die EU mehr interessieren
Polen: Der Trucker-Protest an der Grenze zur Ukraine sollte die EU mehr interessieren

Foto: Imago/ZUMA Fire

Als sich im Frühjahr die Proteste polnischer Bauern gegen ukrainische Getreideexporte zu einem handfesten Konflikt zwischen der EU und Warschau auswuchsen, wirkte das wie ein Vorspiel für künftige, gravierendere Differenzen. Die sind nun da und lassen an Vehemenz nichts zu wünschen übrig. Brüssel und damit letztlich auch Polen räumen der Ukraine auf vielen Feldern Vorteile ein, um das Land zu entlasten. Folglich müssen ukrainische Spediteure nicht mehr – wie noch vor dem Krieg – Transportgenehmigungen einholen, um den EU-Markt zu bedienen. Dadurch können diese Unternehmen polnischen Transportfirmen Konkurrenz machen, indem sie etwa die Preise stutzen.

Blockaden an der Grenze zur Ukraine

Laut Infrastrukturministerium in Warschau beliefen sich die Fahrten aus der Ukraine 2023 auf bisher gut 800.000 und wären damit auf das Vierfache gestiegen. Polen verliert demnach Marktanteile in Größenordnungen. Es fällt leicht, polnischen Spediteuren, Fahrern von Trucks und inzwischen auch wieder Landwirten vorzuhalten, sie würden aus Wut die Grenze zur Ukraine blockieren. Doch ist dieser Vorwurf deplatziert, da humanitäre Güter passieren dürfen, obwohl polnische Spediteure beim Verlassen der Ukraine auf massive Meldeprobleme stoßen, die oft zu tagelangem Warten führen.

Angebrachter wäre es, den Blick auf Brüssel zu richten. Von der EU-Zentrale aus gesehen ist Kiew trotz aller Beistandsrhetorik recht fern, für Polen aber nachbarschaftlich nah. Das Land hat seit Februar 2022 nicht nur die meisten ukrainischen Flüchtenden aufgenommen, es ist in seinem Wirtschaftsgeschehen zugleich am stärksten einer international großzügig subventionierten ukrainischen Ökonomie ausgesetzt. Dass deren Wettbewerber Marktanteile erobern und halten wollen, ist nachvollziehbar.

Polens Regierung hat dem lange nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt, weil der überbordende Wille das Denken beherrschte, weltweit die Speerspitze unter den Alliierten Kiews zu sein. Aus den vor Monaten aufgeflammten Protesten der eigenen Bauern wurden daher keine Lehren gezogen. Auch jetzt musste die Blockade der Trucker erst eskalieren, damit man sich bewegte oder zumindest so tat: Noch-Regierungschef Mateusz Morawiecki schickte bislang nur den zuständigen Minister an den Ort des Geschehens – und das nach drei Wochen Protest.

Was das für die nächste Regierung Polens heißt

Brüssel vermittelt den Eindruck, dass Polens Umgang mit dem Verdrängungskampf der Spediteure nur unverständlicher Kleinkram und Erbsenzählerei sei angesichts der Mammutaufgabe, die Ukraine in die EU zu lotsen und über Russland triumphieren zu lassen. Das Ganze ist auf die Spitze getrieben, wenn Warschau Kompensationsmittel angeboten werden, die aus polnischen Töpfen kommen. Wer so agiert, bürdet der bei den jüngsten Sejm-Wahlen siegreichen pro-europäischen Opposition eine schwere Last auf. Diese kann angesichts der Situation gar nicht anders, als bei der Frage nach der Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Kiew strikt die nationale Flagge zu hissen, auf die Bremse zu treten und den Brüssler Solidaritätskurs auf den Prüfstand zu stellen.

Denn unverkennbar sinkt dank einer wenig reflektierten EU-Politik in der polnischen Bevölkerung die Akzeptanz für die Ukraine-Hilfen. Auch slowakische Spediteure haben bereits angedroht, ihrerseits an der Grenze zur Ukraine aktiv zu werden. Die EU, tief im Westen, sollte dringend ihren Blick auf den Osten schärfen.

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